Stimmungswechsel: Leerverkäufer lecken Blut
17.05.2010 | Eugen Weinberg
Energie
Die Rohstoffpreise setzen ihre Talfahrt auch zu Beginn der neuen Handelswoche fort. Ein festerer US-Dollar und fallende Aktienmärkte sorgen für anhaltenden Abgabedruck. Der WTI-Ölpreis fällt am Morgen erstmals seit Anfang Februar unter die Marke von 70 USD je Barrel.
Wie der Preisanstieg zuvor hat auch der Preisverfall keinen erkennbaren fundamentalen Hintergrund, sondern ist in erster Linie auf einen Stimmungswechsel an den Finanzmärkten zurückzuführen. Wie die aktuellen CFTC-Daten zur Marktpositionierung zeigen, setzen die spekulativen Finanzanleger mittlerweile verstärkt auf fallende Preise. Diese haben zum 11. Mai ihre Netto-Long-Positionen um 21,5 Tsd auf 133.442 Kontrakte reduziert. Der Rückgang war dabei größtenteils auf den Aufbau von Shortpositionen zurückzuführen. Die Hedge-Fonds und andere Leerverkäufer spielen u.E. gegen den automatischen Mechanismus des Kontraktwechsels in den meisten Investmentprodukten und Rohstoffindizes. Der starke Anstieg der WTI-Terminkurve bestätigt diese These.
Der Preisabstand zwischen den WTI-Kontrakten für Juni und Juli hat sich zwar etwas verringert, beläuft sich aber immer noch auf knapp 4 USD. Die Leerverkäufe seitens der spekulativen Anleger dürften daher bis zum Auslaufen des Juni-Kontraktes am Donnerstag anhalten, zumal die rekordhohen US-Lagerbestände in Cushing und die Schließung der Flughäfen in Europa wegen der Aschewolke die Stimmung weiter eintrüben. Der Vergleich zwischen WTI und Brent wird dadurch erschwert, dass bei Brent die Kontraktumstellung bereits heute erfolgte. Der Juli-Kontrakt von Brent fällt zwar ebenfalls auf 77 USD je Barrel, handelt aber weiterhin mit einem Preisaufschlag von 2,5 USD zum entsprechenden WTI-Kontrakt.
Edelmetalle
Gold kann dem festen US-Dollar weiterhin trotzen. Das gelbe Edelmetall handelt am Morgen bei 1.240 USD je Feinunze und damit nur knapp 10 USD unter dem am Freitag erreichten Rekordhoch. In Euro kann Gold auf ein neues Allzeithoch von 1.013 EUR je Feinunze steigen. Der Goldpreis wird getrieben durch eine robuste Investmentnachfrage. Der weltgrößte Gold-ETF, SPDR Gold Trust, meldet für Freitag erneut Zuflüsse von 4,5 Tonnen. Seit Mitte April sind somit mehr als 70 Tonnen Gold in den SPDR Gold Trust geflossen. Diese Zuflüsse sind Ausdruck eines gestiegenen Sicherheitsbedürfnisses der Anleger, welche aus Sorge vor einer Ausbreitung der Schuldenkrise in der Eurozone in den sicheren Hafen Gold flüchten.
Dies lockt verstärkt auch die spekulativen Finanzanleger an. Diese verstehen Gold weniger als Versicherung gegen Finanzmarktrisiken, sondern wollen vor allem von Preisveränderungen profitieren. Die spekulativen Netto-Long-Positionen stiegen in der Woche zum 11. Mai um weitere 9,7 Tsd. auf 217.530 Kontrakte, den höchsten Stand seit knapp sechs Monaten. Das war der fünfte Anstieg in den letzten sechs Wochen. In diesem Zeitraum sind die spekulativen Netto-Long-Positionen um 70 Tsd. Kontrakte bzw. umgerechnet 219 Tonnen Gold gestiegen. Solange der Goldpreis weiter steigt, dürften weitere spekulative Anleger auf den fahrenden Zug aufspringen und den Preis weiter nach oben treiben.
