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Rohstoffmärkte stellen sich auf Wirtschaftsabkühlung ein

20.08.2010  |  Eugen Weinberg
Energie

Infolge der schwachen US-Daten sind die Ölpreise im gestrigen Handelsverlauf um über 2 Dollar auf ein 6-Wochentief unter 74 USD je Barrel gefallen. Zum einen wurden mit 500 Tsd. Anträgen deutlich mehr Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe registriert als erwartet. Zum anderen ist der Phili-Fed Index im August nicht wie erwartet gestiegen, sondern auf -7,7 Punkte gefallen. Der Index deutet auf einen Rückgang des viel beachteten ISM Einkaufsmanagerindex auf unter 50 Punkte, was einen Wirtschaftsabschwung zeigt (Grafik des Tages).

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Skepsis hinsichtlich der künftigen Entwicklung der Ölnachfrage wurde zudem durch die Meldung des Beratungsunternehmens Oil Movements geschürt, dass die OPEC-Exporte in den vier Wochen bis zum 4. September mit 23,24 Mio. Barrel pro Tag 1% niedriger ausfallen werden als in der Vorperiode. Ausschlaggebend sei eine niedrigere Nachfrage aus China, die allerdings zum Teil durch Instandhaltungsmaßnahmen in den Raffinerien bedingt sei. Über Nacht dürfte der WTI-Ölpreis jedoch wieder "steigen", denn heute Abend kommt es zum Kontraktwechsel. Der Oktober-Kontrakt handelt ca. 0,4 USD über dem September-Future.

Trotz eines geringen Lageraufbaus bei Erdgas fiel der Gaspreis an der NYMEX im Einklang mit den anderen Energieträgern. Wir erachten die gegenwärtigen Gaspreise im Vergleich zu Ölprodukten als sehr günstig. Auch deshalb liegen die Spot-Preise in Europa deutlich unter den Kontraktpreisen, die sich meist an den Ölprodukten orientieren. Die "Ölpreisbindung" in Kontinentaleuropa kommt daher immer stärker auf den Prüfstand; erst gestern hatte Kanzlerin Merkel diese Bindung als sachlich nicht geboten bezeichnet. Wir denken, dass sich die "schleichende" Lockerung fortsetzen wird: Die russischen Medien berichten heute, dass E.ON den größten europäischen Gaslieferanten Gazprom um weitere Preisnachlässe bittet.


Edelmetalle

Gold profitiert von der gestiegenen Risikoaversion der Finanzmarktteilnehmer im Zuge der schwächeren US-Konjunkturdaten. Gestern wurden zwischenzeitlich sogar Preise von knapp 1.240 USD je Feinunze erreicht. In Euro gerechnet notiert Gold über 960 EUR je Feinunze. Die defensivere Positionierung macht sich unter anderem in abermaligen Zuflüssen in den weltweit größten Gold-ETF, SPDR Gold Trust, bemerkbar. Dieser berichtete gestern über einen weiteren Anstieg seiner Goldbestände von rund 4 Tonnen. Mit knapp 1.300 Tonnen liegen die Goldvorräte des Fonds mittlerweile nur noch gut 20 Tonnen unter dem Ende Juni verzeichneten Rekordhoch. Alleine in diesem Monat haben sich die Bestände um mehr als 18 Tonnen erhöht. Der Goldpreis sollte damit aufgrund des wieder verstärkten Anlegerinteresses auf dem aktuellen Niveau gut unterstützt sein. Hinzu kommt der Start der Feiertagssaison in Indien nächste Woche, während dieser traditionell viel Gold verschenkt wird.

Die Preise für Silber, Platin und Palladium wurden aufgrund ihres industriellen Charakters in den Abwärtssog der Industriemetalle eingezogen. Der Gold-Silber-Koeffizient ist daraufhin auf deutlich über 67 und damit den höchsten Wert seit Anfang Juli gestiegen. Wir sehen Silber nach wie vor langfristig als attraktive Anlagealternative mit Aufholpotenzial zu Gold und erwarten einen Preisanstieg auf 20 USD je Feinunze im vierten Quartal.


