Ölpreis steigt gegen den allgemeinen Trend
17.06.2010 | Eugen Weinberg
Energie
Der Ölpreis kann sich trotz durchwachsener US-Konjunkturdaten und eher preisbelastender US-Lagerdaten bei 77 USD je Barrel behaupten. Das US-Energieministerium berichtete für die vergangene Woche einen unerwarteten Anstieg der Rohölvorräte um 1,7 Mio. Barrel. Die Lagerbestände bei Rohöl liegen mittlerweile 8% über dem langjährigen Durchschnitt und erstmals seit Jahresbeginn auch wieder über dem bereits hohen Niveau des Vorjahres. Der Lageraufbau war auf höhere Importe und eine deutlich niedrigere Raffinerieauslastung zurückzuführen. In Folge dessen und einer höheren Benzinnachfrage kam es zu einem Abbau der Benzinlagerbestände um 0,6 Mio. Barrel.
Die Benzinnachfrage liegt im Durchschnitt der vergangenen vier Wochen aber noch immer 1% unter dem Wert des Vorjahres. Die aktuelle Preisentwicklung zeigt, dass sich der Ölpreis bereits wieder von den Fundamentaldaten abzukoppeln scheint.
Seit dem Frühjahr haben die Preise für Kesselkohle trotz der Korrektur am Ölmarkt drastisch angezogen: Von Mitte April bis Anfang Juni hatte sich der an der ICE gehandelte Future für Kohle in Rotterdam um 30% auf knapp 96 USD je Tonne verteuert. Preistreiber ist der starke Importsog Chinas, der die Preise im atlantischen Raum mit nach oben gezogen hat. In den letzten Wochen scheint sich die Situation etwas zu entspannen: Der von McCloskey erhobene Benchmarkpreis in Newcastle, Australien, und zuletzt auch die Spotpreise im wichtigsten Umschlaghafen Qinghuangdao in China sind leicht zurückgekommen. Wir sehen das Steigerungspotenzial kurzfristig als ausgereizt, weil der chinesische Importbedarf saisonbedingt und wegen der verbesserten Produktionsperspektiven in der Provinz Shanxi etwas nachlassen dürfte.
Edelmetalle
Der Goldpreis liegt am Morgen wenig verändert bei 1.233 USD bzw. knapp über 1.000 EUR je Feinunze. Die zurückgegangene Dynamik der vergangenen Tage ist auf eine allgemeine Beruhigung der Finanzmärkte zurückzuführen. Dementsprechend hat der weltgrößte Gold ETF, SPDR Gold Trust, seit einigen Tagen keine Zuflüsse zu verzeichnen. Mit Spannung wird heute die Anleiheemission Spaniens erwartet. Sollten die Nachfrage hinter den Erwartungen zurückbleiben und die Risikoaufschläge erneut steigen, würden die anhaltenden Gerüchte über einen möglichen Zugriff Spaniens auf das EU-Hilfspaket weitere Nahrung erhalten, woraus für den Goldpreis erneutes Aufwärtspotential entstehen würde. Auch spielt die heute anstehende Zinsentscheidung der Schweizer Nationalbank eine wichtige Rolle.
Eine Fortführung der Interventionen auf dem Devisenmarkt und der damit einhergehenden Erhöhung der Geldmenge würden die Nachfrage nach Schweizer Franken als "sicheren Hafen" zu Gunsten von Gold verringern. Allerdings führt das relativ hohe Preisniveau auch dazu, dass die Nachfrage seitens der traditionellen Absatzmärkte zurückgeht. So vermeldete die Goldbörse Istanbuls, dass die Goldimporte der Türkei in 2010 weniger als 2 Tonnen betragen würden; vorherige Prognosen beliefen sich auf Importe von 40 Tonnen.
Industriemetalle
Die Metallpreise geben heute Morgen in der Breite deutlich nach, nachdem sie bereits gestern im Zuge durchwachsener US-Konjunkturdaten unter Druck standen. Vor allem die Baubeginne, die im Mai nach dem Auslaufen von Steuervergünstigungen stärker als erwartet zurückgingen, belasten die Preise. Dies wird als Signal einer langsameren Metallnachfrage im weltweit zweitgrößten Verbrauchsland USA interpretiert. Die Stimmung wird ebenfalls durch Meldungen der International Lead and Zinc Study Group (ILZSG) getrübt, wonach sich am globalen Zinkmarkt in den ersten vier Monaten dieses Jahres der Angebotsüberschuss im Vergleich zum Vorjahr zwar reduziert hat, mit 180 Tsd. Tonnen jedoch weiterhin auf einem hohen Niveau liegt.
