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Ein Interview mit einem Meister der langen Welle (Teil 2)

28.04.2010  |  Clif Droke
- Seite 3 -
Aktuell hat Wallerstein jedoch die These, dass jede Langwelle eine Art Geburtsschmerz des globalen Sozialismus ist. Übrigens hat Wallerstein sehr linksgerichtete, sozialistische Tendenzen. Er glaubt, wir würden uns nicht auf ein Weltreich der Umverteilung zubewegen, sondern auf einen globalen Sozialismus. Wenn man sich jetzt anschaut, was im letzten Jahr passierte und wie wir auf die Weltfinanzkrise reagiert haben, dann muss man natürlich sagen: "Um Himmels Willen, Wallerstein könnte am Ende doch Recht haben." Betrachtet man aber genauer, was wirklich geschehen ist, so sieht es eher nach einem Weltreich der Umverteilung aus, in dem die Mittelklasse im Interesse der elitären Klasse - Manager in Politik und Wirtschaft - besteuert wird. Ich denke, eine andere Bezeichnung für Redistributive World Empire wäre wohl vetternwirtschaftlicher Staatskapitalismus. Und Staatskapitalismus ist nicht das gleiche wie internationaler Freimarktkapitalismus.

Also im Grunde mache ich im Buch drei Szenarien auf. Szenario 1 ist das, was Wallerstein sagt, nämlich, dass jede Langwelle zu einer noch größeren Krise des Kapitalismus führt und schließlich zur Geburt des globalen Sozialismus. Ich glaube nicht, dass es in diese Richtung geht. Dann beschäftige ich mich mit der Beobachtung, dass die Weltwirtschaften während vergangener Krisenfälle Weltreiche der Umverteilung hervorbrachten. Hier muss man sagen, dass wir uns den Indizien zufolge wahrscheinlich am ehesten auf dieses Szenario zubewegen.

Mein Vorschlag ist die Great Republic; und ich glaube tief und fest, dass wir in Folge der nahenden Krise die große Chance haben, uns in Richtung des wahren internationalen Freimarktkapitalismus zu bewegen. Wenn Sie sich umschauen, sehen Sie eine Politik der Austerität in Irland und Sie sehen auch, wie die Deutschen gegenüber den Griechen Austerität propagieren – und hier muss man auch erkennen, dass Austerität nichts mit einem Weltreich der Umverteilung gemein hat. Ich gehe wirklich davon aus, dass die Härte staatlicher Schuldenzusammenbrüche zwangsläufig zum Umdenken, zu Veränderungen und Neuerungen führen wird, die nach einer Great Republik rufen. Das Potential, dass die Veränderungen im Umfeld eines solchen Zusammenbruchs zur Great Republic führen, ist definitiv vorhanden.


Clif Droke: Diese Annahme würde jetzt von vielen Beobachtern mit Verweis auf die derzeitigen Entwicklungen angefochten werden. Wie würden Sie ihnen entgegnen?

David Fox Barker: In Anbetracht dessen, was seit der Kreditkrise passierte, ist es ganz einfach zu sagen: "Das sieht nach einem Weltreich der Umverteilung aus." Doch interessant ist auch, was Ron Paul vor Kurzem entgegnete, als man Obama beschuldigte, er sei Sozialist. Ron Paul sagte: "Obama ist kein Sozialist, er ist ein Korporatist." Die von Konzernen bestimmte Weltsicht ist die des Weltreichs der Umverteilung: Es gibt eine elitäre Klasse aus Staat und Wirtschaft, die alles Mögliche in Beschlag genommen hat, während die Mittelklasse besteuert wird, um das Überleben dieser Eliteklasse zu gewährleisten. Ich sehe dieses Weltreich der Umverteilung, in der sich dieses Leitbild verkörpert, aktuell selbst in einem Schockzustand verhaftet - er wird einfach nicht so funktionieren können.

