Fiskalpakt ade!
08.05.2012 | Klaus Singer
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Unter der Flagge eines "Wachstumspakts", noch wird bescheiden von "Wachstumskomponente" gesprochen, kommt die Vergemeinschaftung aller Staatsschulden in der Eurozone daher, wahrscheinlich letztlich durch Eurobonds. Vielleicht aber auch in einer besonders perfiden Form, die George Soros vor einiger Zeit in Project Syndicate George Soros vorgeschlagen hat (Tipp Eurointelligence): Die EU sollte ein SPV schaffen, dass die EZB-Seignorage nutzt, um die Kosten für ein großes Bond-Kaufprogramm zu finanzieren. Damit ließen sich auch die Restriktionen der EU-Verträge umschiffen. Der Wert der EZB-Seignorage wird u.a. von W. Buiter auf 2 bis 3 Bill. Euro geschätzt. Im Übrigen geht Soros davon aus, dass die Eurokrise eine weniger volatile, aber potentiell tödlichere Phase erreicht hat: "The crisis has entered what may be a less volatile but potentially more lethal phase."
Wolfgang Munchau schreibt im Spiegel, langfristig angelegte Lösungen wie z.B. ein Wachstumspakt, bringen uns nicht aus der Krise. Die funktionierten nur, wenn die Krise vorbei ist. Er ist sich noch nicht einmal sicher, ob strukturelle Reformen so viel Wachstum produzieren wie ihre Verfechter angeben. Aber selbst wenn, muss der Fokus auf die Vermeidung einer Schuldenfalle gelegt werden, insbesondere in Spanien. Für ihn ist die Initiative "Struktur-Wachstum" eher nur wieder eine neue Krisen-Variante.
Die Finanzmärkte haben gestern vergleichsweise milde auf die Wahlausgänge in Europa reagiert. Der S&P 500 hat deutliche Verluste im frühen Handel relativ schnell aufgeholt, allerdings kam er an wichtigen charttechnischen Marken nicht weiter und endete plus/minus Null.
Geholfen haben dabei auch Meldungen über einen möglichen Bailout der spanischen Sparkasse Bankia. Die Regierung könnte 7-10 Mrd. Euro zur Rekapitalisierung bereitstellen, hieß es. Bei Bankia werden "toxische Assets" im Volumen von bis zu 30 Mrd. Euro vermutet. Das ist allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es wird ein Vielfaches benötigt, um das spanische Bankensystem zu sanieren. Diese Summe kann die spanische Regierung nicht aufbringen, weshalb hier wohl recht bald der ESM ins Spiel kommt. Bankia war im jüngsten IWF-Stabilitätsbericht namentlich erwähnt worden als eine Bank, die dringend Hilfe benötigt.
Der spanische Aktienindex schloss ob dieser frohen Botschaft gestern deutlich im Plus.
Ob Aktien insgesamt aber schon wieder einen "Call" wert sind, ist zweifelhaft. Natürlich wachsen mit jedem Minus-Tag die Hoffnungen auf neue Liquiditäts-Maßnahmen von Fed und EZB. Auf der anderen Seite drückt der Verlauf der Quartalssaison mehr und mehr auf die Stimmung: 420 S&P 500 Unternehmen haben bis jetzt berichtet, 67,6% haben die (niedriger gelegten) Erwartungen übertroffen. Das ist noch über dem historischen Mittel bei 62%, aber zum Start der Quartalssaison lag die "Beat-Rate" noch bei über 80%.
Dass die Reaktion der Finanzmärkte auf die Eurozonen-Wahlen so milde ausfiel, verweist meiner Meinung auch darauf, dass die "Märkte" sich allmählich auf ein Ende der "Austerity" einstellen. Der hohe Verschuldungsgrad der Staaten verschwindet mit "Austerity" nicht - das spricht sich mittlerweile herum. Dass er mit zusätzlicher, vorgeblich auf die Schaffung von Wachstum ausgerichteter Verschuldung ebenfalls nicht verschwindet, steht (vorerst) auf einem anderen Blatt. Siehe hierzu auch: "Sparen oder Schulden machen?".
Worauf die Finanzmärkte setzen, sind massive Eingriffe der Notenbanken. Und die werden kommen. Bis die nächste Blase platzt.
Erwähnte Charts und weiterführende Links können hier eingesehen werden: http://www.timepatternanalysis.de/Blog/2012/05/08/fiskalpakt-ade/
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