Vor allem die Produzenten haben die hohen Zinkpreise in den ersten Monaten des Jahres ausgenutzt und ihre Produktion kräftig erhöht. Aus demselben Grund befand sich auch der Bleimarkt auf globaler Ebene im gleichen Zeitraum mit 46 Tsd. Tonnen im Überschuss. Gemäß Angaben des World Bureau of Metal Statistics (WBMS) hat sich am weltweiten Kupfermarkt im Zuge einer höheren Minenproduktion der Angebotsüberschuss in den ersten vier Monaten gegenüber Vorjahr deutlich auf 177 Tsd. Tonnen ausgeweitet. Wir gehen davon aus, dass die hohen Überschüsse im weiteren Jahresverlauf etwas abgebaut werden. Zuletzt rückläufige Lagerbestände lassen auf eine anziehende Nachfrage, auch außerhalb Chinas, schließen. Nach den starken Preisrückgängen in den vergangenen Wochen sehen wir bei den Metallen Aufwärtspotenzial.
Agrarrohstoffe
Die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und die OECD haben ihren gemeinschaftlichen Langfristausblick für den Agrarsektor veröffentlicht. Die realen Nahrungsmittelpreise sind aufgrund einer Ausweitung der Produktion und der rezessionsbedingt schwächeren Nachfrage zwar von den Höchstständen der Jahre 2007 und 2008 gefallen und dürften in den kommenden zehn Jahren deutlich unter den in diesen beiden Jahren verzeichneten Höchstwerten bleiben. Verglichen mit dem 10-Jahreszeitraum vor 2007/08 dürften die Agrarpreise aber auf einem höheren Niveau verharren. Die Experten von FAO und OECD gehen langfristig steigenden Preisen aus.
Für Getreide wird in den nächsten zehn Jahren ein realer Preisanstieg von 15-40% verglichen mit dem Zeitraum 1997-2006 erwartet, für pflanzliche Öle sogar um mehr als 40%. Aufgrund des höheren Wirtschaftswachstums und der wachsenden Bevölkerungszahl im Durchschnitt soll die Nachfrage im Durchschnitt schneller wachsen als das Angebot. Die weltweite Agrarproduktion soll bis 2019 um mehr als 13% steigen. Den größten Produktionszuwachs erwarten FAO und OECD in Brasilien, wo die Agrarproduktion in den nächsten zehn Jahren um 40% gegenüber dem Zeitraum 2007-2009 steigen soll. Für China, Indien, Russland und die Ukraine werden ebenfalls Wachstumsraten von 20% bis 30% prognostiziert.
DOE Daten: US-Lagerbestände Rohöl, Ölprodukte und Erdgas
Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
Diese Ausarbeitung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich eine selbständige Anlageentscheidung des Kunden erleichtern und ersetzt nicht eine anleger- und anlagegerechte Beratung. Die in der Ausarbeitung enthaltenen Informationen wurden sorgfältig zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Einschätzungen und Bewertungen reflektieren die Meinung des Verfassers im Zeitpunkt der Erstellung der Ausarbeitung und können sich ohne vorherige Ankündigung ändern.
Der Ölpreis kann sich trotz durchwachsener US-Konjunkturdaten und eher preisbelastender US-Lagerdaten bei 77 USD je Barrel behaupten. Das US-Energieministerium berichtete für die vergangene Woche einen unerwarteten Anstieg der Rohölvorräte um 1,7 Mio. Barrel. Die Lagerbestände bei Rohöl liegen mittlerweile 8% über dem langjährigen Durchschnitt und erstmals seit Jahresbeginn auch wieder über dem bereits hohen Niveau des Vorjahres. Der Lageraufbau war auf höhere Importe und eine deutlich niedrigere Raffinerieauslastung zurückzuführen. In Folge dessen und einer höheren Benzinnachfrage kam es zu einem Abbau der Benzinlagerbestände um 0,6 Mio. Barrel.
Die Benzinnachfrage liegt im Durchschnitt der vergangenen vier Wochen aber noch immer 1% unter dem Wert des Vorjahres. Die aktuelle Preisentwicklung zeigt, dass sich der Ölpreis bereits wieder von den Fundamentaldaten abzukoppeln scheint.
Seit dem Frühjahr haben die Preise für Kesselkohle trotz der Korrektur am Ölmarkt drastisch angezogen: Von Mitte April bis Anfang Juni hatte sich der an der ICE gehandelte Future für Kohle in Rotterdam um 30% auf knapp 96 USD je Tonne verteuert. Preistreiber ist der starke Importsog Chinas, der die Preise im atlantischen Raum mit nach oben gezogen hat. In den letzten Wochen scheint sich die Situation etwas zu entspannen: Der von McCloskey erhobene Benchmarkpreis in Newcastle, Australien, und zuletzt auch die Spotpreise im wichtigsten Umschlaghafen Qinghuangdao in China sind leicht zurückgekommen. Wir sehen das Steigerungspotenzial kurzfristig als ausgereizt, weil der chinesische Importbedarf saisonbedingt und wegen der verbesserten Produktionsperspektiven in der Provinz Shanxi etwas nachlassen dürfte.
