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Die geänderte Stellung der EZB in historischer Perspektive

19.05.2010  |  Thorsten Proettel
- Seite 3 -
"Geräuschlose Kriegsfinanzierug" im Zweiten Weltkrieg

Im Dritten Reich wurde auf die Ausgabe von Kriegsanleihen vollständig verzichtet, da diese vor dem Hintergrund der im Ersten Weltkrieg gemachten Erfahrungen als psychologisch störend empfunden wurde. Die Nationalsozialisten wendeten eher unorthodoxe Finanzierungsmethoden an, die ihre Wurzeln in der Weltwirtschaftskrise hatten. Das Deutsche Reich war damals international nicht mehr kreditwürdig aber brauchte dringend Mittel zur Linderung der Folgen der Arbeitslosigkeit und für die Finanzierung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Verkürzt dargestellt wurde hierfür eine Zweckgesellschaft, die Metallurgische Forschungsgesellschaft (Mefo) gegründet. Sie finanzierte sich mit den so genannten Mefo-Wechseln, die vom Reich garantiert und letztlich bei der Reichsbank diskontiert wurden. Somit war die Währung stets durch aus der Realwirtschaft stammende Wechsel gedeckt, auch wenn den Verantwortlichen klar war, dass es sich hierbei in Wahrheit um Staatspapiere handelte.

Die so entstandenen Geldmittel wanderten über die Unternehmen in die Taschen der Privathaushalte. Da jedoch nur ein stark vermindertes Warenangebot bereitstand, floss das Geld auf Sparkonten. Den Banken ihrerseits blieb nach dem Emissionsverbot für Privatunternehmen nichts anderes übrig, als zur Anlage der Spargelder Staatsanleihen zu kaufen, so dass sich der Kreis schloss und das Geld abgeschöpft wurde.

Erst ab etwa 1943/44 sank das Vertrauen in die Wäh-rung rapide und die Geldabhebungen nahmen zu. Möglicherweise stand dies in Zusammenhang mit der Kriegswende in Stalingrad und der Landung der Alliier-ten in der Normandie. Alternativ wurde Bargeld gehortet. Zum anderen wanderten die Mittel auf den Schwarzmarkt. Tatsache ist, das dem Reich nun eine Finanzierungsquelle fehlte. Die Verschuldung lief in dieser Phase hauptsächlich im Tausch gegen Schatzanweisungen und andere kurzlaufendende Papiere bei der Reichsbank nach dem eingespielten Schema der Mefo-Wechsel. Da die Abschöpfung der Gelder somit nur noch in verringertem Maße durchgeführt werden konnte, stieg der Bargeldumlauf von knapp 37 Mrd. Reichsmark Ende 1943 auf geschätzt 73 Mrd. Reichmark zu Kriegsende.

Auch hier sind die Folgen bekannt: Während die Preise für Dinge des täglichen Lebens durch die Zwangsbewirtschaftung offiziell stabil gehalten wurde, fand bei allen anderen Gütern eine Inflation statt. Zudem existierte aufgrund der immer noch hohen Sparguthaben ein großer Geldmengenüberhang in Höhe von fast 300 Mrd. Reichsmark, dem nur ein sehr geringes Warenangebot gegenüberstand. Um einen wirtschaftlichen Neuanfang möglich zu machen, wurde 1948 mit der D-Mark eine neue Währung eingeführt. Die alten Sparguthaben wurden durchschnittlich im Verhältnis 6,5 D-Mark für 100 Reichsmark beschnitten, während laufende Verpflichtungen wie Mieten und Löhne im Verhältnis 1:1 umgestellt wurden.


Fazit

Die Ursache für die zwei großen Geldentwertungsphasen in Deutschland war stets eine außerordentlich hohe Güternachfrage, die auf ein vermindertes Angebot traf. Alimentiert wurde die Inflation zudem durch den hemmungslosen Ankauf von Staatspapieren durch die Zentralbank, was allgemein als "Finanzierung durch die Notenpresse" bezeichnet wird. Beide Faktoren fehlen heute, denn die Staatsnachfrage steigt durch die Schuldenkrise nicht. Im Zweifel nimmt sie aufgrund der angekündigten Sparmaßnahmen eher ab. Zum anderen ist der Ankauf von Staatsanleihen durch die Notenbank bislang noch kein reguläres Mittel der Kreditaufnahme für die öffentliche Hand. Vor diesem Hintergrund ist kurz- bis mittelfristig nicht mit einer Inflation zu rechnen und reine Panik ist kein guter Grund für den Kauf von Sachwerten wie Gold.

Auf der anderen Seite zeigt die Geschichte, dass die Währungska-tastrophen Anfang der 1920er Jahre und Ende der 1940er Jahre nicht das Resultat einer plötzlich gefallenen Entscheidung zum Anwerfen der Notenpresse waren. Sie basierten vielmehr auf anfangs eher harmlos erscheinenden Änderungen, die stets einem guten Zweck dienen sollten und zunächst noch keinen Inflationsdruck auslösten. Im Jahre 1914 sollte die Mobilmachung reibungslos funktionieren und finanztechnische Hürden für den sicher geglaubten Sieg keine Rolle spielen. Auch in den 1930er Jahren diente die Aufweichung beziehungsweise die offiziell geduldete Umgehung der Regeln zuerst nur als Nothilfe vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise. Heute soll der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB den Bemühungen zum Erhalt der Eurozone dienen.

Im Ersten und im Zweiten Weltkrieg entstanden die großen Probleme für den Geldwert hauptsächlich erst durch die spätere permanente Nutzung der neu geschaffenen Finanzierungsmöglichkeiten. Entsprechend hängt auch heute die weitere Entwicklung davon ab, ob die Verantwortlichen in Regierung und EZB sich der Zusammenhänge und ihrer Verantwortung bewusst sind. Neben dem festen Willen, eine negative Entwicklung zu vermeiden, ist natürlich bedeutend, inwiefern sich die Entscheidungsträger politischen Zwängen beugen müssen und wie hoch die Neigung ist, gegen Widerstände auch unbequeme Wege einzuschlagen.

Damit die Politik erst gar nicht in die Versuchung gerät, war die strikte Unabhängigkeit der Bundesbank ein wichtiges Charakteristikum. Diese Unabhängigkeit hat die EZB am vergangenen Freitag auf Drängen der Politik aufgegeben. Das Ziel der Preisstabilität wird zwar beibehalten werden. Das wichtigere Ziel der EZB ist seitdem aber ein Auseinanderbrechen der Währungsunion zu verhindern.

Vor diesem Hintergrund und aus Diversifikationsgründen dürften Sachwerte wie Rohstoffe und insbesondere Gold bei den Anlegern noch mehr als bislang im Fokus stehen. Hierbei könnte sich herausstellen, dass die Neigung zu Realwerten in Deutschland besonders hoch ist. Schon in den vergangenen zwei Jahren fielen beispielsweise die Käufe von Goldmünzen und -barren in Frankreich und Italien deutlich geringer aus. Möglicherweise liegt dies an der abweichenden Inflationsmentalität in diesen Ländern. Die anderen Nachfrage- und Angebotsfaktoren des Goldmarktes wie der Schmuckbereich, die Industrie, die Notenbanken und die Minenförderung behalten deshalb auch weiterhin ihre Bedeutung für die Goldpreisentwicklung


© Thorsten Proettel
Commodity Analyst

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart



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