Banken- und Verschuldungskrise im Juni 2010
15.06.2010 | Mack & Weise
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Seit der Nacht vom 09. auf den 10. Mai 2010 ist nichts mehr so, wie es war. Vorbei sind plötzlich 65 Jahre Frieden, denn nun ist Europa, speziell die Eurozone, im Krieg! Der Gegner: angeblich eine bis an die Zähne mit Kreditausfallversicherungen namens CDS "bewaffnete" Spekulantenmeute. Gott sein Dank haben wir aber in Europa wachsame Politikgrößen wie Jean-Claude Juncker, der "eine weltweit organisierte Attacke gegen den Euro" gerade noch rechtzeitig vor dem Wochenende des 10. Mai bemerkte. Im Stile Bonapartes bewies dann auch ein "Kleiner" ... Größe. "Wir haben uns für eine absolute Generalmobilmachung entschieden!" verkündete Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy an die Adresse der Angreifer gerichtet. Spaniens EU-Kommissionschef José Manuel Barroso setzte auf Abschreckung und nannte schon mal den "Preis des totalen Krieges": "Wir werden den Euro verteidigen, was immer es kosten mag."
Den verlorenen Griechenland-Rettungs-Bluff ("Wir haben die Folterwerkzeuge im Keller." Jean-Claude Trichet) noch vor Augen, entschieden die europäischen Pokerspieler sich dieses Mal dafür, den Banken ein 750 Mrd. Euro schweres "all-in" - Rettungspaket als "Ultima Ratio" (Angela Merkel) anzubieten. Routiniert, weil erneut "alternativlos", nickten Deutschlands Parlamentarier binnen zweier Wochen ein weiteres Ermächtigungsgesetz ... unter freiwilliger (!) Aufgabe ihres Haushaltskontrollrechtes ... im Eilverfahren ab. Wohl unbewusst bewertete SPD-Generalsekretär Hubertus Heil in einem ›Focus‹-Interview (20.05.2010) die Konsequenzen: "Wenn die Parlamentarier dauerhaft das Gefühl haben, sie verstehen gar nicht mehr, was sie beschließen, wird es gefährlich."
Da sich Europas Banken und Versicherungen bis "zur Halskrause" mit Staatsanleihen der PIGSI-Five vollgesogen haben - allein die deutschen Banken hielten im Februar 2010 nach Angaben der Bundesbank 515,9 Milliarden Euro dieser "Publikumslieblinge" - können wir davon ausgehen, dass die Aufstockung des Rettungsschirms auf mehrere Billionen Euro demnächst auf der Agenda stehen wird, falls die Euro-Rettung inklusive beschlossener Haftungs- und Transfergemeinschaft nicht doch noch durch das Bundesverfassungsgericht gestoppt wird!
Lügen haben ... französische Beine
Auch EZB-Chef Jean-Claude Trichet verstand in den letzten Monaten die Welt nicht mehr. Obwohl Griechenland mithilfe anderer europäischer Pleitekandidaten soeben zumindest auf dem Papier gerettet worden war, wollte sich der geplante Einheitszins auf deutschem Niveau partout nicht einstellen. Als "fundamental abartig" bezeichnete er diesen Zustand, denn schließlich hätte doch die … politisch korrekte Vertagung der Griechenland-Pleite in Richtung 2014, die "Märkte beruhigen müssen."
Über Nacht änderte die EZB, die nur Tage zuvor "die Option eines Kaufs von Staatsanleihen nicht diskutiert" haben wollte dann ihre Meinung und beging am Wochenende vor dem 10. Mai einen geschichtsträchtigen Tabu-Bruch. "Um die Markttiefe und -liquidität in Marktsegmenten, die Störungen aufweisen und den geldpolitischen Transmissionsmechanismus beeinträchtigen sicherzustellen," stieg die EZB - perfekt verklausuliert - gegen den Widerstand von Bundesbank-Chef Axel Weber mit Mehrheitsbeschuss in die direkte Staatsfinanzierung ein und gab damit das wichtigste Gut einer Notenbank auf: ihre Unabhängigkeit!
Prompt flossen "gestörte" Anleihen im Wert von bislang 40,4 Mrd. Euro in die EZB, darunter - ganz zur Verwunderung der Bundesbank - auch griechische Ramschanleihen in einer Größenordnung von etwa 25 Mrd. Euro, die vornehmlich ... französische Banken "abluden." Vive la France!
Obwohl, wie es Professor Hans-Werner Sinn formulierte, "in der Krise nicht der Euro gefährdet war, sondern die Fähigkeit der europäischen Schuldensünder, sich weiterhin so günstig zu finanzieren wie Deutschland," werden der Lüge täglich neue Wahrheiten eingehaucht. Unter Aufbietung eines gefährlichen, propagandistischen Lügengebäudes, das natürlich nur vom Versagen und den Tricksereien der Verschuldungspolitiker ablenken soll, muss die Bevölkerung jetzt sogar an die Verschwörung von namenlosen Spekulanten gegen einzelne Euro-Pleite-Staaten glauben. Hoffentlich kommt niemand auf die Idee zu hinterfragen, welcher Glaubensrichtung diese Sündenböcke angehören könnten.
Durfte im Märchen "Des Kaisers neue Kleider" der Kindermund noch von "nackten" Tatsachen berichten, sollen nun die "Spekulanten" ihrer "Sprache" beraubt werden. Ausgerechnet Deutschland beschloss im Alleingang ein Leerverkaufsverbot für europäische Staatsanleihen, denn schließlich sind ... nur steigende Kurse auch gute Kurse! "Thank you Krauts" titelte sogleich der britische ›Daily Telegraph‹, freudig erregt über den unverhofften Kundenzuwachs für den Finanzplatz London.
Tatsächlich ist neben der unhaltbaren Verschuldungslage auch die gesetzlich verordnete Verwendung von Ratings für Banken die wahre Ursache für die Turbulenzen an den europäischen Anleihemärkten. So löste die Herabstufung der Bonitätseinschätzung Griechenlands durch die Ratingagenturen (Fitch: "BBB+", S&P: "BB+", Moody´s: noch "A3") quasi über Nacht einen regulatorisch bedingten Eigenkapitalmehrbedarf der Banken und Versicherer aus, so dass die Notverkäufe der klammen "Bank-Spekulanten" am Morgen danach die Zinssätze in jene Höhen schießen ließen, die ein bankrottes Argentinien oder Russland seinerzeit - politisch akzeptiert - bieten mussten.