Preisverzerrungen am Ölmarkt nehmen zu
14.05.2010 | Eugen Weinberg
Energie
Der WTI-Ölpreis steht weiter unter Druck und fällt am Morgen auf ein 3-Monatstief unterhalb von 74 USD je Barrel. Dies ist in erster Linie auf eine Verzerrung des WTI-Preises zurückzuführen, welche die Aussagekraft des WTI-Preises als Referenzpreis derzeit in Frage stellt. Die Preisdifferenz zwischen den beiden nächstfälligen WTI-Kontrakten beträgt mittlerweile 4,5 USD. So steil war die WTI-Terminkurve zuletzt vor 15 Monaten.
Der Preisaufschlag von Brent gegenüber WTI beträgt inzwischen sogar 6 USD. Ausschlaggebend hierfür ist der weitere Anstieg der Lagerbestände in Cushing, dem Haupthandelspunkt für WTI. Laut US-Energieministerium stiegen die Vorräte in Cushing in der vergangenen Woche um weitere 800 Tsd. auf einen neuen Rekordwert von 37 Mio. Barrel. Der Energiedatenanbieter Genscape berichtet für die Woche zum 11. Mai sogar von einem Lageraufbau in Cushing um 1,2 Mio. auf 39 Mio. Barrel. Genscape zufolge sind die Lagerkapazitäten in Cushing zu 79% gefüllt.
Allerdings wird auch Brent derzeit verzerrt, und zwar nach oben. So dürfte die Ölproduktion in der Nordsee im Juni aufgrund von saisonüblichen Wartungsarbeiten Daten von Reuters zufolge um 14% gegenüber dem Vormonat fallen. Heute läuft bei Brent der Juni-Kontrakt aus. Der Juli-Kontrakt notiert noch einmal einen USD höher. Die Preisdifferenz wird sich deshalb am Montag weiter ausweiten. Angesichts hoher weltweiter Lagerbestände scheint die Nachfrage nach OPEC-Öl allmählich abzuebben. Wie die Beratungsfirma Oil Movement berichtet, sollen die OPEC-Lieferungen in den vier Wochen zum 29. Mai um 110 Tsd. Barrel pro Tag niedriger ausfallen als in den vier Wochen zuvor.
Edelmetalle
Gold profitiert weiter von der Flucht der Anleger in Sicherheit und markierte zwischenzeitlich mit 1.249 USD je Feinunze bzw. 990 EUR je Feinunze neue Rekordniveaus. Diesseits und jenseits des Atlantiks investieren die Anleger weiter hohe Summen in Gold-Fonds. Der weltweit größte börsennotierte Goldfonds, SPDR Gold Trust, verzeichnete allein vorgestern neue Zuflüsse von 17 Tonnen, wodurch sich sein Bestand auf ein Rekordhoch von 1.209,5 Tonnen erhöht hat. Auch die europäischen Gold-ETFs berichten über hohe Zuflüsse.
Der Anbieter ETF Securities gab beispielsweise bekannt, dass sich die Bestände in seinen Gold-ETFs im April um fast 600 Tsd. Unzen und damit so stark wie zuletzt im August erhöht haben. Diese Fonds haben mittlerweile 8,4 Mio. Unzen (ca. 270 Tonnen) Gold angehäuft. In Zeiten anhaltender Unsicherheit dürfte Gold stark gefragt und der Preis daher gut unterstützt bleiben. Die psychologisch wichtige 1.000-EUR-Marke dürfte zusätzliche Investoren anlocken.
Der zu Jahresbeginn in den USA aufgelegte Palladium-ETF hat gestern ebenfalls neue Zuflüsse verzeichnet. Der Bestand hat sich um 20 Tsd. auf 730 Tsd. Unzen erhöht. Der Fonds steht damit für über 11% der globalen Jahresnachfrage und hat mittlerweile mehr als eine Monatsproduktion von Palladium gekauft. Wir erwarten ein anhaltend hohes Investoreninteresse bei Palladium, so dass der Preis weiter gut unterstützt sein sollte.
