Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Die geänderte Stellung der EZB in historischer Perspektive

19.05.2010  |  Thorsten Proettel
- Seite 2 -
Der Gütermarkt als Bindeglied zwischen Staatsschulden und Preissteigerungen wird von der Schuldenproblematik des Jahres 2010 bislang nicht berührt. Sofern Deutschland im weiteren Verlauf Mittel auf dem Anleihemarkt für die Finanzierung der unter Druck gekommenen Staaten aufnehmen nehmen muss, dann bedeutet dies in erster

Linie eine finanztechnische Umbuchung von bereits entstandenen Schulden. Die Schulden werden jedoch nicht nachfragewirksam, weshalb hieraus unter sonst gleichen Umständen keine höheren Preissteigerungsraten resultieren dürften. Die Schuldenproblematik ist deshalb in erster Linie eine Vertrauensproblematik, die insbesondere im Außenverhältnis Folgen nach sich zieht. Seit Jahresbeginn 2010 wertete der Euro gegenüber dem US-Dollar deutlich ab. Die Rechnung für in US-Dollar fakturierte Produkte und Rohstoffe wie Heizöl und Benzin wird deshalb im Inland teurer, womit die Preisstabilität letztlich indirekt berührt wird. Negativ wirken sich mittel- bis langfristig auf jeden Fall die sin-kenden finanzpolitischen Spielräume für wichtige Infrastrukturmaßnahmen aus. Es ist bezeichnend, dass zuletzt von der Politik Kürzungen im Bildungsbereich diskutiert wurden.


Staatsfinanzierung durch die Notenbank

Eine Gefahr für das Vertrauen in die Währung und damit die Wertstabilität derselben können die Staatsschulden dann werden, wenn die Politik Mittel hat, sich direkt bei der Notenbank zu verschulden und diese auch einsetzt. Viel wichtiger als die absolute Schuldenhöhe ist damit die Stellung der Währung. Die Vergangenheit liefert hierfür eindrückliche Beispiele.

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, war in Europa der Goldstandard für die Währungen vorherrschend. Dies bedeutete unter anderem, dass neben den umlaufenden Goldmünzen auch Banknoten kursierten, die aber in einem bestimmten Verhältnis gedeckt sein mussten. Die Deutsche Reichsbank hielt für jede in Papierform emittierte Mark mindestens 1/3 des Gegenwertes in Gold vorrätig. Die restlichen 2/3 wurden durch die Diskontierung von so genannten Handelswechseln gedeckt. Hierbei handelte es sich um scheckähnliche Wertpapiere für den Zahlungsverkehr, die von Unternehmen auch zur kurzfristigen Krediterlangung genutzt wurden und damals sehr gebräuchlich waren.

Mit Kriegsbeginn entstand rasch ein hoher Bedarf des Staates an Zahlungsmitteln für die Mobilmachung. Die Erhöhung der Steuern oder die Geldaufnahme auf dem Kreditmarkt hätte zu viel Zeit in Anspruch genommen. Deshalb erhielt das Deutsche Reich mit den Kriegsgesetzen vom 4. August 1914 Zugang zu Notenbankkrediten, die zuerst quasi nur eine Vorfinanzierung für die späteren Einnahmen durch Kriegsanleihen darstellten. Zwar wurde die Einlösungspflicht für Banknoten ausgesetzt. Die formalen Deckungsvorschriften und auch der Goldstandard wurden aber prinzipiell beibehalten und die Änderungen mögen aus der Sicht der Bevölkerung nur Details betroffen haben.

So wurden in die 2/3-Deckung nicht nur Handelswechsel, sondern auch Schatzanweisungen des Deutschen Reiches als erstklassigem Emittenten aufgenommen. Für die 1/3-Deckung waren die Gold-reserven der Reichsbank sogar bis 1917 ausreichend. Vorsorglich wurde aber bestimmt, dass auch so genannte Darlehenskassenscheine an Stelle von Gold verwendet werden durften. Bei diesen Papieren handelte es sich um Banknoten einer Art zweiter Notenbank im Reiche, die für den guten Zweck der Kreditversorgung der Wirtschaft ins Leben gerufen wurde. Gegen Verpfändung von Waren und Wertpapieren gab sie ihre Banknoten an Unternehmen ab, die diese als Geldersatz oder zum Eintausch bei der Reichsbank verwenden konnten.

In der ersten Kriegshälfte funktionierte die Vorfinanzierung der Kriegsanleihen durch die Notenbank reibungslos. Vorteilhaft war, dass das Reich durch die Schuldenaufnahme in etwa so viel Geld vom Markt abschöpfte, wie gleichzeitig für die Kampfhandlungen benötigt wurde. So brachten die zwei Kriegsanleihen des Jahres 1915 zusammen 20,4 Mrd. Mark ein, während sich die direkten und indirekten Ausgaben für den Krieg auf ungefähr 22,7 Mrd. Mark beliefen. Erst in der zweiten Kriegshälfte entstand ein Ungleichgewicht und nach Kriegsende 1918 war der Wille der Bevölkerung zur Zeichnung weiterer Anleihen verständlicherweise erloschen. Durch eine im Jahr 1919 begebene "Sparprämienanleihe" wurde lediglich gut 1 Mrd. Mark aufgebracht. Da die Staatsausgaben gleichzeitig für die Zwecke der Demobilmachung, für Reparationen und die Kriegsopferfürsorge hoch blieben, entwickelte sich die Ausgabenfinanzierung über die Notenbank zu einer Dauereinrichtung. Hierzu mag beigetragen haben, dass politische Zwänge es den Verantwortlichen in der jungen Weimarer Republik nicht einfacher gemacht haben, beispielsweise die Ausgaben zu senken oder die Steuern zu erhöhen. Die Folgen sind bekannt: Die Inflationsspirale drehte sich immer schneller, bis Ende 1923 eine Papiermark nur noch den Gegenwert einer Billionsten Goldmark hatte.




Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"