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Die tiefere Ursache der Großen Finanzkrise: Das Friedensdiktat von Versailles

12.10.2010  |  Prof. Antal E. Fekete
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Und eben diese große Clearingstelle des Goldstandards in London wurde mit der Entscheidung der Entente-Mächte blockiert, ach, sabotiert, in einem rachsüchtigen Augenblick des Sieges in Versailles. Sie beschäftigten sich nie eingehender mit den weiteren ökonomischen Konsequenzen ihrer Entscheidung - abgesehen natürlich von der naheliegenden Konsequenz, dass der Außenhandel Deutschlands an die Leine genommen würde. Sich auszumalen, welche weiteren Folgen ihre Torheit haben könnte, misslang ihnen ganz und gar.

Um zu verdeutlichen, wie kurzsichtig die Entscheidung damals gewesen war, den Umlaufs von Goldwechseln (real bills) zu blockieren, möchte ich die Erörterungen des deutschen Ökonomen Heinrich Rittershausen (1898-1984) anführen; sie erschienen als Monografie unter dem Titel "Arbeitslosigkeit und Kapitalbildung" im Jahr 1930, aber offensichtlich hatte er sie schon geschrieben, bevor die Große Depression Wirklichkeit wurde. Rittershausen sagte voraus, dass es schon bald nach dem Zusammenbruch des Goldstandards zu einer horrenden Welle weltweiter Arbeitslosigkeit kommen werde, welche die Weltwirtschaft in die Knie zwingt.

Zu Zeiten des goldwechselfinanzierten multilateralen Welthandels existierte etwas, das man mangels besserer Begriffe vielleicht als Lohnfonds (Wage Fund) bezeichnen könnte, aus dem die Löhne der Arbeiter bezahlt werden konnten, welche Waren herstellten, die dringendst von Verbrauchern nachgefragt wurden. Man muss bedenken, dass diese Güter im Reife- und Entstehungsprozess von bis zu 91 Tagen nicht an den Endverbraucher verkauft werden konnten. Und er war schließlich der einzige, der seinen Kauf durch Übergabe der Goldmünze bezahlte.

Weder die Produzenten der Halbgüter, die in die fertige Ware eingehen, noch die Händler im Groß- und Einzelhandel zahlten jemals Gold: Sie emittierten oder indossierten Wechsel. Es dauerte 91 Tage (bzw. 13 Wochen, 3 Monate oder ein Quartal), bis die real bills in Goldmünzen fällig wurden, mit denen die Löhne bezahlt werden konnten. Aber die Arbeiter mussten in der Zwischenzeit ernährt, bekleidet, besohlt und beherbergt sein. Sie können keine 3 Monate warten, bis die Waren an den endgültigen, Gold zahlenden Verbraucher verkauft wurden. Löhne müssen wöchentlich und nicht vierteljährlich gezahlt werden.

Der Lohnfonds ist also absolut notwenig, um den Welthandel und Vollbeschäftigung auf einem Niveau zu halten, das noch vor 1913 erreicht wurde. Und ein solcher Lohnfonds konnte auch nur kraft des Wechselmarktes existieren. Ein großer Teil des globalen "Goldwechselstroms" war für Lohnzahlungen vorgesehen; der restliche Teil war für die Bezahlung der Hilfs- und Betriebsstoffe vorgesehen. Das System funktionierte extrem gut: "Strukturelle" Arbeitslosigkeit war vor dem Ersten Weltkrieg unbekannt.

Dieser Lohnfonds wurde unwissentlich in jenem Moment zerstört, als sich die siegreiche Entente entschied, die Finanzierung des Welthandels durch den Umlauf von Goldwechsel, wie sie noch vor 1914 existierte, zu unterbinden. Die Folge war, dass sich der Welthandel nie wieder wirklich erholte. Vielmehr wurde der bessere Teil des 20.Jahrhunderst benötigt, um erneut ein Welthandelsvolumen zu erreichen, das schon 1913 erreicht wurde. Zwischendurch gab es nur Aufsetzen und Durchstarten. Bilateraler Handel, Tauschhandel oder direkte Goldzahlungen sowie Goldumtausch ersetzten den sich selbst-liquidierenden Kredit (so wurde der Kredit in Form von Goldwechseln, real bills, genannt).

Die Zerstörung des Lohnfonds wurde nicht unmittelbar bemerkt. Die große Inflation, zurückgehend auf den Ersten Weltkrieg, gewährte ein ganzes Jahrzehnt lang einen ausreichend starken Stimulus, um den völligen Ausfall eines soliden Fonds zu decken, aus dem die Löhne bezahlt werden konnten. Zu gegebener Zeit wurde das überschüssige Geld jedoch von einer außergewöhnlichen Explosion spekulativer Aktivitäten mit Finanzwechseln, Immobilien sowie Anteilen an Aktienkapitalgesellschaften abgeschöpft. Real bills fielen allein durch ihr Ausbleiben auf.

Erst als das Geld nach reihenweise platzenden Bubbles - die Bubble bei US-Staatsanleihen 1920, die Immobilien-Bubble in Florida 1925 und die Aktienmarkt-Bubble 1929 - knapp wurde, wurde auch die Abwesenheit des Lohnfonds, der ein Jahrzehnt zuvor zerstört wurden war, plötzlich offensichtlich. Es gab kein Geld, um die Lohnempfänger zu bezahlen. Arbeiter wurden entlassen. Sie mussten Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Eine nie dagewesene Welle der Arbeitslosigkeit, wie ein Tsunami, erfasste die Welt. Diktaturen konnten dem Fluch der Arbeitslosigkeit entkommen, indem sie die Bürgerrechte zerstörten. Lenin unter dem Banner des internationalen Sozialismus, Hitler unter dem Banner des Nationalsozialismus.

Der einzige Ökonom auf der Welt, der sah, was kommen würde, war Rittershausen. Aber er wurde von der internationalen Gemeinschaft der Ökonomen mit derselben Missachtung behandelt, wie die deutsche Delegation auf der Versailler Friedenskonferenz. Ein neuer ökonomischer Gospel wurde vom Propheten John Maynard Keynes verkündet, der eine 180°-Wende hingelegt hatte. 1925 war er einer der lautstärksten Gegner einer Rückkehr Großbritanniens zum Goldstandard. Nicht etwa, weil er erkannt hatte, dass Großbritanniens "wieder neugeborener" Goldstandard nicht lebensfähig war, da ihn ein lebensnotwendiger Bestandteil fehlte: die Clearingstelle. Keynes stellte sich dem Goldstandard aus doktrinären Gründen entgegen. Ihm zufolge war der Goldstandard überflüssig, kontraktionistisch und ein Fortschrittshindernis.




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