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Überraschend positive Daten geben Preisen Auftrieb

02.09.2010  |  Eugen Weinberg
Energie

Marktstimmung und Finanzmarktentwicklungen sind für den Ölmarkt offensichtlich noch immer wichtiger als Fundamentaldaten: Der unerwartete Anstieg der Einkaufsmanagerindizes in China und den USA führte im Tagesverlauf zu einer Erholung des WTI-Ölpreises auf 74,5 USD je Barrel. Das höhere Preisniveau konnte seither auch weitestgehend gehalten werden, da die Aktienmärkte deutliche Kursgewinne verzeichneten und gleichzeitig der US-Dollar in der Folge enttäuschender Daten zum US-Arbeitsmarkt zur Schwäche neigte.

Die gestern Nachmittag vom US-Energieministerium veröffentlichten US-Lagerdaten zeigten dagegen einen unerwartet kräftigen Anstieg der Rohölvorräte in der vergangenen Woche um 3,4 Mio. Barrel. Zwar kam es zu einem Rückgang der Rohölimporte. Dieser wurde aber durch eine geringere Raffinerieauslastung mehr als ausgeglichen. Der gemeldete Rückgang der Benzin- und Destillatebestände erklärt sich somit in erster Linie mit einer geringeren Raffinerieproduktion. Die Lagerbestände von Rohöl und Ölprodukten zusammengenommen stiegen dennoch auf 1,143 Mrd. Barrel, den höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen vor 20 Jahren. Derzeit wird somit eher zuviel Öl produziert als zuwenig.

Einer Umfrage von Reuters zufolge ging die OPEC-Produktion im August zwar um 140 Tsd. Barrel pro Tag zurück. Die an die Quoten gebundenen Mitglieder produzierten aber noch immer 2 Mio. Barrel pro Tag mehr als vorgesehen. Die Ölproduktion in Russland ging im August zwar ebenfalls um 80 Tsd. Barrel pro Tag zurück, blieb aber den zwölften Monat in Folge über der Marke von 10 Mio. Barrel pro Tag. Entsprechend dürfte der Ölpreis wieder unter Druck geraten, sobald der Rückenwind durch die Finanzmärkte nachlässt.

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Edelmetalle

Der Goldpreis hat sich gestern zwischenzeitlich mit 1.255 USD je Feinunze dem Rekordhoch von Mitte Juni bis auf 10 USD angenähert, ehe die Stimmungsaufhellung an den Finanzmärkten zu Gewinnmitnahmen führte. Der weltgrößte Gold-ETF, SPDR Gold Trust, vermeldete erneut Zuflüsse von 1,5 Tonnen. Seit Anfang August sind mehr als 20 Tonnen in den weltgrößten Gold-ETF zurückgeflossen. Angesichts der unsicheren Konjunkturaussichten dürfte Gold gefragt bleiben, wenngleich Gewinnmitnahmen kurzfristig orientierter Marktteilnehmer auf dem derzeit hohen Niveau jederzeit möglich sind. Auch bei Silber zieht die ETF-Nachfrage wieder an. Der weltgrößte Silber-ETF, iShares Silver Trust, verzeichnete gestern Zuflüsse von 53 Tonnen. Innerhalb von zwei Tagen sind die Bestände um mehr als 80 Tonnen gestiegen. Mit 9.280 Tonnen liegen diese auf dem höchsten Niveau seit 5 ½ Monaten.

Palladium konnte gestern auf über 526 USD je Feinunze steigen, den höchsten Wert seit der Eurokrise im Mai. Der Anstieg ist vor allem technisch bedingt, nachdem der Preis über 500 USD steigen konnte. Zudem unterstützten die starken Autozulassungszahlen in Asien, welche die schwächeren US-Zahlen mehr als kompensieren konnten.


Industriemetalle

Sowohl der chinesische als auch der US-Einkaufsmanagerindex haben gestern positiv überrascht: Letzterer ist im August von zuvor 55,5 auf 56,3 gestiegen, während der Konsens mit einem Rückgang auf 52,8 gerechnet hatte. Die Pkw-Absatzzahlen im August für die USA lagen zwar mit annualisiert 11,5 Mio. Autos „nur“ im Rahmen der Erwartungen, aber die Zahlen aus Japan überzeugten: mit 291 Tsd. Autos wurden im August dank staatlicher Anreize 47% mehr Standard-Autos verkauft als im Vorjahr. Weil sich der Markt angesichts der zuletzt schwachen Arbeitsmarktdaten in den USA mehr und mehr auf das Szenario "double-dip", d.h. einen erneuten Konjunkturabschwung in den USA eingestellt hatte, konnten die Nachrichten den Aktienmärkten und den Industriemetallen auf die Beine helfen.

Der Kupferpreis kletterte um 2,2% auf ein neues Viermonatshoch über 7.600 USD je Tonne. Am Kupfermarkt stützt zusätzlich, dass die übliche Nachfrageabschwächung im 3.Quartal bislang ausgeblieben ist und sich stattdessen der Markt trotz starker Produktionssteigerungen in Chile und anderen Ländern eingeengt hat. Dies zeigt sich auch in den äußerst niedrigen Raffinerieaufschlägen und Verarbeitungsgebühren (TC/RC) der Kupferschmelzen und fallenden Lagerbeständen.

Die zwei wichtigsten Input-Faktoren bei der Stahlherstellung Eisenerz und Kokskohle dürften sich im vierten Quartal verbilligen. Während die japanischen Stahlunternehmen, die oft als erste die Benchmark setzen, bei der Kokskohle einen Nachlass von 7% von zuvor 225 USD auf 209 USD je Tonne erhalten werden, dürfte der Rückgang der Eisenerzpreise sogar 10-12% betragen. Von der Spitze im April haben sich die Spot-Preise mittlerweile weit entfernt, wobei die Eisenerzproduzenten, die zuvor von den Preissteigerungen am Kassamarkt profitiert hatten, jetzt konsequenterweise auch die Preisrückgänge an die Stahlfirmen weitergeben werden.


Agrarrohstoffe

Erstmals seit 10 Jahren könnte Deutschland im größeren Stil auf Weizenimporte angewiesen sein. Aufgrund der schlechten Witterungsbedingungen wird die Winterweizenernte in Deutschland in diesem Jahr nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes 9% niedriger ausfallen. Hinzu kommen Qualitätsverluste, wodurch laut dem Verband Deutscher Mühlen (VDM) in diesem Jahr ca. 1 Mio. Tonnen an hochwertigem Weizen fehlen. Dieser Betrag dürfte dem VDM zufolge durch Einfuhren vor allem aus Frankreich, aber auch den USA gedeckt werden. Erste Anzeichen hierfür gibt es bereits.

Händlern zufolge wurden in der vergangenen Woche 20 Tsd. Tonnen US-Weizen an eine deutsche Mühle verkauft, so viel wie seit knapp 10 Jahren nicht. Bestätigung könnten die heute vom US-Landwirtschaftsministerium zu veröffentlichenden Exportdaten geben. Die Knappheit an Weizen in einigen traditionellen Exportländern - auch Russland dürfte auf Weizenimporte angewiesen sein - dürfte zu einem weiteren Abbau der hohen US-Weizenvorräte führen und somit den Preis unterstützen. Derzeit ist US-Weizen noch 10% billiger als europäischer Weizen.


DOE Daten: US-Lagerbestände Rohöl, Ölprodukte und Erdgas

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Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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