Edelmetalle
Der Goldpreis liegt am Morgen wenig verändert bei 1.233 USD bzw. knapp über 1.000 EUR je Feinunze. Die zurückgegangene Dynamik der vergangenen Tage ist auf eine allgemeine Beruhigung der Finanzmärkte zurückzuführen. Dementsprechend hat der weltgrößte Gold ETF, SPDR Gold Trust, seit einigen Tagen keine Zuflüsse zu verzeichnen. Mit Spannung wird heute die Anleiheemission Spaniens erwartet. Sollten die Nachfrage hinter den Erwartungen zurückbleiben und die Risikoaufschläge erneut steigen, würden die anhaltenden Gerüchte über einen möglichen Zugriff Spaniens auf das EU-Hilfspaket weitere Nahrung erhalten, woraus für den Goldpreis erneutes Aufwärtspotential entstehen würde. Auch spielt die heute anstehende Zinsentscheidung der Schweizer Nationalbank eine wichtige Rolle.
Eine Fortführung der Interventionen auf dem Devisenmarkt und der damit einhergehenden Erhöhung der Geldmenge würden die Nachfrage nach Schweizer Franken als "sicheren Hafen" zu Gunsten von Gold verringern. Allerdings führt das relativ hohe Preisniveau auch dazu, dass die Nachfrage seitens der traditionellen Absatzmärkte zurückgeht. So vermeldete die Goldbörse Istanbuls, dass die Goldimporte der Türkei in 2010 weniger als 2 Tonnen betragen würden; vorherige Prognosen beliefen sich auf Importe von 40 Tonnen.
Industriemetalle
Die Metallpreise geben heute Morgen in der Breite deutlich nach, nachdem sie bereits gestern im Zuge durchwachsener US-Konjunkturdaten unter Druck standen. Vor allem die Baubeginne, die im Mai nach dem Auslaufen von Steuervergünstigungen stärker als erwartet zurückgingen, belasten die Preise. Dies wird als Signal einer langsameren Metallnachfrage im weltweit zweitgrößten Verbrauchsland USA interpretiert. Die Stimmung wird ebenfalls durch Meldungen der International Lead and Zinc Study Group (ILZSG) getrübt, wonach sich am globalen Zinkmarkt in den ersten vier Monaten dieses Jahres der Angebotsüberschuss im Vergleich zum Vorjahr zwar reduziert hat, mit 180 Tsd. Tonnen jedoch weiterhin auf einem hohen Niveau liegt.
Vor allem die Produzenten haben die hohen Zinkpreise in den ersten Monaten des Jahres ausgenutzt und ihre Produktion kräftig erhöht. Aus demselben Grund befand sich auch der Bleimarkt auf globaler Ebene im gleichen Zeitraum mit 46 Tsd. Tonnen im Überschuss. Gemäß Angaben des World Bureau of Metal Statistics (WBMS) hat sich am weltweiten Kupfermarkt im Zuge einer höheren Minenproduktion der Angebotsüberschuss in den ersten vier Monaten gegenüber Vorjahr deutlich auf 177 Tsd. Tonnen ausgeweitet. Wir gehen davon aus, dass die hohen Überschüsse im weiteren Jahresverlauf etwas abgebaut werden. Zuletzt rückläufige Lagerbestände lassen auf eine anziehende Nachfrage, auch außerhalb Chinas, schließen. Nach den starken Preisrückgängen in den vergangenen Wochen sehen wir bei den Metallen Aufwärtspotenzial.
Agrarrohstoffe
Die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und die OECD haben ihren gemeinschaftlichen Langfristausblick für den Agrarsektor veröffentlicht. Die realen Nahrungsmittelpreise sind aufgrund einer Ausweitung der Produktion und der rezessionsbedingt schwächeren Nachfrage zwar von den Höchstständen der Jahre 2007 und 2008 gefallen und dürften in den kommenden zehn Jahren deutlich unter den in diesen beiden Jahren verzeichneten Höchstwerten bleiben. Verglichen mit dem 10-Jahreszeitraum vor 2007/08 dürften die Agrarpreise aber auf einem höheren Niveau verharren. Die Experten von FAO und OECD gehen langfristig steigenden Preisen aus.
Für Getreide wird in den nächsten zehn Jahren ein realer Preisanstieg von 15-40% verglichen mit dem Zeitraum 1997-2006 erwartet, für pflanzliche Öle sogar um mehr als 40%. Aufgrund des höheren Wirtschaftswachstums und der wachsenden Bevölkerungszahl im Durchschnitt soll die Nachfrage im Durchschnitt schneller wachsen als das Angebot. Die weltweite Agrarproduktion soll bis 2019 um mehr als 13% steigen. Den größten Produktionszuwachs erwarten FAO und OECD in Brasilien, wo die Agrarproduktion in den nächsten zehn Jahren um 40% gegenüber dem Zeitraum 2007-2009 steigen soll. Für China, Indien, Russland und die Ukraine werden ebenfalls Wachstumsraten von 20% bis 30% prognostiziert.
DOE Daten: US-Lagerbestände Rohöl, Ölprodukte und Erdgas
Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
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