Technische Erholung setzt sich fort
27.05.2010 | Eugen Weinberg
Energie
Der WTI-Ölpreis kann am Morgen über die Marke von 72 USD je Barrel steigen, nachdem er gestern mit 4% den größten Tagesgewinn seit acht Monaten verzeichnete. Der Preisanstieg erfolgte dabei im Einklang mit freundlichen Aktienmärkten, während der festere US-Dollar folgenlos blieb. Dabei dürfte es sich um eine technische Erholung nach dem Preissturz um mehr als 20% in den vergangenen drei Wochen handeln. Die Lagerdaten vom US-Energieministerium können als Erklärung für den gestrigen Preisanstieg eigentlich nicht herhalten. Die US-Rohöllagerbestände stiegen in der vergangenen Woche um 2,5 Mio. Barrel und damit deutlich stärker als erwartet. Zum einen stiegen die Importe an, zum anderen fragten die Raffinerien weniger Rohöl nach. Die Rohöllagerbestände liegen derzeit 7,6% über dem langjährigen Durchschnitt und auf dem höchsten Stand seit knapp einem Jahr.
Der Markt fokussierte sich stattdessen auf den ersten Rückgang der Lagerbestände in Cushing seit zehn Wochen und den leichten Lagerabbau bei Benzin und den Destillaten. Diese selektive Marktwahrnehmung deutet auf eine vorübergehende Stimmungswende am Ölmarkt hin und spricht kurzfristig für weiter steigende Preise, zumal der US-Dollar heute zur Schwäche neigt. Zudem berichtete das US-Energieministerium, dass die Nachfrage nach Ölprodukten in den vergangenen vier Wochen 6,9% höher lag als vor einem Jahr, was auf einen weiteren Rückgang der Benzinlagerbestände in der nächste Woche beginnenden Sommerfahrsaison hoffen lässt.
Edelmetalle
Gold konnte gestern die Marke von 1.200 USD je Feinunze erneut passieren und nähert sich der Marke von 1.000 EUR je Feinunze. Das gelbe Edelmetall konnte dabei dem stärkeren US Dollar trotzen. Triebfeder bleibt die Investmentnachfrage. Die Bestände des größten Gold ETF, SPDR Gold Trust, stiegen gestern noch einmal geringfügig. Seit Wochenbeginn wurden damit knapp 50 Tonnen eingesammelt. Die jüngsten Daten deuten zudem an, dass auch die Schmucknachfrage bis zuletzt wichtige Stütze war.
Wir hatten gestern bereits berichtet, dass diese gemäß der Daten des World Gold Council im ersten Quartal stark war. Im April dürfte sich diese Tendenz fortgesetzt haben: So wurden in Indien, dem mit Abstand wichtigsten Absatzland für Goldschmuck, laut Bombay Bullion Association im April 34,2 Tonnen Gold importiert. Das waren 71% mehr als im Vorjahresmonat. Offensichtlich hat man sich an das höhere Preisnviveau gewöhnt. Hinzu kommt, dass das Investmentmotiv für Goldkäufe auch in Indien zunehmend an Bedeutung gewinnt. Allerdings sind die Preise in indischen Rupien im Mai nochmals um 10% gestiegen.
Platin und Palladium können ihre Erholung nach dem Absturz in der vergangenen Woche dank der Stärke von Gold fortsetzen. Keine Rolle spielt dagegen die Nachricht, dass der staatliche südafrikanische Energieversorger Eskom gestern per Gerichtsverfügung einen Streik verhindern konnte. Zur Zeit finden Gespräche zwischen den Tarifparteien statt.
Industriemetalle
Die Metallpreise konnten gestern trotz des stärkeren US-Dollar zulegen und erholen sich heute auf breiter Front weiter. Denn der festere US-Dollar war vor allem den überraschend starken Zahlen aus den USA geschuldet, dem weltweit zweitgrößten Metallverbraucher. Als einziges LME-Metall verliert heute Zinn an Wert. Zinn hat zuletzt eine erstaunliche relative Stärke gezeigt und sich während der jüngsten Korrektur besser als die anderen Industriemetalle gehalten. Ausschlaggebend dafür waren aus unserer Sicht eine positive fundamentale Situation und ein geringerer Einfluss der Anleger bei Zinn im Vergleich zu den anderen Metallen. Zum einen sind die chinesischen Zinnimporte im April mit 2,4 Tsd. Tonnen auf das höchste Niveau seit Mai 2009 gestiegen, was auf eine starke Nachfrage hindeutet.
