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"And then, Alas, it‘s too late"

20.05.2005  |  Claus Vogt
- Seite 2 -
Herr Meyer und die Aktienblase

Laurence Meyer bekleidete von Juni 1996 bis Januar 2002 das Amt eines Fed-Governors. Damit war er Mitglied des mächtigen Entscheidungsgremiums, das die US-Geldpolitik bestimmt. Seine Amtszeit umfasst den größten Teil der vermutlich ausgeprägtesten Spekulationsblase aller Zeiten an den Aktienmärkten. Damit gehört Meyer zu den Hauptverantwortlichen dieser epochalen Fehlentwicklung. Deren geldpolitische Wegbereitung hat Stephen Roach, der Chief Economist der großen amerikanischen Investmentbank Morgan Stanley, erst kürzlich als die ursprüngliche Sünde der US-Notenbank bezeichnet: "That was the Original Sin that has since been compounded in the years that have followed." (Das war die ursprüngliche Sünde, die in den darauf folgenden Jahren verschlimmert wurde.) (http://www.morganstanley.com/GEFdata/digests/20050425-mon.html#anchor0) Roach vertritt in diesem Beitrag übrigens fast exakt die von uns sowohl in der "Performance" als auch in dem gemeinsam mit Roland Leuschel verfassten Buch "Das Greenspan Dossier" entwickelte Bubble-Analyse, in der den Notenbanken die zentrale Rolle zukommt. Langsam aber sicher scheint unsere Sichtweise der geldpolitischen und ökonomischen Zusammenhänge salonfähig zu werden.

Laurence Meyers Äußerungen zum Thema Spekulationsblasen erscheinen uns nicht nur aus diesem Grund als überaus bezeichnend. Sie bestätigen uns nicht nur in unserer bekanntlich höchst kritischen Beurteilung der geldpolitischen Ära Greenspan, sondern sie bestärken uns auch in unserer Prognose einer anhaltend inflationären Geldpolitik in den kommenden Jahren. Jedenfalls drängt sich bei der Lektüre des 2004 erschienenen Buchs von Meyer der Eindruck auf, dass die ideologische Verblendung der geldpolitischen Entscheidungsträger extrem tief verwurzelt ist. Ohne massiven äußeren Druck, wie er beispielsweise Ende der 1970er Jahre aufgrund der sichtbar schädlichen hohen Inflationsraten entstanden war, wird eine Rückkehr des nüchternen und rationalen Geistes eines Paul Volcker in die US-Geldpolitik kaum möglich sein.

Als Kernstück dieser ideologischen Verblendung sehen wir das völlige Ignorieren des Geldmengenwachstums seitens der Greenspan Fed. Dazu schreibt Meyer: "Sie werden in diesem Buch nicht sehr viel über die Geldmenge hören. (...) (D)ie Zentralbank trifft ihre Entscheidungen nicht direkt hinsichtlich der Geldmenge. Folglich können wir (und ich tue das) die Story der Geldpolitik erzählen, ohne darauf Bezug zu nehmen, was mit der Geldmenge passiert." Stattdessen beschränkt sich das geldpolitische Zentralkomitee auf den von ihm manipulierten kurzfristigen Zinssatz und misst die Inflation über einen fragwürdigen und fast beliebig manipulierbaren Warenkorb. Wir halten diesen Ansatz für falsch, gerade weil er zum Erkennen von Spekulationsblasen nicht geeignet ist und allein aus diesem Grund zu einer systematisch falschen Geldpolitik führen muss. Seit rund 10 Jahren können wir diesen einfachen Zusammenhang gewissermaßen live verfolgen.

Die Fixierung der Geldpolitiker auf ihren Warenkorb machte sie zunächst blind für die Spekulationsblase am Aktienmarkt und ermöglichte ihnen das jahrelange Festhalten an einer falschen Geldpolitik. Dann, nach dem Platzen dieser Blase, führte sie zu einer neuen Runde falsch administrierter Zinssätze. Diese schufen den notwendigen Nährboden für eine Immobilienblase und eine Echoblase am Aktienmarkt, vielleicht sogar für eine Blase an den Rentenmärkten.


Nichts Hören, nichts Sehen und nicht daran Denken

Vor diesem Hintergrund wundert es uns nicht, dass Meyer in seiner Darstellung von Spekulationsblasen das von uns als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung bezeichnete Geld- und Kreditmengenwachstum gar nicht erst erwähnt. Diese wichtige volkswirtschaftliche Größe liegt eben außerhalb des Sichtfelds der Greenspan Fed.

"Im Nachhinein", so Meyer, "hätten wir alle im Sommer 1999 die Bubble in unserer Mitte sehen müssen. Es ist mir immer noch peinlich, dass es mir nicht gelang, die hohe Wahrscheinlichkeit zu erkennen, dass das der Fall war."

