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Ein Goldstandard? (Teil 1)

06.06.2012  |  John Mauldin
- Seite 2 -
Mitte der 1930er Jahre schrieb Willis, die Fed habe schon unmittelbar nach der Aufnahme ihrer Geschäfte (1914) gesündigt. 1917, mit den Eintritt der USA in den 1.Weltkrieg, machte sich die Fed daran, die Schulden des US-Finanzministeriums zu monetisieren und dessen Zinskosten zu drücken. In den 1920ern, nachdem sich das Land von der kurzen aber üblen Rezession der Jahre 1920-21 erholt hatte, führte die Fed Offenmarktgeschäfte ein, um die Goldflüsse zu sterilisieren und den gewünschten makroökonomischen Kurs bestimmen zu können.

"Die Zentralbanken“, so schrieb Willis in wütenden Gedanken an deren Erfinder, "täten besser daran, ihre unfachmännischen Abstecher in unausgegorene geldtheoretische Diskurse, ihre aufdringliche und trügerische statistische Erfassung des Warenverkehrs sowie die überstürzte Bemächtigung spekulativer Interessen - und zwar unter Verweis darauf, dass all dies langfristig irgendeine vage "Stabilisierung“ im Interesse des öffentlichen Wohls herbeiführen werde - zu unterlassen.“

Willis, der 1937 starb (möglicherweise an einem gebrochenen Herzen), wäre sicher nicht glücklicher mit der heutigen Fed als Senator Glass - oder ich. Um die Jahrtausendwende wurde die in den 1930ern unternommene Suche nach irgendeiner "vagen Stabilisierung" zur Obsession der Federal Reserve.

Meine Damen und Herren, eine solche Stabilisierung einer dynamischen kapitalistischen Wirtschaft wird sich letztendlich auch an jenen rächen, die hier stabilisieren.

Die “Preisstabilität” ist ein typisches Beispiel dafür. Sie haben ja den Auftrag, die Preise stabil zu halten, oder zumindest ist das die eine Hälfte Ihres Auftrags. Doch die Herstellung von Preisstabilität, so wie sie betrieben wird, richtet schweren Schaden an. Aus Gründen, die Sie nie exakt benennen, geloben Sie, der "Deflation“ Widerstand zu leisten. Deflation kann nicht toleriert werden heißt es, und dann wird immer irgendetwas zum verlorenen Jahrzehnt in Japan oder eben zur Großen Depression gesagt. Aber Sie sagen nie genau, was Deflation wirklich ist. Also versuche ich mich an einer Definition von Deflation. Deflation ist eine Schuldenstörung, und ein Symptom dieser Störung sind sinkende Preise. Wenn Lagerbestände während einer Kreditkrise unfinanzierbar werden, kommen die Handelswaren in den Ausverkauf und die Preise sinken. Das ist Deflation.

Deflation ist jedoch kein Preisverfall, der sich auf sinkende Produktionskosten im Rahmen technologischer Verbesserungen zurückführen lässt. Das bezeichnet man als Fortschritt. Milton Friedman und Anna Schwartz zufolge sank das allgemeine Preisniveau in den USA zwischen 1875 und 1896 im Durchschnitt um 1,7% pro Jahr. Und weshalb auch nicht? Mit fortschreitender Technologie purzelten die Preise. Lange bevor Joseph Schumpeter den Begriff der “schöpferischen Zerstörung” prägte, erklärte der amerikanische Ökonom David A. Wells in einer Schrift von 1889 die Konsequenzen zerstörerischer Innovation.

“In der abschließenden Betrachtung", so Wells, “wird deutlich, dass so etwas wie festes Kapital nicht existiert; alle sehr alten Dinge verlieren ihren Nutzen mit Ausnahme von Edelmetallen, und das gesamte Leben besteht aus einem Umbau, einer Umwandlung der Kräfte. Nur immaterielles Kapital hat permanenten Wert - die Erfahrung von Generationen und die Entwicklung der Wissenschaften.“

Auch heute ist die Situation noch ganz ähnlich, mit einem Unterschied: Die digitalen Technologien und der globale Arbeitsmarkt haben für sinkende Produktionskosten gesorgt. Und trotzdem erklären die Zentralbanker, die Preise dürften nicht sinken. Im Gegenteil: Sie müssen sogar um 2% pro Jahr steigen! Und um diese schleichende Steigerungen zu erreichen, monetisieren die Bernankes, die Kings, die Draghis, und ja, leider auch die Dudleys dieser Welt Wertpapiere und drücken die Zinssätze. Und all das nur, um die Deflation zu besiegen!

