Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Retter und Reaktionäre

07.10.2010  |  Robert Rethfeld
- Seite 3 -
Weder Mises noch Hayek haben den Aufschwung Chinas zu einer wirtschaftlichen Großmacht verfolgen können bzw. dies in ihren Theorien berücksichtigen können. Da kommt ein planwirtschaftlich organisierter Staat (allerdings nur mit einer Staatsquote von 21 Prozent!) und greift massiv ins Wirtschaftsgeschehen ein. Dieses Land verfügt obendrein durch seine ständigen Handelsbilanzüberschüsse über Devisenreserven wie kein zweiter Staat auf der Welt.

China ist durchaus Willens und in der Lage, den alten Industrienationen unter die Arme zu greifen. Die chinesischen Devisenreserven betragen 2,5 Billionen US-Dollar, angestiegen von lediglich 500 Milliarden US-Dollar im Jahr 2004.

Open in new window


Das bedeutet, dass sich die Handlungsoptionen Chinas in den vergangenen sechs Jahren erheblich vergrößert haben. China hätte genug Power, seine Währungsreserven in Euro von aktuell 26 Prozent zu erhöhen und damit den Euro zu stützen. Die Währungsreserven in Euro könnte man effizient erhöhen, indem man z. B. über den liquiden Markt der deutschen Staatsanleihen agiert. So kauft man sich in Europa ein, genauso wie China in erheblichem Maße US-Schuldentitel gezeichnet hat (China besitzt US-Anleihen im Wert von 850 Mrd. US-Dollar). Indem man europäischen Staatsanleihen kauft, hält man die Zinsen niedrig.

Man könnte - wenn man es wollte - sein Engagement in US-Staatsanleihen noch stärker zurückfahren. In diesem Fall wäre Fed-Chef Bernanke genötigt, über den geplanten Erwerb von US-Anleihen im Wert von 500 Mrd. US-Dollar hinaus die Druckmaschine noch deutlicher anzuwerfen. Europa hingegen könnte länger in den Genuss niedriger Zinsen kommen, um so den Zahltag für die Staatsverschuldung noch ein wenig hinausschieben zu können.

Was sagen uns die Finanzmärkte? Gold und Silber steigen. Betrachten wir es umgekehrt: Die Volkswirtschaften der alten Industrienationen verlieren gegenüber Gold und Silber an Wert. Derzeit lässt sich dies insbesondere von der amerikanischen Volkswirtschaft behaupten. Die Bewertung Eurolands und der Schweiz bleibt derzeit gegenüber Gold und Silber neutral. Amerika und Großbritannien sind die einzigen Länder, die momentan erfolgreich die Strategie der Währungsabwertung durchsetzen können. Großbritannien dürfte - bei einer verhältnismäßig hohen Inflationsrate von mehr als 3 Prozent - noch vor den USA in eine Inflationsspirale geraten. Vorausgesetzt, die Pfund-Abwertung setzt sich fort. Für Euroland ist eine solche Spirale derzeit nicht erkennbar.

Fazit: Die Gesellschaftsordnungen verändern sich. So wie es in der Renaissance ("Wiedergeburt") zu einer Rückbesinnung auf die Antike kam und in der Phase der Restauration (1815 - 1830; direkt nach dem Wiener Kongress) zu einer Rückbesinnung auf die Zeit vor der französischen Revolution, so zeichnet sich jetzt erneut der Beginn eines reaktionären, konservativen, die guten alten Werte beschwörenden Zeitalters ab. Die Menschen haben die Probleme in der Finanzwirtschaft satt. Wer kann schon noch das Wort HRE hören? Wie viele Milliarden Euro müssen dort noch hineingeschoben werden?

Auch wenn es penetrant klingt und wir bereits in unserem Jahresausblick darauf hingewiesen haben, dass die zweite Dekade eines Jahrhunderts häufig eine Dekade der Neuordnung war - wie der Wiener Kongress im Jahr 1814/15 - so wiederholen wir es an dieser Stelle: Es wird eine politische Lösung des Problems der Staatsverschuldung geben. Das klingt möglicherweise unspannender als eine Hyperinflation oder eine große Depression. Die Politiker - und auch die Völker - wollen weder das eine noch das andere. Es wird ein Punkt kommen, an dem sie eine völlige Neuordnung der Finanzwirtschaft einfordern werden, ob im Sinne der Austrians ("Free Markets, Free Money, Free Banking") oder im Sinne eines mehr an China orientierten Modells, dürfte Verhandlungssache sein.

Besser man verhandelt jetzt - noch steht ja z. B. Deutschland recht gut da - als später, wenn nur noch einer die Bedingungen diktiert: China. Es ist die Aufgabe der Politiker - nicht diejenige der Finanzwirtschaft - dem Lebensstand der Bevölkerung keinen oder nur einen minimalen Schaden zuzufügen. Auch wenn wir den Politikern momentan so gut wie gar nichts mehr zutrauen: Eine echte Alternative zur einer weltweiten Verhandlungslösung unter zu Hilfenahme von Währungsschnitten und Zwangsentschuldung und Gläubigerverzicht gibt es nicht. Gesucht wird der Fürst Metternich der zweiten Dekade des einundzwanzigsten Jahrhunderts.

Verfolgen Sie die Entwicklung der Finanzmärkte in unserer handelstäglich erscheinenden Frühausgabe.


© Robert Rethfeld
www.wellenreiter-invest.de



P.S.: Wir schauen hinter die Märkte und betrachten diese mit exklusiven Charts! Wir veröffentlichen morgens gegen zwischen 7.30 und 8.00 Uhr eine tägliche Kolumne zum aktuellen Geschehen unter www.wellenreiter-invest.de, die als 14-tägiges Schnupperabo kostenlos getestet werden kann.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"