Industriemetalle
Das Auf und Ab der Preise an den Metallmärkten geht weiter. Nachdem diese gestern um bis zu drei Prozent zulegen konnten, geben sie heute Morgen einen Teil ihrer Gewinne bereits wieder ab. Sorgen über ein Abwürgen des Aufschwungs in Europa aufgrund von Budgetkürzungen zur Eindämmung der Staatsdefizite in einigen europäischen Ländern drücken auf die Stimmung der Marktteilnehmer.
Hinzu kommen Befürchtungen, dass weitere restriktive monetäre Maßnahmen in China unmittelbar bevorstehen könnte, nachdem das Land zu Beginn der Woche sehr starke Konjunkturdaten veröffentlicht hatte. Dies hat zugleich die Notwendigkeit aufgezeigt, die lokale Wirtschaft abkühlen zu müssen, um eine Blasenbildung zu verhindern. Unter normalen Umständen dürften daher keine großen Preissprünge der Industriemetalle nach oben zu erwarten sein. Derzeit werden die Rohstoffpreise jedoch eher von übergeordneten Makrofaktoren beeinflusst.
ArcelorMittal, der weltweit größte Stahlproduzent, hebt ab Juli seine Stahlpreise deutlich an und gibt dadurch die höheren Kosten für Eisenerz und Kohle zumindest teilweise an die Kunden weiter. Im Verlauf des dritten Quartals sollen die Preise nochmals erhöht werden. Gleichzeitig folgt ArcelorMittal den Eisenerzproduzenten und stellt seine Jahresverträge auf kürzerlaufende Kontrakte um. Sowohl für die Stahl- als auch für Eisenerz- und Kohlepreise besteht weiteres Aufwärtspotenzial.
Agrarrohstoffe
Das US-Landwirtschaftsministerium hat gestern den Verkauf von 369 Tsd. Tonnen Mais an China bestätigt. Das ist die größte verkaufte Menge seit 2001. Ende April hatte China erstmals seit vier Jahren 115 Tsd. Tonnen US-Mais gekauft. Die chinesischen Maiskäufe haben den Maispreis in den vergangenen Wochen unterstützt und Mitte der Woche auf ein 2-Monatshoch von 3,8 USD je Scheffel steigen lassen. Allerdings kommt der Preis heute schon wieder etwas zurück. Denn es ist ungewiss, ob es sich bei den chinesischen Maiskäufen um einen neuen Trend handelt oder nur um ein vorübergehendes Phänomen.
Bislang ist China in der Lage, seinen Bedarf an Mais aus eigener Produktion zu decken. Im Erntejahr 2010/11 soll die chinesische Maisproduktion die inländische Nachfrage Schätzungen des USDA zufolge sogar um 7 Mio. Tonnen übertreffen. Die chinesischen Käufe können daher bestenfalls dazu dienen, kurzfristige Angebotsengpässe zu überbrücken oder die chinesischen Lagerbestände aufzufüllen. Letztere beliefen sich Ende des Erntejahres 2009/10 auf 53 Mio. Tonnen. Dies entspricht einer Reichweite von vier Monaten, so dass keine zwingende Notwendigkeit für Reservekäufe besteht.
China dürfte daher wie in der Vergangenheit bei anderen Rohstoffe geschehen das derzeit niedrige Preisniveau für sich ausnutzen. Die chinesischen Käufe dürften helfen, den Maispreis nach unten abzusichern. Das hohe Angebot und die Aussicht auf eine neuerliche Rekordernte in den USA stehen allerdings deutlich höheren Preisen entgegen.
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
Diese Ausarbeitung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich eine selbständige Anlageentscheidung des Kunden erleichtern und ersetzt nicht eine anleger- und anlagegerechte Beratung. Die in der Ausarbeitung enthaltenen Informationen wurden sorgfältig zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Einschätzungen und Bewertungen reflektieren die Meinung des Verfassers im Zeitpunkt der Erstellung der Ausarbeitung und können sich ohne vorherige Ankündigung ändern.