Industriemetalle
Bei den Indutriemetallen haben die jüngsten Turbulenzen der Finanzmärkte starke Spurren hinterlassen. Vor allem hat sich die Stimmung der Marktteilnehmer gedreht, was gut am steigenden US-Dollar und den fallenden Aktienmärkten abzulesen war. Der chinesische Shanghai A-Shares Index, der häufig den Metallpreisen die Richtung vorgibt, ist heute um 5% gefallen. Dabei beträgt sein Rückgang seit Jahresbeginn fast 22%, was insbesondere in China wichtig ist, weil viele Leute charttechnisch orientiert handeln. Der Kursrückgang über 20% markiert den sog. Bärenmarkt, was zu weiteren Verkäufen und somit Kursverlusten führen kann.
Auch wenn wir von einem weiteren Preisrückgang der Metalle überzeugt sind, ist nach den starken Rückgängen der letzten Tage eine kurzfristige Erholung nicht auszuschließen. Die allgemeine Stimmung bei Metallen scheint sich jedoch ins Negative zu drehen, so dass sogar kleine Unstimmigkeiten bzw. negative Überraschungen einen weiteren Preisrückgang bewirken könnten, zumal die Spekulanten nach wie vor per saldo "long" positioniert sind. Die spekulativen Positionen bei Kupfer an der COMEX gingen zwar in der Woche zum 11.Mai um knapp 1500 Kontrakte zurück, bleiben jedoch per Saldo mit 14.202 Kontrakten positiv. Da könnte der heute von der LME gemeldete erste Anstieg der LME-Lagerbestände für Kupfer in Südkorea seit Januar für weitere Belastung sorgen, vor allem nach dem Durchbruch der wichtigen charttechnischen Unterstützungslinien in den letzten Tagen.
Agrarrohstoffe
Die Netto-Position der spekulativen Finanzanleger bei Mais stiegen in der Woche zum 11. Mai um mehr als 20.000 Kontrakte, was mit Meldungen über chinesische Maisimporte zusammenhängen dürfte. Nachdem die Maispreise in Chicago in den Vortagen nicht zuletzt deshalb gestiegen waren, gaben sie am Freitag deutlich nach. Neben Nachrichten, wonach die argentinische Getreidebörse nochmals die Ernte des Landes auf 21,7 Mio. Tonnen hochrevidierte, hat sich auch die Fantasie über möglicherweise weitere hohe Importe Chinas etwas verflüchtigt.
In China steigen zwar die Maispreise auf immer neue Höhen, obwohl Angebot und Nachfrage recht ausgeglichen sein sollten. Möglicherweise sind die Anbieter bei Verkäufen angesichts von Aussaatverzögerungen in Erwartung kommender Ernterückgänge und steigender Preise zurückhaltend. Vom chinesischen Landwirtschaftsministerium wurde verlautbart, dass die vergangene Ernte 166 Mio. Tonnen betragen habe. Diesen Schätzungen wird offenbar Skepsis entgegengebracht, zumal das USDA mit einer elf Mio. Tonnen niedrigeren Produktion rechnet. Zwar könnten weitere Importe möglich sein, sollten wetterbedingt Ernteschäden wahrscheinlicher werden. Bei einem für 2010/11 vom USDA geschätzten Verbrauchsniveau von etwa 160 Mio. Tonnen hilft allerdings auch ein Rückgriff auf die Reserven des Landes von über 50 Mio. Tonnen zur Überbrückung kleinerer Defizite.
CFTC Daten: Netto-Long Positionen spekulativer Finanzanleger vs. Preis
Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: "Rohstoffe kompakt", Commerzbank AG
Diese Ausarbeitung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich eine selbständige Anlageentscheidung des Kunden erleichtern und ersetzt nicht eine anleger- und anlagegerechte Beratung. Die in der Ausarbeitung enthaltenen Informationen wurden sorgfältig zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Einschätzungen und Bewertungen reflektieren die Meinung des Verfassers im Zeitpunkt der Erstellung der Ausarbeitung und können sich ohne vorherige Ankündigung ändern.