Ich denke, der Weg, den wir einschlagen müssen, darf nicht zum Sozialismus führen, sondern zum internationalen Freimarktkapitalismus. Das ist Teil meines optimistischen Ausblicks infolge des Weltfinanzcrashs. Ich meine, wer hätte je gedacht, dass eine deutscher Kanzlerin Ayn Rand zitieren würde, wenn sie den Griechen sagt, sie müssten lernen, dass sie nicht mehr verbrauchen können, als sie produzieren. Hier sehe ich, wie den Politikern nach und nach ein Licht aufgeht und wie sie anfangen zu begreifen, dass ein Weltreich der Umverteilung nicht funktionieren wird. Wir brauchen in Wirklichkeit Folgendes: Die Macht des Staates muss verringert werden und Austerität ist der Weg vorwärts.


Clif Droke: In Ihrem Buch schreiben Sie auch über die Beziehungen zwischen Federal Reserve und der US-Regierung. Genaugenommen stellen Sie fest, dass an erster Stelle die Staatsausgaben für die Finanzkrise verantwortlich sind und nicht die Federal Reserve. Könnten Sie Ihre Ansichten für uns noch einmal darlegen?

David Fox Barker: Wenn man schaut, was im Kongress bezüglich Fannie Mae und Freddie Mac passierte und auch den politischen Druck betrachtet, der auf der Fed wegen der Stimulierung von Wirtschaftswachstum lastete, so geht es im Kern ja darum, dass die Fed zwei Mandate besitzt: Preisstabilität als auch das Streben nach Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum. Die Europäische Zentralbank hat nur das Mandat der Preisstabilität. Wenn die US-Notenbank nun den Doppelauftrag hat, für Wirtschaftwachstum und Preisstabilität zu sorgen, dann schafft das einen Widerspruch in sich. Ich würde nicht sagen, dass man der Fed überhaupt keine Schuld an der Finanzkrise geben sollte, aber ich glaube doch, der größere Teil der Schuld sollte der Regierungspolitik zugewiesen werden und weniger der Notenbankpolitik. Ich denke, die Fed hat versagt, was das Thema Mindesteinlagen angeht. Wir hätten viel höhere Mindesteinlagen haben sollen, was die Finanzhebel im System deutlich abgeschwächt hätte.

Ein wichtiger Teil dieses Problems waren die Hypotheken in Höhe von 7 Billionen $, die Fannie und Freddie auf den Markt geworfen hatten. Und dann unterlagen die Aussteller dieser Hypotheken auch keinen Regulierungen - also jene, die diese anzahlungsfreien "Schwindelkredite" schufen, diese 120% des Kreditbetrags. Das war absoluter Wahnsinn, aber eben keine Phänomen des Freien Marktes, denn hätten die Investoren nicht gewusst, dass es sich hierbei um staatlich abgesicherte Hypotheken handelt, hätte keiner sie auch nur angerührt, sie waren toxisch. Es hätte keine Verbriefung dieser Hypotheken durch die Wall Street gegeben. Um auf die Fed zurückzukommen: Die Gründungsväter wussten, was sie taten, als sie die Macht des Staates einschränken wollten.

Jetzt stellt man sich natürlich die Frage, ob die Gründung der Federal Reserve durch die Konstitution gedeckt ist. Ich glaube, dass dies wahrscheinlich der Fall ist, doch das heißt noch lange nicht, dass die Fed über solche Finanzhebel im System verfügen und sich derart in die Regierungspolitik hineinziehen lassen darf. Das Problem (der Kreditkrise) wurde hauptsächlich durch schlechte Regierungspolitik in Verbindung mit schlechter Notenbankpolitik geschaffen.

Viele Fed-Kritiker werden dann aufzeigen, wie viel der Dollar wert war, als die Fed gegründet wurde und wie stark sich der Dollar anschließend entwertete. Aber wenn man den Chart mit Dollars darstellt, die auf Konten für Staatsanleihen mit 3- bis 6-monatiger Laufzeit angelegt wurden, dann sieht das eigentlich gar nicht so schlecht aus. Aber insgesamt liegt das Problem bei den zu starken Finanzhebeln, bei der Über-Fremdkapitalisierung des Systems.





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