Supergeheime Welt ohne jede Kontrolle - Super-Gefährlich oder Ultra-Lächerlich? (Teil 4/4)
08.10.2012 | Prof. Dr. Hans J. Bocker
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Und in Anacostia (Teil Washingtons) steht ein mit 3,5 Mrd. $ Baukosten veranschlagter Komplex - leider wird er nun viel teuer - der größte Regierungskomplex seit Errichtung des Pentagon - vor der Vollendung. Er ist fast fünfmal so groß wie der Riesen-Komplex in dem die DNI-Behörde und das NCTC untergebracht sind. Bald schon nehmen von hier enorme neue Datenfabrikationsstätten ihren Sitz und speisen die Berichtsfluten erst einmal so richtig. Alles Bisherige war nur ein kleiner Vorgeschmack. Bald geht’s hier wirklich ernsthaft zu Sache. Käme Goethe als Zeitzeuge zurück, würde er seinen letzten Vierzeiler wandeln:Alles Geheime - ist nur ein Gleichnis
Das völlig Unmögliche - hier wird’s Ereignis
Total Überwachung - hier wird sie getan
Der monströse Gelddruck - zieht uns hinan.
Das völlig Unmögliche - hier wird’s Ereignis
Total Überwachung - hier wird sie getan
Der monströse Gelddruck - zieht uns hinan.
Nahe Salt Lake City baut die NSA für rund 2 Mrd. $ ein weiteres Datenzentrum. In Tampa wird ein riesiges neues Hauptquartier errichtet, dem ein überdimensioniertes neues Bürogebäude allein für die Operationen seiner Sondereinheiten in Asien und Afrika nachfolgen soll.
Etwa die Hälfte der "9 11“ -Unternehmenskomplexe findet sich wie zu erwarten nahe bei Washington. Endlose Gebäudekomplexe reihen sich neben ungezählten Militärbasen, von denen jeweils nur ein Kleinteil über den Erdboden ragt. Nahe der Dulles Gebühren-Strasse hat sich die CIA ein weiteres gewaltiges Gebäude mit unbekannten Zahlen von Tiefenstockwerken geleistet. Dort, tief unter der Oberfläche werden Berichte wie am Fliessband produziert, welches mit 20-facher Geschwindigkeit des Standardtempos läuft. Endlich wird hier der Welt mal anschaulich demonstriert, was und wie gute Geheimdienstarbeit eigentlich so zu sein hat.
Kern- und Prestigeobjekt ist jeweils die Abhörzentrale bzw. das "eigentliche Spionagezentrum“, mit hübsch vielen Super-Bildschirmen, möglichst großen, beeindruckenden Räumen und jeder Menge Spielzeug für Spione: die “Sensitive compartmented information facility” (SCIF). Ein kommerzieller Konstrukteur solcher Anlagen meinte: 'Jeder in Washington redet von SCIF als reines Statussymbol. Du giltst nur etwas in der schönen neuen Welt der Nationalen Sicherheit, wenn du einen riesigen und vor allem teuren SCIF hast’. Dazu gehören selbstverständlich Leibwachen, gepanzerten Limousinen und Sportwagen, sowie supermoderne interne TV-Netzwerke, die möglichst monatlich auf einen noch viel höheren Stand gebracht werden müssen, denn Bin Laden (oder was von ihm übrig ist) schläft nie.
Gegen ihn und seine dunklen Machenschaften arbeiten Heere von schlecht Bezahlten. Deren Soldaten sind meist zwischen 20 und 30 Jahre alte Programmierer, oft ahnungslos und frisch vom College, die im Jahr zwischen 41.000 und 65.000 $ verdienen. Von den Ländern, die sie überwachen, kennen sie bestenfalls den Namen. Kenntnis von Sprache, Wirtschaft und Kulturen gleich Null. Aber sie schütten unter schwerem Konkurrenzdruck tausende von meist völlig unbrauchbaren, vielfach abgeschriebenen Berichten aus, deren Inhalt oft aus von anderen Sprach-Abteilungen übersetzten Tageszeitungen herauskopiert wurde, und deren Ersteller im System anonym bleiben. In etwa 70 "streng geheime“ Webseiten sind immer noch zombiehaft online, obwohl sie schon längst offiziell wegen völliger Nutzlosigkeit abgeschaltet wurden - so ein erklärte ein hoher Geheim-Offizier.
Selbst die NTCT-Analysten sind bekannt dafür, dass ihre Berichte schlechter als die der einzelnen Neben-Geheimdienste sind und obendrein keine Originalberichte produzieren, sondern abschreiben. Maj. Gen. John M. Custer, ehemals Spionagedirektor im Zentralkommando, schrieh während des Interviews mit der “Washington Post” rot im Gesicht, wie er dem damaligen Chef des NCTC angebrüllt habe: ‚Ich sagte ihm, dass nach fast 5 Jahren diese Organisation nicht ein einziges Stück Information produziert hätte, dass mir bei der Durchführung von drei Kriegen irgendwie geholfen hätte’.
Manche zugangsberechtigte Politiker wagen es nicht, sich in die entsprechenden Dateien einzuloggen, da sie sich wegen des ungeheuren Umfangs ihre Computer sofort verstopfen. Stattdessen verlassen sie sich auf ihre eigenen Recherchen und niemand weiss vom anderen. Allein im Pentagon sind inzwischen fast 20 Militärkommandos oder Agenturen nur damit beschäftigt, gegen super Bezahlung, mittels sogenannter “Informations Operationen” die Wahrnehmung der Ausländer von US-Politik und militärischen Aktivitäten zu beeinflussen - sprich - zu manipulieren.
Eine ganz besondere Rolle in diesen hoch bezahlten Wahrnehmungs-Management Aktivitäten spielt der Krieg im Internet und anderen Informationssystemen, der "Cyberwar“. Hier eröffnet sich eine völlig neue und lukrative Front für die Geheimen. Laut CIA-Chef Panetta sind zahlreiche Agenturen konkurrierend direkt in Cyberwar-Operationen verstrickt, Und keine zwei sind einer vereinten Herangehensweise auch nur näher gebracht worden. Der Chefberater von drei Obersten Geheimdienste-Direktoren (DNIs) klärt auf: ’Cyber ist ein ungeheuer schwieriges Thema. Jeder will unglücklicherweise das eigene Stück Rasen mit aller Macht verteidigen’. Als man nach dem Grund fragte, meinte dieser Fachmann: ‚Ganz einfach, es wird unbegrenzt finanziert, es ist heiss und es ist sexy.’
Der Luftwaffengeneral Keith B. Alexander, der jetzt für "Cyber“ zuständig ist, erklärte im Juli 2012: Die Anzahl der Cyber-Attacken auf US-Einrichtungen und Infrastruktur durch Kriminelle, Hacker und "fremde Nationen“ haben sich zwischen 2009 und 2011 versiebzehnfacht. Daraufhin wurde flugs das "US Cyber Command“ als völlig neue und offiziell zugegebene Organisation gegründet und ein noch lauteres Schreien wurde laut. Der Schlachtruf hiess wie immer: "Mehr Geld, mehr Geld, viel viel mehr Geld“! Wer naiverweise glaubte, dass der Geheimkomplex die Grenzen seines Wachstums erreicht hätte, irrte sich wieder einmal gründlich.