Die Rohstoffpreise setzen ihre Talfahrt auch zu Beginn der neuen Handelswoche fort. Ein festerer US-Dollar und fallende Aktienmärkte sorgen für anhaltenden Abgabedruck. Der WTI-Ölpreis fällt am Morgen erstmals seit Anfang Februar unter die Marke von 70 USD je Barrel.
Wie der Preisanstieg zuvor hat auch der Preisverfall keinen erkennbaren fundamentalen Hintergrund, sondern ist in erster Linie auf einen Stimmungswechsel an den Finanzmärkten zurückzuführen. Wie die aktuellen CFTC-Daten zur Marktpositionierung zeigen, setzen die spekulativen Finanzanleger mittlerweile verstärkt auf fallende Preise. Diese haben zum 11. Mai ihre Netto-Long-Positionen um 21,5 Tsd auf 133.442 Kontrakte reduziert. Der Rückgang war dabei größtenteils auf den Aufbau von Shortpositionen zurückzuführen. Die Hedge-Fonds und andere Leerverkäufer spielen u.E. gegen den automatischen Mechanismus des Kontraktwechsels in den meisten Investmentprodukten und Rohstoffindizes. Der starke Anstieg der WTI-Terminkurve bestätigt diese These.
Der Preisabstand zwischen den WTI-Kontrakten für Juni und Juli hat sich zwar etwas verringert, beläuft sich aber immer noch auf knapp 4 USD. Die Leerverkäufe seitens der spekulativen Anleger dürften daher bis zum Auslaufen des Juni-Kontraktes am Donnerstag anhalten, zumal die rekordhohen US-Lagerbestände in Cushing und die Schließung der Flughäfen in Europa wegen der Aschewolke die Stimmung weiter eintrüben. Der Vergleich zwischen WTI und Brent wird dadurch erschwert, dass bei Brent die Kontraktumstellung bereits heute erfolgte. Der Juli-Kontrakt von Brent fällt zwar ebenfalls auf 77 USD je Barrel, handelt aber weiterhin mit einem Preisaufschlag von 2,5 USD zum entsprechenden WTI-Kontrakt.
Edelmetalle
Gold kann dem festen US-Dollar weiterhin trotzen. Das gelbe Edelmetall handelt am Morgen bei 1.240 USD je Feinunze und damit nur knapp 10 USD unter dem am Freitag erreichten Rekordhoch. In Euro kann Gold auf ein neues Allzeithoch von 1.013 EUR je Feinunze steigen. Der Goldpreis wird getrieben durch eine robuste Investmentnachfrage. Der weltgrößte Gold-ETF, SPDR Gold Trust, meldet für Freitag erneut Zuflüsse von 4,5 Tonnen. Seit Mitte April sind somit mehr als 70 Tonnen Gold in den SPDR Gold Trust geflossen. Diese Zuflüsse sind Ausdruck eines gestiegenen Sicherheitsbedürfnisses der Anleger, welche aus Sorge vor einer Ausbreitung der Schuldenkrise in der Eurozone in den sicheren Hafen Gold flüchten.
Dies lockt verstärkt auch die spekulativen Finanzanleger an. Diese verstehen Gold weniger als Versicherung gegen Finanzmarktrisiken, sondern wollen vor allem von Preisveränderungen profitieren. Die spekulativen Netto-Long-Positionen stiegen in der Woche zum 11. Mai um weitere 9,7 Tsd. auf 217.530 Kontrakte, den höchsten Stand seit knapp sechs Monaten. Das war der fünfte Anstieg in den letzten sechs Wochen. In diesem Zeitraum sind die spekulativen Netto-Long-Positionen um 70 Tsd. Kontrakte bzw. umgerechnet 219 Tonnen Gold gestiegen. Solange der Goldpreis weiter steigt, dürften weitere spekulative Anleger auf den fahrenden Zug aufspringen und den Preis weiter nach oben treiben.
