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Die geänderte Stellung der EZB in historischer Perspektive

19.05.2010  |  Thorsten Proettel
EZB schockiert Märkte

Das vor einer Woche von den EU-Finanzministern und der EZB beschlossene Maßnahmenbündel zur Stabilisierung der Finanzmärkte wirkte für viele Ökonomen wie ein Schock. Mit der Schaffung eines Krisenfonds zur Stützung überschuldeter Euro-Staaten werden nicht nur der Geist des Maastricht-Vertrages und sämtliche Versprechen europäischer Politiker zur Einführung der Gemeinschaftswährung gebro-chen. Der bereits am vergangenen Montag begonnene Kauf von Staatsanleihen durch die EZB bedeutet, dass auf den Tag genau 65 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland wieder mit der Staatsfinanzierung über die Notenbank begonnen wurde.

Also Folge kletterte der Goldpreis in der vergangenen Woche sowohl in Euro wie auch in US-Dollar auf ein neues Allzeithoch. Gleichzeitig wertete der Euro gegenüber dem US-Dollar und anderen Währungen ab. Viele Anleger sind verunsichert und fühlen sich an die zwei großen Geldentwertungen in Deutschland im 20. Jahrhundert erinnert. Wir nehmen dies zum Anlass, die nun geänderte Stellung der EZB in historischer Perspektive zu beleuchten und hieraus eine Beurteilung der aktuellen Lage abzuleiten. Hierzu wird nachfolgend kurz auf die Staatsschuldenproblematik eingegangen, von der kurzfristig kaum Gefahren für die inländische Geldwertstabilität ausgehen dürften. Es folgt eine Darstellung der Kriegsfinanzierungen mittels Kauf von Staatspapie-ren durch die Notenbank in den beiden Weltkriegen, bevor abschließend eine Gegenüberstellung der aktuellen Lage erfolgt.


Die Staatsschuldenproblematik

Mit der Ausstellung von Bürgschaften für andere EU-Länder übernimmt die Bundesrepublik im ungünstigsten Fall deren Schulden. Aufgrund der 2008 begonnen Rezession ist die deutsche Haushaltslage derzeit jedoch ohnehin stark angespannt und die in den letzten Jahrzehnten entstandenen Schulden summieren sich mittlerweile auf über 1,6 Billionen Euro. Da eine starke Erhöhung der Staatsschulden in der Vergangenheit fast immer zu Inflation führte, wird auch heute vielfach eine Entwertung von Sparguthaben befürchtet.

Grundsätzlich entsteht Inflation immer dann, wenn eine hohe Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen auf ein reduziertes Güterangebot trifft. Dies war insbesondere in den zwei schwersten Geldentwertungen des 20. Jahrhunderts in Deutschland der Fall. Sowohl im Ersten wie auch im Zweiten Weltkrieg verschuldete sich das Deutsche Reich zur Bestreitung der Kriegskosten stark. Beides mal folgte nach Kriegsende eine große Inflation und eine Währungsreform wurde unumgänglich. Schulden bedeuten jedoch nicht automatisch Inflation. Das kausale Bindeglied ist hierbei stets der Gütermarkt. Die Geldaufnahmen des Reiches erfolg-ten zur Beschaffung von Munition und Kriegsgerät, zum Kauf von Treibstoffen und anderer Ausrüstung sowie zur Versorgung der Kriegsopfer und Hinterbliebenen. Auf der anderen Seite fehlten der Wirtschaft Arbeitskräfte durch Einziehungen zu den Streitkräften und aufgrund der erschwerten Nachschublage. Zwar wurden Preissteigerungen in beiden Kriegen zuerst durch Preisfestsetzungen aufgehalten. Beispielsweise wurde bereits 1936 ein Reichskommissar für die Preisbildung ernannt und 1938 ein allgemeiner Lohnstopp verhängt. Die Inflation ließ sich jedoch nicht dauerhaft unterdrücken und entlud sich jeweils gegen Kriegsende und in der Folgezeit.

Auch in Friedenszeiten wirkt eine höhere Staatsverschuldung in erster Linie über den Gütermarkt auf die Inflation. Die jüngere Geschichte liefert hierfür zwei gute Beispiele. So stiegen die Staatsausgaben und die Schulden unter der sozialliberalen Koalition in den 1970er Jahren vor allem für die "Infrastrukturpolitik aus einem Guss" von Willy Brandt deutlich. Diese Staatsnachfrage zum Bau von Straßen, Schwimmbädern und anderem heizte die Preissteigerungsrate an. Etwas anders gelagert war die Situation bei der Deutschen Wiedervereinigung 1990. Aufgrund der Wiedervereinigungskosten stieg auch hier die Schuldenhöhe. Die Nachfrage kam jedoch von den Privathaushalten aus den neuen Bundesländern, die ihren großen Bedarf an Westwaren befriedigten. Bezahlt wur-de der Konsum durch den Umtausch von Ostmark in D-Mark im Verhältnis 1:1; einem gigantischem Geldschöpfungsprozess, bei dem aus international nicht konvertierbaren Papierzetteln plötzlich anerkannte Zahlungsmittel wurden.




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