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Lebensversicherungen - Fels in der Brandung oder drohender Kollaps?

09.09.2010  |  Frank Amann
- Seite 4 -
Es ist leicht erkennbar, daß zwar das gesamte Beitragsaufkommen in den letzten Jahren kräftige Zuwächse verzeichnete, die laufenden (also die jährlich wiederkehrenden) Beiträge stagnierten. Wenn man nun noch bedenkt, daß die Dynamik (automatische Erhöhung von Beiträgen) für eine automatische Erhöhung der laufenden Beiträge sorgen müßte, wird auch hier die Schrumpfungstendenz, was die laufenden Verträge/Geschäfte betrifft, klar erkennbar.

Es bereitet durchaus Schwierigkeiten, durch die von den Versicherern bzw. Verbänden veröffentlichten Statistiken zum wesentlichen Kern der Dinge vorzudringen. Wichtig ist dabei, sich nicht von "Nebenkriegsschauplätzen" (in den Statistiken) allzu sehr ablenken zu lassen, sondern eben diesen Kern sichtbar zu machen. Der Löwenanteil der Differenz zwischen gebuchten Bruttobeiträgen und laufenden Beiträgen sind also die bereits genannten Einmalbeiträge, die branchenweit durchschnittlich im Neugeschäft bereits dreimal soviel Geld wie durch regelmäßige Zahlungen hereinholt.

Das Problem noch einmal kurz skizziert: Während die Lebensversicherer 3,25 bis 4,8% an laufender Verzinsung ausschütten, können sie frisches Geld derzeit nur zu gut 2% bis 3% anlegen. Streng kalkuliert machen sie also ein Minus. All das ist gut für kurzfristige Anleger, sie können im Notfall leicht aus der Versicherung aussteigen, wenn die Zinsen wieder steigen sollten, aber schlecht für die Versicherer und insbesondere für die Altkunden, zu deren Lasten letztendlich die attraktiven Renditen für Verträge aus Einmalbeiträgen, insbesondere Kapitalisierungsgeschäfte, finanziert werden. Nachgerade die Verwaltungskosten der nicht-Versicherungs-/Bankgeschäfte belastet ausschließlich die Versichertengemeinschaft.


5.) Bilanztricks

Laut einer Umfrage (2009) der Unternehmensberatung Price Waterhouse Coopers unter 400 Versicherungsmanagern in Europa glaubten lediglich 4% der Insider, daß die Assekuranz gut auf die kommenden Herausforderungen vorbereitet seien (2007 waren es noch 21%). Die am häufigsten genannten Probleme: Fallende Renditen, volatile Aktienmärkte und Kapitalknappheit.

Die Probleme der Lebensversicherer, die sich mit der Finanzkrise ab 2008 noch zugespitzt haben (wieviel "Giftmüll" haben die Versicherer in ihren Bilanzen und wie sind diese tatsächlich bewertet), hat auch die Aufsichtsbehörde BaFin aufgeschreckt und zunächst einmal dazu geführt, daß rückwirkend zum 01.01.2008 gewisse Bilanzierungsregeln zugunsten der Versicherer gelockert wurden.

Ohne dieses Thema im Detail zu vertiefen, Tatsache ist, daß z.B. Schuldscheindarlehen und Namensschuldverschreibungen (die ca. 25% der Assets der Versicherer ausmachen sollen) keineswegs als gesicherte Papiere gelten können, jedoch prinzipiell mit 100% bilanziert werden.


6.) Unberechenbare (dilettantische) Politik

Wie bereits festgestellt, genossen Lebensversicherungsverträge, die bis zum 01.01.2004 abgeschlossen wurden, noch das "alte" Steuerprivileg, wonach Ablaufleistungen grundsätzlich steuerfrei waren. Mit dem Einstieg in die sogenannte nachgelagerte Besteuerung und damit verbundenen Änderungen (Einführung Riester- und Rürup-Rente, sowie Änderungen in der betrieblichen Altersvorsorge) hat die Politik einerseits versucht, einen Teilausstieg aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu organisieren, andererseits neue attraktive Voraussetzungen für eine neue Altersversorgungswelt zu schaffen.

Das es hierbei zu einer wahren Flut an gesetzlichen Neuerungen kam und die weitgehend dilettantische Politik um kein Haar besser funktionierte, als in vielen anderen Politikbereichen auch, sei nur ergänzend erwähnt. Weit und breit ist keine politische Kraft zu erkennen, die den Mut und die Fachkompetenz hätte, das Dickicht wieder zu lichten und für klare und verbindliche Regeln zu sorgen. Statt dessen wird der Verbraucher unter einer Flut von tonnenschweren, nicht mehr zu verstehenden Gesetzen und Regulierungen begraben, auch und insbesondere im Bereich der Maßnahmen zur Altersvorsorge.


Fazit:

Vorangegangene Informationen sind nicht für (Versicherungs-)Fachleute zusammengestellt, sondern sollen jedem interessierten Verbraucher dazu dienen, ein Bild, eine Ahnung vom Zustand einer Branche zu bekommen, die ihr Heil derzeit darin sieht, weitestgehend so weiterzumachen wie bisher und die Zeichen der Zeit einfach nicht erkennen will.

Auf die Frage, warum ein altehrwürdiges Unternehmen wie Karstadt-Quelle derartig in Schieflage geraten konnte, antwortete ein einstmals hochrangiger Mitarbeiter dieses Unternehmens: "Alle haben gedacht es geht immer so weiter". Treffender könnten die Mitarbeiter von Lebensversicherungsgesellschaften nicht antworten. Wir stehen vor dem Niedergang einer ganzen Branche, und es wird gelten: Den letzten beißen die Hunde.

Auch das Madoff´sche Imperium hat jahrzehntelang funktioniert, nur war es dort ungleich schwieriger, die Zeichen an der Wand zu erkennen. Dies schließt natürlich nicht aus, daß noch etliche Jahre eines fortgesetzten Trugbilds genutzt werden, um nette (Schein-)Renditen zu erzielen und (hoffentlich) rechtzeitig vor dem großen Krach das sinkende Schiff zu verlassen.


© Frank Amann

Frank Amann ist Finanz-und Unternehmensberater sowie Vorstand des Perspektive ohne Grenzen e.V. (www.d-perspektive.de)



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