Der WTI-Ölpreis steht weiter unter Druck und fällt am Morgen auf ein 3-Monatstief unterhalb von 74 USD je Barrel. Dies ist in erster Linie auf eine Verzerrung des WTI-Preises zurückzuführen, welche die Aussagekraft des WTI-Preises als Referenzpreis derzeit in Frage stellt. Die Preisdifferenz zwischen den beiden nächstfälligen WTI-Kontrakten beträgt mittlerweile 4,5 USD. So steil war die WTI-Terminkurve zuletzt vor 15 Monaten.
Der Preisaufschlag von Brent gegenüber WTI beträgt inzwischen sogar 6 USD. Ausschlaggebend hierfür ist der weitere Anstieg der Lagerbestände in Cushing, dem Haupthandelspunkt für WTI. Laut US-Energieministerium stiegen die Vorräte in Cushing in der vergangenen Woche um weitere 800 Tsd. auf einen neuen Rekordwert von 37 Mio. Barrel. Der Energiedatenanbieter Genscape berichtet für die Woche zum 11. Mai sogar von einem Lageraufbau in Cushing um 1,2 Mio. auf 39 Mio. Barrel. Genscape zufolge sind die Lagerkapazitäten in Cushing zu 79% gefüllt.
Allerdings wird auch Brent derzeit verzerrt, und zwar nach oben. So dürfte die Ölproduktion in der Nordsee im Juni aufgrund von saisonüblichen Wartungsarbeiten Daten von Reuters zufolge um 14% gegenüber dem Vormonat fallen. Heute läuft bei Brent der Juni-Kontrakt aus. Der Juli-Kontrakt notiert noch einmal einen USD höher. Die Preisdifferenz wird sich deshalb am Montag weiter ausweiten. Angesichts hoher weltweiter Lagerbestände scheint die Nachfrage nach OPEC-Öl allmählich abzuebben. Wie die Beratungsfirma Oil Movement berichtet, sollen die OPEC-Lieferungen in den vier Wochen zum 29. Mai um 110 Tsd. Barrel pro Tag niedriger ausfallen als in den vier Wochen zuvor.
Edelmetalle
Gold profitiert weiter von der Flucht der Anleger in Sicherheit und markierte zwischenzeitlich mit 1.249 USD je Feinunze bzw. 990 EUR je Feinunze neue Rekordniveaus. Diesseits und jenseits des Atlantiks investieren die Anleger weiter hohe Summen in Gold-Fonds. Der weltweit größte börsennotierte Goldfonds, SPDR Gold Trust, verzeichnete allein vorgestern neue Zuflüsse von 17 Tonnen, wodurch sich sein Bestand auf ein Rekordhoch von 1.209,5 Tonnen erhöht hat. Auch die europäischen Gold-ETFs berichten über hohe Zuflüsse.
Der Anbieter ETF Securities gab beispielsweise bekannt, dass sich die Bestände in seinen Gold-ETFs im April um fast 600 Tsd. Unzen und damit so stark wie zuletzt im August erhöht haben. Diese Fonds haben mittlerweile 8,4 Mio. Unzen (ca. 270 Tonnen) Gold angehäuft. In Zeiten anhaltender Unsicherheit dürfte Gold stark gefragt und der Preis daher gut unterstützt bleiben. Die psychologisch wichtige 1.000-EUR-Marke dürfte zusätzliche Investoren anlocken.
Der zu Jahresbeginn in den USA aufgelegte Palladium-ETF hat gestern ebenfalls neue Zuflüsse verzeichnet. Der Bestand hat sich um 20 Tsd. auf 730 Tsd. Unzen erhöht. Der Fonds steht damit für über 11% der globalen Jahresnachfrage und hat mittlerweile mehr als eine Monatsproduktion von Palladium gekauft. Wir erwarten ein anhaltend hohes Investoreninteresse bei Palladium, so dass der Preis weiter gut unterstützt sein sollte.