Industriemetalle

Die schwächeren US-Daten und die daraufhin gestiegene Risikoaversion haben gestern die Industriemetalle belastet. Dies spiegelt sich in schwachen Aktienmärkten wider, die zuletzt mit den Metallpreisen stark korreliert waren - sogar die Aktienmärkte in China, die sich zuletzt gut erholen konnten, verlieren heute über 1%. Unterdessen errechnete das World Bureau of Metal Statistics (WBMS) in der ersten Jahreshälfte 2010 Angebotsdefizite an den globalen Märkten für Kupfer, Nickel und Zinn. Während sich das Defizit bei Kupfer mit 80 Tsd. Tonnen im Vergleich zum Vorjahr aufgrund einer deutlich gestiegenen Produktion in China etwas verringert hat, ist genau das Gegenteil bei Nickel zu sehen. Hier hat der Markt von einem Angebotsüberschuss im Jahr zuvor zuletzt ins Defizit gedreht. Dieses betrug laut WBMS in den ersten sechs Monaten 19 Tsd. Tonnen.

Zum einen hatte die Edelstahlindustrie ihre im Zuge der Wirtschaftskrise deutlich reduzierten Lagerbestände wieder aufgefüllt und so zur Nickelnachfrage beigetragen. Zum anderen aber trug der Streik der Minenarbeiter von Vale in Kanada zur Angebotseinengung bei. Da allerdings der Streik mittlerweile größtenteils beigelegt ist und die Edelstahlhersteller ihre Zukäufe zuletzt wieder zurückgefahren haben, dürfte sich die Situation jetzt entspannen. Bereits für den Juni berichtet die International Nickel Study Group (INSG) einen Überschuss von 6,5 Tsd. Tonnen.

Deshalb erwarten wir in den kommenden Wochen eine nochmalige Rückkehr der Nickelpreise unter 20.000 USD je Tonne. Noch weniger gerechtfertigt sind angesichts der schwachen Fundamentaldaten die aktuellen Zink- und Bleipreise. Laut WBMS hat sich an den globalen Zink- und Bleimärkten der Angebotsüberschuss mit 266 Tsd. bzw. gut 57 Tsd. Tonnen im Vergleich zum Vorjahr massiv ausgeweitet.


Agrarrohstoffe

Russland wird langsam vom Paulus zum Saulus für den Weizenmarkt, indem es vom drittgrößten Weizenexporteur womöglich zu einem bedeutenden Importeur wird. Weil man bereits im Vorfeld des Exportverbots einen Teil der Getreidereserven verkauft hat und die Produktionszahlen noch einmal nach unten revidiert wurden, wird Russland bis zur nächsten Ernte 2-5 Mio. Tonnen Weizen einführen müssen, um die Lagersituation nicht zu gefährden.

Dies dürfte sich nur ändern, wenn sich die Viehzüchter wegen der gestiegenen Futterpreise für ungeplante massive Schlachtungen entscheiden würden. Letztendlich wird aber dies die von uns erwartete "Meatflation", d.h. steigende Fleischpreise, nur verzögern. Denn nicht nur die Weizenpreise befinden sich im Aufwind, sondern auch das Angebot bei anderen Agrargütern kommt der steigenden Nachfrage kaum hinterher. Die gestrigen US-Agrarexportzahlen machen dies deutlich. Mit insgesamt (die alte und die neue Ernte) 2,2 Mio. Tonnen Sojabohnen, 2,9 Mio. Tonnen Mais und 1,4 Mio. Tonnen Weizen in nur einer Woche sind diese deutlich höher als erwartet ausgefallen. Die anhaltenden Abwärtsrevisionen für die Weizenernte sowie die starke Nachfrage dürften die Preise für Getreide und Sojabohnen weiterhin gut unterstützen.


Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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