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Prof. Wilhelm Hankel: Europa verlässt den Boden der Demokratie

19.11.2010  |  Frank Meyer
Soweit man überblicken kann, liegt die "Eurokrise" mitnichten hinter uns. Im Gegenteil. Nach dem Beinahe-Staatsbankrott in Griechenland brennen nun auch die Finanzen in Irland. Auch in Portugal steigt Rauch auf. Professor Wilhelm Hankel hat vor diesen Problemen bereits gewarnt, als wir hierzulande noch mit der D-Mark bezahlt haben. Hankel gehört zu den Euro-Kritikern der ersten Stunde. Vielleicht schon in wenigen Monaten wird das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, ob die im Frühjahr geschnürten Rettungspakete rechtmäßig gewesen sind. Viel Stoff, ihn nach seinen Einschätzungen zu fragen…


Frank Meyer: Herr Professor Hankel, Sie werden in Interviews meistens als Eurokritiker, Euroskeptiker und Eurogegner vorgestellt. Stimmt diese Berufsbezeichnung?

Professor Hankel: Eurokritiker ist kein Beruf. Ich bin Volkswirt. Ein Volkswirt fällt nicht auf politische Tiraden und Wunschvorstellungen herein. Er analysiert kühl.


Frank Meyer: Wie fällt Ihre kühle Analyse aus? [/i]

Professor Hankel: Die Analyse in Sachen Euro ist ebenso einfach wie deprimierend: Staat und Währung lassen sich nicht trennen. Wenn man das tut, beraubt man den Staat eines wichtigen Instruments, der Währung. Man gibt sie in fremde Hände, die nicht unbedingt zum Wohl der eigenen Nation tätig werden. Genau das erleben wir mit dem Euro in der Eurozone. Es handelt sich nicht um eine Währungsunion, sondern um ein Währungskonkubinat. 16 Staaten teilen sich eine Währung. Jeder Staat hat aber seine eigenen Interessen und Ziele. Deswegen besteht die Gefahr, dass der Euro für Deutschland keine stabile Währung wie die D-Mark mehr sein und für Ziele eingesetzt wird, die den deutschen volkswirtschaftlichen Interessen zuwiderlaufen, kurz, dass wir uns mit dem Euro eine Währung eingehandelt haben, die nicht mehr die unsere ist.


Frank Meyer: Die Einführung des Euro war ja eine politische Entscheidung, ohne Befragung des Volkes. Die Rettung des Euro ist ebenso eine politische Entscheidung. Kann eine politische Währung überhaupt funktionieren?

Professor Hankel: Es gibt eine klassische Untersuchung von einem großen Ökonomen des letzten Jahrhunderts, von Eugen Böhm von Bawerk unter dem Titel "Markt oder ökonomisches Gesetz". (Wikipedia) Sie ist schon 100 Jahre alt und sollte deshalb bekannt sein. Jeder Volkswirt und Politiker sollte wissen, dass das Ergebnis dieser Analyse auch heute gilt: Die ökonomischen Gesetze werden sich stets und langfristig als stärker erweisen als politische Wunschvorstellungen. Es hängt damit zusammen, dass Geld eine Art zweiter Stimmzettel für jeden Bürger ist - neben dem politischen. Er stimmt mit seinem Geld ab. Wenn die Politik seinen Interessen nicht entspricht, stimmt er eben mit dem Geldzettel ab und das führt dann zu den Dingen, die wir heute haben: Kapitalflucht, Flucht ins Gold, Flucht aus dem Euro. Das wird früher oder später dazu führen, dass der Euro als Währung nicht mehr akzeptiert wird.


Frank Meyer: In dem Zusammenhang stellt sich die Frage - auf welchem Weg Europa ist - und wo das Ziel letztendlich liegt.

Professor Hankel: Europa hat andere und höhere Werte als den Euro. Europa steht für Demokratie, Freiheit und Marktwirtschaft. Diese Werte werden durch die Europolitik in Frage gestellt. Mit dem Euro kommen wir in eine Situation, in der die Währung wichtiger ist als ihr Inhalt. Mit dem Euro bekommen wir eben keine Stabilität. Und mit der Transferunion verletzen wir die Gesetze der Marktwirtschaft. Die Stützungsmaßnahmen für den Euro führen dazu, dass wir in Europa, ja wie soll ich sagen, eine Art Zwangssystem bekommen. Die Euroorgane verfügen über die Köpfe des Parlaments und über die Köpfe der Wünsche der Bürgers. Über die Marktgesetze hinweg finanzieren wir ein System, was letztlich als System von Schuldenmachern und von Staaten ist, die eine unseriöse Politik betreiben. Es findet eine Anpassung der stabilen Länder an die instabilen Länder statt. Das kann doch nicht hingenommen werden!


Frank Meyer: Was hat die deutsche Regierung eigentlich noch zu entscheiden?

Professor Hankel: Genau das ist das Problem! Europa, so wie es sich jetzt entwickelt, verlässt den Boden der Demokratie, denn Demokratie findet zu Hause in den nationalen Parlamenten statt. Es kann nicht angehen, dass eine Funktionärselite aus Europa sich über das Selbstbestimmungsrecht der Völker hinwegsetzt. Ich weiß nicht, was die deutsche Regierung reitet, sich einem solchen Regime zu unterwerfen, aber das Verfassungsgericht hat immerhin in seinem letzten Maastricht-Urteil klar festgelegt, dass jeder Schritt über den Lissabon-Vertrag hinaus erstens illegal ist und zweitens nur gemacht werden kann, wenn die Verfassung geändert wird oder wenn ein Volksentscheid vorliegt. Die Rettungsschirme, die für konkursbedrohte Staaten erwogen werden, gehen eindeutig über den Lissabon-Vertrag hinaus. Deswegen bin ich auch recht zuversichtlich, dass wir ein Urteil des Verfassungsgerichts kriegen, was Grenzen setzt.




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