Industriemetalle
Bei den Indutriemetallen haben die jüngsten Turbulenzen der Finanzmärkte starke Spurren hinterlassen. Vor allem hat sich die Stimmung der Marktteilnehmer gedreht, was gut am steigenden US-Dollar und den fallenden Aktienmärkten abzulesen war. Der chinesische Shanghai A-Shares Index, der häufig den Metallpreisen die Richtung vorgibt, ist heute um 5% gefallen. Dabei beträgt sein Rückgang seit Jahresbeginn fast 22%, was insbesondere in China wichtig ist, weil viele Leute charttechnisch orientiert handeln. Der Kursrückgang über 20% markiert den sog. Bärenmarkt, was zu weiteren Verkäufen und somit Kursverlusten führen kann.
Auch wenn wir von einem weiteren Preisrückgang der Metalle überzeugt sind, ist nach den starken Rückgängen der letzten Tage eine kurzfristige Erholung nicht auszuschließen. Die allgemeine Stimmung bei Metallen scheint sich jedoch ins Negative zu drehen, so dass sogar kleine Unstimmigkeiten bzw. negative Überraschungen einen weiteren Preisrückgang bewirken könnten, zumal die Spekulanten nach wie vor per saldo "long" positioniert sind. Die spekulativen Positionen bei Kupfer an der COMEX gingen zwar in der Woche zum 11.Mai um knapp 1500 Kontrakte zurück, bleiben jedoch per Saldo mit 14.202 Kontrakten positiv. Da könnte der heute von der LME gemeldete erste Anstieg der LME-Lagerbestände für Kupfer in Südkorea seit Januar für weitere Belastung sorgen, vor allem nach dem Durchbruch der wichtigen charttechnischen Unterstützungslinien in den letzten Tagen.
Agrarrohstoffe
Die Netto-Position der spekulativen Finanzanleger bei Mais stiegen in der Woche zum 11. Mai um mehr als 20.000 Kontrakte, was mit Meldungen über chinesische Maisimporte zusammenhängen dürfte. Nachdem die Maispreise in Chicago in den Vortagen nicht zuletzt deshalb gestiegen waren, gaben sie am Freitag deutlich nach. Neben Nachrichten, wonach die argentinische Getreidebörse nochmals die Ernte des Landes auf 21,7 Mio. Tonnen hochrevidierte, hat sich auch die Fantasie über möglicherweise weitere hohe Importe Chinas etwas verflüchtigt.
In China steigen zwar die Maispreise auf immer neue Höhen, obwohl Angebot und Nachfrage recht ausgeglichen sein sollten. Möglicherweise sind die Anbieter bei Verkäufen angesichts von Aussaatverzögerungen in Erwartung kommender Ernterückgänge und steigender Preise zurückhaltend. Vom chinesischen Landwirtschaftsministerium wurde verlautbart, dass die vergangene Ernte 166 Mio. Tonnen betragen habe. Diesen Schätzungen wird offenbar Skepsis entgegengebracht, zumal das USDA mit einer elf Mio. Tonnen niedrigeren Produktion rechnet. Zwar könnten weitere Importe möglich sein, sollten wetterbedingt Ernteschäden wahrscheinlicher werden. Bei einem für 2010/11 vom USDA geschätzten Verbrauchsniveau von etwa 160 Mio. Tonnen hilft allerdings auch ein Rückgriff auf die Reserven des Landes von über 50 Mio. Tonnen zur Überbrückung kleinerer Defizite.
CFTC Daten: Netto-Long Positionen spekulativer Finanzanleger vs. Preis
Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: "Rohstoffe kompakt", Commerzbank AG
Diese Ausarbeitung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich eine selbständige Anlageentscheidung des Kunden erleichtern und ersetzt nicht eine anleger- und anlagegerechte Beratung. Die in der Ausarbeitung enthaltenen Informationen wurden sorgfältig zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Einschätzungen und Bewertungen reflektieren die Meinung des Verfassers im Zeitpunkt der Erstellung der Ausarbeitung und können sich ohne vorherige Ankündigung ändern.