Auch die Entwicklung der LME-Lagerbestände bestätigt die Tendenz. Diese sind mittlerweile auf 20,4 Tsd. Tonnen gefallen, den niedrigsten Stand seit September 2009. Da die Anzahl der gekündigten LME-Lagerscheine gleichzeitig weiterhin über 1.000 Tonnen liegt, dürfte sich der Rückgang der Lagerbestände fortsetzen. Vor allem aber war u.E. das geringere Anlegerinteresse bei Zinn für die relative Stärke verantwortlich. Die Anzahl ausstehender Kontrakte an der LME, das sog. "open interest", ist zuletzt auf das niedrigste Niveau seit Februar 2009 gefallen. Entsprechend waren der Korrekturbedarf und der Einfluss von Gewinnmitnahmen im Gegensatz zu den anderen Metallen bei Zinn relativ gering.
Agrarrohstoffe
Der US-Maispreis bewegt sich seit Wochen in einer engen Spanne zwischen 3,50 und 3,75 USD je Scheffel. Während die Aussicht auf eine erneute Rekordernte in den USA die Preise deckelt, stehen Berichte über chinesische Käufe einem Preisrückgang entgegen. Seit Ende April hat China bereits 600 Tsd. Tonnen Mais in den USA gekauft, soviel wie seit neun Jahren nicht mehr. Da es bislang nicht zu einem Rückgang der hohen inländischen Preise gekommen ist, dürften weitere Maisimporte folgen. Laut Schätzung der Beratungsfirma Shanghai JC Intelligence dürfte in China in diesem Jahr ein Angebotsdefizit von 10 Mio. Tonnen bestehen, nachdem die letztjährige Maisernte aufgrund von Dürreschäden lediglich 140 Mio. Tonnen betragen haben soll. Diese Schätzung liegt deutlich unter der des US-Landwirtschaftsministeriums, welches für 2009/10 von 155 Mio. Tonnen und einem ausgeglichenen Markt ausgeht.
Witterungsbedingte Verzögerungen bei der Aussaat sorgen zudem für Zweifel, ob die Maisernte in diesem Jahr deutlich besser ausfällt. Allerdings weisen chinesische Offizielle darauf hin, dass die Freigabe von einem Drittel der Reserven genügen würde, um die Nachfrage zu decken. Dennoch dürften die Spekulationen auf weitere chinesische Käufe anhalten und den Preis nach unten absichern. Spekulative Marktteilnehmer könnten daher wieder verstärkt auf steigende Preise setzen, so dass das Risiko eines Preisausbruchs nach oben überwiegt.
DOE Daten: US-Lagerbestände Rohöl, Ölprodukte und Erdgas
Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
Diese Ausarbeitung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich eine selbständige Anlageentscheidung des Kunden erleichtern und ersetzt nicht eine anleger- und anlagegerechte Beratung. Die in der Ausarbeitung enthaltenen Informationen wurden sorgfältig zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Einschätzungen und Bewertungen reflektieren die Meinung des Verfassers im Zeitpunkt der Erstellung der Ausarbeitung und können sich ohne vorherige Ankündigung ändern.
Der WTI-Ölpreis kann am Morgen über die Marke von 72 USD je Barrel steigen, nachdem er gestern mit 4% den größten Tagesgewinn seit acht Monaten verzeichnete. Der Preisanstieg erfolgte dabei im Einklang mit freundlichen Aktienmärkten, während der festere US-Dollar folgenlos blieb. Dabei dürfte es sich um eine technische Erholung nach dem Preissturz um mehr als 20% in den vergangenen drei Wochen handeln. Die Lagerdaten vom US-Energieministerium können als Erklärung für den gestrigen Preisanstieg eigentlich nicht herhalten. Die US-Rohöllagerbestände stiegen in der vergangenen Woche um 2,5 Mio. Barrel und damit deutlich stärker als erwartet. Zum einen stiegen die Importe an, zum anderen fragten die Raffinerien weniger Rohöl nach. Die Rohöllagerbestände liegen derzeit 7,6% über dem langjährigen Durchschnitt und auf dem höchsten Stand seit knapp einem Jahr.
Der Markt fokussierte sich stattdessen auf den ersten Rückgang der Lagerbestände in Cushing seit zehn Wochen und den leichten Lagerabbau bei Benzin und den Destillaten. Diese selektive Marktwahrnehmung deutet auf eine vorübergehende Stimmungswende am Ölmarkt hin und spricht kurzfristig für weiter steigende Preise, zumal der US-Dollar heute zur Schwäche neigt. Zudem berichtete das US-Energieministerium, dass die Nachfrage nach Ölprodukten in den vergangenen vier Wochen 6,9% höher lag als vor einem Jahr, was auf einen weiteren Rückgang der Benzinlagerbestände in der nächste Woche beginnenden Sommerfahrsaison hoffen lässt.
Edelmetalle
Gold konnte gestern die Marke von 1.200 USD je Feinunze erneut passieren und nähert sich der Marke von 1.000 EUR je Feinunze. Das gelbe Edelmetall konnte dabei dem stärkeren US Dollar trotzen. Triebfeder bleibt die Investmentnachfrage. Die Bestände des größten Gold ETF, SPDR Gold Trust, stiegen gestern noch einmal geringfügig. Seit Wochenbeginn wurden damit knapp 50 Tonnen eingesammelt. Die jüngsten Daten deuten zudem an, dass auch die Schmucknachfrage bis zuletzt wichtige Stütze war.