Seine Weigerung, die Geldmenge als wichtigen Einflussfaktor zu akzeptieren, lässt leider keine Hoffnung zu, dass er in Zukunft in der Lage sein wird, eine Blase zu erkennen. In fast schon entwaffnender Offenheit schließt Meyer den der Spekulationsblase gewidmeten Abschnitt seines Buchs folgendermaßen: "Aber weil ich nicht sicher war, dass ich wusste, was zu tun sei, falls es eine Blase gebe, denke ich, dass ich es einfach vermieden habe, daran zu denken. Nebenbei bemerkt denke ich nicht, dass ich in dieser Hinsicht innerhalb des (geldpolitischen Entscheidungs- Anm. d. Red.) Komitees alleine war."

Genau so haben wir uns immer schon die Leute vorgestellt, die von Politikern erkoren werden, uns dummes Volk "durch den Sturm zu navigieren". Augen zu und durch - und dabei nie vergessen, an den eigenen Vorteil zu denken.


Neues von der Immobilienblase

Mit der US-Immobilienpreisblase haben wir uns bereits mehrfach auseinandergesetzt. Dabei ließen wir es nicht an Hinweisen fehlen, dass diese ungesunde inflationäre Entwicklung nicht auf die USA beschränkt ist. Wir nannten Großbritannien, Irland, Spanien und Australien als Beispiele für die preistreibende Wirkung der weltweit expansiven Geldpolitiken. Kein Geringerer als Jeremy Grantham, der Chairman der auch in den wildesten Jahren der Aktienblase stets dem Value-Ansatz verpflichteten Bostoner Vermögensverwaltung Grantham, Mayo, Van Otterloo & Co LLC, hat kürzlich eine sehr aufschlussreiche Analyse einiger der von uns zitierten Immobilienmärkte vorgelegt (http://www.gmo.com/america). Ganz grob gesprochen, liegt für Grantham immer dann eine Spekulationsblase vor, wenn der aktuelle Preis eines Marktes sich um mindestens 2 Standardabweichungen von seinem langfristigen Trend entfernt hat. Mit Hilfe dieser Definition gelang es ihm, zu den ganz wenigen Marktteilnehmern zu gehören, die Ende der 1990er Jahre nicht der allgemeinen Euphorie erlagen, sondern mit klarem Verstand die Aktienblase erkannten, sie öffentlich beim Namen nannten und ihr unvermeidliches Platzen prognostizierten.

Als Maßeinheit zur Bewertung des Marktes für nichtgewerbliche Immobilien verwendet Grantham den Immobilienpreis im Verhältnis zum Einkommen privater Haushalte. Als Ergebnis dieser Vorgehensweise erhält er eine Zeitreihe, die sich unter großen Schwüngen um einen horizontal verlaufenden Durchschnitt bewegt. Die Preise nichtgewerblicher Immobilien bewegen sich längerfristig also im Einklang mit den Haushaltseinkommen. Kurzfristig kommt es jedoch auch an den Immobilienmärkten immer wieder einmal zu erheblichen Abweichungen vom langfristigen Trend, gefolgt von einer Gegenbewegung.

Der britische Markt befindet sich zur Zeit sensationelle 3 Standardabweichungen über seinem langfristigen Trend, der australische und der amerikanische jeweils 2. In den USA seien die beiden Küstenregionen deutlich überbewertet, was für den Rest des Landes allerdings nicht gelte.

Granthams Ergebnisse passen also ganz vorzüglich zu unserer eigenen Einschätzung der genannten Immobilienmärkte und mahnen zu äußerster Vorsicht. In allen 3 Ländern befinden wir uns inmitten einer Zinserhöhungskampagne der jeweiligen Notenbank. In der dadurch bewirkten Liquiditätsverknappung sehen wir die klassische Nadel, welche die Blase zum Platzen bringen wird. In Australien scheint dieser Prozess bereits begonnen zu haben. Zumindest schreibt die australische Presse bereits über durchaus empfindliche Preisrückgänge in Sydney. "Käufermarkt aufgrund fallender Hauspreise" lautete beispielsweise eine Überschrift in "The Sunday Telegraph" am 10.4.2005.
Australien war im aktuellen Zinszyklus übrigens das erste Land, dessen Zentralbank die Zinsen erhöhte. Etwas später folgten die Briten und danach die Amerikaner. Aufgrund dieser zeitlichen Verzögerungen wäre es sicherlich nicht gerade überraschend, die heiße Luft in eben dieser Reihenfolge aus den Blasen entweichen zu sehen.


Herr Meyer und die Immobilienblase

Nach dem weiter oben zu Ex-Fed-Governor Meyer Gesagten wird es den aufmerksamen Leser sicherlich nicht wundern, dass die steigenden Immobilienpreise in den USA keinen Eingang in Meyers Buch gefunden haben. Vermutlich kann er sie, wie damals schon die Aktienblase, einfach nicht erkennen. Oder er hat sich wieder einmal dafür entschieden, den Kopf in den Sand zu stecken. Vielleicht gelingt es seinen Vogel-Strauß-Kollegen ja dieses Mal, das drohende Unheil durch beherztes Ignorieren und Wegschauen abzuwenden.




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