Industriemetalle
Das Auf und Ab der Preise an den Metallmärkten geht weiter. Nachdem diese gestern um bis zu drei Prozent zulegen konnten, geben sie heute Morgen einen Teil ihrer Gewinne bereits wieder ab. Sorgen über ein Abwürgen des Aufschwungs in Europa aufgrund von Budgetkürzungen zur Eindämmung der Staatsdefizite in einigen europäischen Ländern drücken auf die Stimmung der Marktteilnehmer.
Hinzu kommen Befürchtungen, dass weitere restriktive monetäre Maßnahmen in China unmittelbar bevorstehen könnte, nachdem das Land zu Beginn der Woche sehr starke Konjunkturdaten veröffentlicht hatte. Dies hat zugleich die Notwendigkeit aufgezeigt, die lokale Wirtschaft abkühlen zu müssen, um eine Blasenbildung zu verhindern. Unter normalen Umständen dürften daher keine großen Preissprünge der Industriemetalle nach oben zu erwarten sein. Derzeit werden die Rohstoffpreise jedoch eher von übergeordneten Makrofaktoren beeinflusst.
ArcelorMittal, der weltweit größte Stahlproduzent, hebt ab Juli seine Stahlpreise deutlich an und gibt dadurch die höheren Kosten für Eisenerz und Kohle zumindest teilweise an die Kunden weiter. Im Verlauf des dritten Quartals sollen die Preise nochmals erhöht werden. Gleichzeitig folgt ArcelorMittal den Eisenerzproduzenten und stellt seine Jahresverträge auf kürzerlaufende Kontrakte um. Sowohl für die Stahl- als auch für Eisenerz- und Kohlepreise besteht weiteres Aufwärtspotenzial.
Agrarrohstoffe
Das US-Landwirtschaftsministerium hat gestern den Verkauf von 369 Tsd. Tonnen Mais an China bestätigt. Das ist die größte verkaufte Menge seit 2001. Ende April hatte China erstmals seit vier Jahren 115 Tsd. Tonnen US-Mais gekauft. Die chinesischen Maiskäufe haben den Maispreis in den vergangenen Wochen unterstützt und Mitte der Woche auf ein 2-Monatshoch von 3,8 USD je Scheffel steigen lassen. Allerdings kommt der Preis heute schon wieder etwas zurück. Denn es ist ungewiss, ob es sich bei den chinesischen Maiskäufen um einen neuen Trend handelt oder nur um ein vorübergehendes Phänomen.
Bislang ist China in der Lage, seinen Bedarf an Mais aus eigener Produktion zu decken. Im Erntejahr 2010/11 soll die chinesische Maisproduktion die inländische Nachfrage Schätzungen des USDA zufolge sogar um 7 Mio. Tonnen übertreffen. Die chinesischen Käufe können daher bestenfalls dazu dienen, kurzfristige Angebotsengpässe zu überbrücken oder die chinesischen Lagerbestände aufzufüllen. Letztere beliefen sich Ende des Erntejahres 2009/10 auf 53 Mio. Tonnen. Dies entspricht einer Reichweite von vier Monaten, so dass keine zwingende Notwendigkeit für Reservekäufe besteht.
China dürfte daher wie in der Vergangenheit bei anderen Rohstoffe geschehen das derzeit niedrige Preisniveau für sich ausnutzen. Die chinesischen Käufe dürften helfen, den Maispreis nach unten abzusichern. Das hohe Angebot und die Aussicht auf eine neuerliche Rekordernte in den USA stehen allerdings deutlich höheren Preisen entgegen.
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
Diese Ausarbeitung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich eine selbständige Anlageentscheidung des Kunden erleichtern und ersetzt nicht eine anleger- und anlagegerechte Beratung. Die in der Ausarbeitung enthaltenen Informationen wurden sorgfältig zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Einschätzungen und Bewertungen reflektieren die Meinung des Verfassers im Zeitpunkt der Erstellung der Ausarbeitung und können sich ohne vorherige Ankündigung ändern.