Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Lebensversicherungen - Fels in der Brandung oder drohender Kollaps?

09.09.2010  |  Frank Amann
- Seite 3 -
3.) Flexibilität

Der heutige "Altersvorsorgesparer" sieht sich einer komplett anderen Lebenswirklichkeit gegenüber, als sein Pendant der 70er/80er und auch noch 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Statt lebenslanger Festanstellung dominieren Zeitarbeitsverhältnisse, und wer nicht die Bereitschaft und Flexibilität mitbringt, sich ggf. räumlich oder auch grundsätzlich zu verändern, steht schnell am Ende der jeweiligen Karriereleiter. In jedem Fall passen die meisten heutigen Lebensversicherungsprodukte als Langfristsparpläne für die Altersvorsorge in etwa so gut wie Pferdekutschen auf 3-spurigen Autobahnen. Daran ändert auch ein "Tunen" der Kutsche nichts.

Fakt ist, daß für flexibles Sparen ein reines Spar- oder Fondskonto mit wesentlich geringeren Gebühren, deutlich höherer Transparenz, wesentlich mehr Flexibilität und vor allem mit viel weniger Umständlichkeiten bzw. vertragsbedingten Nachteilen bei Änderungen verbunden ist. Das in der Versicherungswirtschaft gerne verwendete Argument, daß nur möglichst unflexibles Zwangssparen (eine vorzeitige Beendigung/Stillegung geht mit niedrigen Rückkaufswerten einher) sicherstellt, daß der Sparer bei der Stange bleibt und er am Schluß überhaupt irgendetwas auf der Seite hat, läuft schon insofern ins Leere, als mehr als 50% aller Lebensversicherungsverträge sowieso ihren Ablauf nicht erleben, also schlicht gekündigt werden - trotz der enormen Nachteile und Verluste, die sich insbesondere in der ersten Vertragsjahren für die Versicherten daraus ergeben.


4.) Schrumpfung statt Wachstum, (nachhaltige) Nachschubprobleme

Bereits seit einigen Jahren ist die LV-Branche eher eine Schrumpf-, als eine Wachstumsbranche. Das wäre an sich nicht so dramatisch, schließlich ist quantitatives Wachstum nicht immer ein Ausdruck von Qualität, und wenn man den Bevölkerungsforschern glauben darf, so reduziert sich die Einwohnerzahl hierzulande in den nächsten Jahrzehnten durchaus nennenswert; von ca. 80 Mio. in 2010 auf ca. 70 Mio. in 2050. Auch dafür sind Lebensversicherer selbstverständlich nicht verantwortlich zu machen, damit haben sie nichts zu tun. Wenn aber ihr Geschäftsmodell nach wie vor auf quantitatives Wachstum ausgerichtet ist und vorgegaukelt wird, die (schon lange erlahmte) Wachstumsstory würde neuen Schwung erhalten, so ist dies nicht mehr als das berühmte "Pfeifen im Walde" und sogar als Etikettenschwindel zu bezeichnen.

Allerdings: Die jüngsten Zahlen (31.12.2009) des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zur Lage der Branche lassen zunächst vermuten, der Branche ginge es doch recht ordentlich und im großen und ganzen sei alles in Ordnung, der Wachstumspfad nur eben etwas weniger steil als in der Vergangenheit. Wer sich aber die Mühe macht, die Zahlenkolonnen und netten Beschreibungen etwas näher zu studieren, dem erschließen sich einige interessante Aspekte, die die nachhaltigen Schrumpfungstendenzen zweifelsfrei dokumentieren: Angemerkt werden muß dabei, daß der GDV die Lebensversicherungen im engeren Sinne so definiert, daß sämtliche Risiko-, Berufsunfähigkeitsrenten, Pensions- und Pflegerentenversicherungen, wie auch natürlich die fonds-gebundenen Versicherungen in nachfolgenden Zahlen enthalten sind (auch Direktversicherungen!).


a) Anzahl der Verträge:

Geht es nach der Anzahl der Verträge, ist die Schrumpftendenz eindeutig: Nachdem Ende 2002 zum ersten Mal die Marke von 90 Mio. Verträgen überschritten wurde und zum 31.12.2004 die 94,9 Mio. erreichte - dies war der absolute Höhepunkt -, sanken die Vertragszahlen seither von Jahr zu Jahr - zwischenzeitlich wieder auf 91,5 Mio. Verträge. Hierbei ist bedenkenswert, daß in den Jahren 2006 bis 2008, die ja gesamtwirtschaftlich, durchaus als relativ gute Jahre betrachtet werden können, bereits ein gegenläufiger Trend zu beobachten war.

Bedenkt man darüber hinaus, daß seit deren Einführung in 2001 knapp 10 Mio. Riester-Verträge eingerichtet wurden (die in dieser Statistik enthalten sind), so wird erkennbar, daß selbst die enorme PR-Maschinerie bzgl. der Riester-Renten den Erosionsprozeß hinsichtlich der Vertragsanzahl mildern, jedoch auf keinen Fall stoppen oder gar umkehren konnte.


b) Beitragsaufkommen:

Erstaunlicherweise stieg jedoch das Beitragsaufkommen der Lebensversicherer seit Ende 2004 (68,4 Mrd. €), ohne auch nur in einem Jahr zurückzugehen, auf 81,4 Mrd. (2009) €. Wie paßt dies nun zusammen? Einerseits reduziert sich der Bestand an Verträgen von Jahr zu Jahr, andererseits steigen aber die Beiträge. Die Gründe hierfür sind vielfältig, es reicht aber bereits ein einziger Faktor, den es zu beleuchten gilt, um zu erkennen, daß diese Entwicklung keinesfalls als nachhaltig betrachtet werden kann. Hierbei müssen Einmalbreiträge und laufende Beiträge getrennt werden.

Laufende Beiträge sind jährlich wiederkehrende Beiträge und werden von den Versicherten aufgebracht, die langfristige Verträge mit der Versicherungsgesellschaft eingegangen sind. Einmalbeiträge jedoch sind Beiträge, die entweder der Gesellschaft zur Verrentung überlassen werden oder aber Geldanlagen, bei denen Lebensversicherungsgesellschaften als Konkurrenz zur Bank auftreten und z.B. festgeldähnliche Konstruktionen (also ohne langfristigen bzw. Versicherungscharakter) ihren Kunden anbieten, um Gelder ins Haus zu holen und womöglich zu behalten.

Diese im Fachjargon Kapitalisierungsgeschäfte genannten Transaktionen hatten bei deutschen Lebensversicherungen in früheren Jahren keine große Bedeutung, aber um den Schrumpfungstendenzen entgegenzuwirken, wurden insbesondere in den letzten beiden Jahren erhebliche Gelder als Beitragseinnahmen akquiriert und verbucht, die vermutlich lediglich als kurzfristige Parkgelder von "zinsbewußten" Verbrauchern eingelegt wurden.

Hierzu eine kleine Übersicht (Quelle: GDV):

Open in new window





Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"