Wir hatten gestern bereits berichtet, dass diese gemäß der Daten des World Gold Council im ersten Quartal stark war. Im April dürfte sich diese Tendenz fortgesetzt haben: So wurden in Indien, dem mit Abstand wichtigsten Absatzland für Goldschmuck, laut Bombay Bullion Association im April 34,2 Tonnen Gold importiert. Das waren 71% mehr als im Vorjahresmonat. Offensichtlich hat man sich an das höhere Preisnviveau gewöhnt. Hinzu kommt, dass das Investmentmotiv für Goldkäufe auch in Indien zunehmend an Bedeutung gewinnt. Allerdings sind die Preise in indischen Rupien im Mai nochmals um 10% gestiegen.
Platin und Palladium können ihre Erholung nach dem Absturz in der vergangenen Woche dank der Stärke von Gold fortsetzen. Keine Rolle spielt dagegen die Nachricht, dass der staatliche südafrikanische Energieversorger Eskom gestern per Gerichtsverfügung einen Streik verhindern konnte. Zur Zeit finden Gespräche zwischen den Tarifparteien statt.
Industriemetalle
Die Metallpreise konnten gestern trotz des stärkeren US-Dollar zulegen und erholen sich heute auf breiter Front weiter. Denn der festere US-Dollar war vor allem den überraschend starken Zahlen aus den USA geschuldet, dem weltweit zweitgrößten Metallverbraucher. Als einziges LME-Metall verliert heute Zinn an Wert. Zinn hat zuletzt eine erstaunliche relative Stärke gezeigt und sich während der jüngsten Korrektur besser als die anderen Industriemetalle gehalten. Ausschlaggebend dafür waren aus unserer Sicht eine positive fundamentale Situation und ein geringerer Einfluss der Anleger bei Zinn im Vergleich zu den anderen Metallen. Zum einen sind die chinesischen Zinnimporte im April mit 2,4 Tsd. Tonnen auf das höchste Niveau seit Mai 2009 gestiegen, was auf eine starke Nachfrage hindeutet.
Auch die Entwicklung der LME-Lagerbestände bestätigt die Tendenz. Diese sind mittlerweile auf 20,4 Tsd. Tonnen gefallen, den niedrigsten Stand seit September 2009. Da die Anzahl der gekündigten LME-Lagerscheine gleichzeitig weiterhin über 1.000 Tonnen liegt, dürfte sich der Rückgang der Lagerbestände fortsetzen. Vor allem aber war u.E. das geringere Anlegerinteresse bei Zinn für die relative Stärke verantwortlich. Die Anzahl ausstehender Kontrakte an der LME, das sog. "open interest", ist zuletzt auf das niedrigste Niveau seit Februar 2009 gefallen. Entsprechend waren der Korrekturbedarf und der Einfluss von Gewinnmitnahmen im Gegensatz zu den anderen Metallen bei Zinn relativ gering.
Agrarrohstoffe
Der US-Maispreis bewegt sich seit Wochen in einer engen Spanne zwischen 3,50 und 3,75 USD je Scheffel. Während die Aussicht auf eine erneute Rekordernte in den USA die Preise deckelt, stehen Berichte über chinesische Käufe einem Preisrückgang entgegen. Seit Ende April hat China bereits 600 Tsd. Tonnen Mais in den USA gekauft, soviel wie seit neun Jahren nicht mehr. Da es bislang nicht zu einem Rückgang der hohen inländischen Preise gekommen ist, dürften weitere Maisimporte folgen. Laut Schätzung der Beratungsfirma Shanghai JC Intelligence dürfte in China in diesem Jahr ein Angebotsdefizit von 10 Mio. Tonnen bestehen, nachdem die letztjährige Maisernte aufgrund von Dürreschäden lediglich 140 Mio. Tonnen betragen haben soll. Diese Schätzung liegt deutlich unter der des US-Landwirtschaftsministeriums, welches für 2009/10 von 155 Mio. Tonnen und einem ausgeglichenen Markt ausgeht.
Witterungsbedingte Verzögerungen bei der Aussaat sorgen zudem für Zweifel, ob die Maisernte in diesem Jahr deutlich besser ausfällt. Allerdings weisen chinesische Offizielle darauf hin, dass die Freigabe von einem Drittel der Reserven genügen würde, um die Nachfrage zu decken. Dennoch dürften die Spekulationen auf weitere chinesische Käufe anhalten und den Preis nach unten absichern. Spekulative Marktteilnehmer könnten daher wieder verstärkt auf steigende Preise setzen, so dass das Risiko eines Preisausbruchs nach oben überwiegt.
DOE Daten: US-Lagerbestände Rohöl, Ölprodukte und Erdgas
Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
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