Meine Damen und Herren, bedenken Sie bitte auch, dass durch das Drücken von Zinssätzen und das Herbeizaubern von Liquidität spekulative Kreditvergabe- und Kreditaufnahmewellen ausgelöst wurden. Mit dieser künstlich herbeigeführten Aktivität werden die Kurse bevorzugter Anlageklassen angehoben - Immobilien zum Beispiel oder aber Mitt Romneys Portfolio aus fremdkapitalfinanzierten Unternehmensbeständen. Und wenn die Zentralbank-Bubble platzt, kommt es zur Kreditkontraktion, fremdkapitalfinanzierte Unternehmen geraten in Wanken, lagernde Bestände werden liquidiert und die Preise geben nach. Kurzum: Es wird ein Prozess ausgelöst, der einer echten Deflation gleicht, die dann wiederum eine neue geldpolitische Großintervention auf den Plan ruft. Indem die Federal Reserve versucht, einer bloß gedachten Deflation zuvorzukommen, zettelt sie fast eine ganz reale an.

Der Ökonom Hyman Minsky machte folgendes Paradox aus: Stabilität wirkt aus sich heraus destabilisierend. Ich behaupte, dass das Versprechen, den US-Leitzins bis ins vierte Quartal 2014 unverändert niedrig zu halten, enorm destabilisierende Auswirkungen hat. Zinssätze sind Preise. Zinssätze sind Träger von Informationen, oder sollten es zumindest sein. Aber die einzige Information, die man einer manipulierten Zinskurve entnehmen kann, ist der Wille der Fed. Den Opportunisten muss man gar nicht erst erklären, wie sie zu reagieren haben. Sie kaufen Öl oder Gold oder Devisen, wodurch sie eben auch den Preis einer Gallone Benzin an den Tankstellen auf 4 $ und darüber hinaus treiben. Eine andere Gruppe von Opportunisten nimmt kurzfristige Kredite auf und verleiht diese langfristig an den Kreditmärkten. Ohne sich sonderlich um die langfristigen Inflationsrisiken zu kümmern, finanzieren diese Gruppen Hypotheken, Schrottanleihen, Staatsanleihen und was man mit Blick auf kurzfristig geliehenen 0 %-Kredit nicht sonst noch alles finanzieren kann. Die Opportunisten, alias das eine Prozent, machen dabei einen guten Schnitt. Aber was ist mit dem verständnislosen Rest?

Ich empfehle dem Buchclub für Finanzgeschichte der Federal Reserve Bank of New York (falls dieser nicht existiert, so richten ihn doch bitte umgehend ein) hiermit die Aufnahme eines Buches des britischen Gelehrten und Zentralbankers Charles Goodhart. Der Titel lautet: “The New York Money Market and the Finance of Trade, 1900-1913.” In der Zeit vor der Einführung der Fed, und mit dieser Zeit beschäftigt sich das Buch, kletterte und fiel der Tagesgeldzinssatz. Es gab keine Stabilität - was nach Goodharts Dafürhalten eine gute Sache war. In einer Gesellschaft, so Goodhart, die einen Hang zur Spekulation hat, was in den USA der Fall war und ist, sorgen unvorhersagbare Steigerungen der Kreditzinsen dafür, dass die Akteure mehr oder minder ehrlich bleiben. Mit Blick auf das hier Erreichte”, so schreibt er über jenen New Yorker Bankenbezirk, der damals noch nicht der Zweite US-Reservebankenbezirk (Second District of the Federal Reserve System) war, “muss das Finanzsystem, wie es sich im Zeitraum zwischen 1900 und 1913 formiert hat, als so erfolgreich eingestuft werden, dass es in den Vereinigten Staaten kaum vergleichbare Beispiele gab.“ Und das trotz der Panik des Jahres 1907.

Lesen sie weiter: Teil 2 ...


© John Mauldin

Dieser Artikel wurde am 29. April 2012 auf www.goldseek.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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