Preise vor goldenem Herbst
11.09.2012 | Eugen Weinberg
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Das Altgoldangebot als zweite wichtige Angebotskomponente fiel im zweiten Quartal sogar aufden niedrigsten Stand seit dem ersten Quartal 2011. Seitens des Angebots sind somit keine preisdämpfenden Auswirkungen zu erwarten. Im Gegenteil: Sollte sich der Streik in densüdafrikanischen Platinminen auf die Goldindustrie ausweiten (siehe auch Seite 4), könntedies zu Produktionsausfällen und zu weiteren Preissteigerungen bei Gold führen. Südafrikawar im vergangenen Jahr mit knapp 190 Tonnen der fünftgrößte Goldproduzent der Welt. Die spekulativen Finanzanleger setzen zuletzt wieder stärker auf steigende Preise. Dazu dürfte beigetragen haben, dass der Goldpreis im August einige wichtige charttechnische Marken wie z.B. die 200-Tagelinie nach oben durchbrechen konnte. Die spekulativen Netto-Long-Positionen haben sich von ihrem Mitte Juli verzeichneten 3½-Jahrestief verdoppelt. Mit gut 120 Tsd. Kontrakten befinden sich die Netto-Long-Positionen aber auf keinem außerordentlich hohen Niveau (Grafik 12, Seite 8). Falls weitere kurzfristig orientierte Anleger auf den fahrenden Zug aufspringen, dürfte der Goldpreis hierdurch zusätzlichen Auftrieb erhalten.
Die beiden wichtigsten Zentralbanken dürften ihre ohnehin schon weit geöffneten geldpolitischen Schleusen in den kommenden Wochen und Monaten noch weiter öffnen. Die EZB hat den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen kriselnder Euro-Staaten angekündigt. Die Fed dürfte angesichts der Schwäche am US-Arbeitsmarkt ein weiteres Anleihekaufprogramm ("QE3") folgen lassen. In Anbetracht der zuletzt schwächerenKonjunkturdaten und einer niedrigen Inflation sollte auch die chinesische Zentralbank ihre Geldpolitik weiter lockern.
Daneben gibt es eine Reihe politischer Ereignisse, welche für Unsicherheit und damit zu einer Flucht ins Gold sorgen könnten. Zu nennen ist hier das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ESM-Vertrag am 12. September. Zudem steht die Frageim Raum, ob Griechenland von der Troika aus EU, IWF und EZB Anfang Oktober grünes Licht für die Auszahlung der nächsten Hilfstranche erhält oder möglicherweise im Oktober Zahlungsunfähigkeit anmelden muss.
Offen ist auch, ob sich die USA nach den Wahlen im Novemberauf einen Kompromiss zu den Anfang 2013 automatisch in Kraft tretenden Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen ("fiscal cliff") einigen können. Eng damit verbunden ist auch die Frage nach der Erhöhung des US-Schuldenlimits, welches Ende des Jahres erreicht werden dürfte. Der wochenlange Streit darüber war einer der Gründe für den rasanten Goldpreisanstieg im Sommer 2011.
Angesichts dieser Ausgangssituation rechnen wir mit einer Fortsetzung des jüngst begonnenen Goldpreisanstiegs. Bis zum Jahresende dürfte Gold auf 1.900 USD je Feinunze steigen und spätestens im ersten Quartal 2013 das Rekordniveau von September 2011 überwinden. Abwärtsrisiken sind in einer anhaltenden Schwäche der Goldnachfrage in Indien und einer Aufwertung des US-Dollar zu suchen. Aufwärtsrisiken bestehen in einem Scheitern der Gespräche zur fiskalischen Klippe und zum Schuldenlimit in den USA sowie einer erneuten Eskalation der Euro-Schuldenkrise, welche die EZB zu einem massiven Aufkauf von Staatsanleihen hochverschuldeter Euro-Staaten zwingen würde.
Silber
Erstmals seit Mitte März konnte der Silberpreis wieder die Marke von 34 USD je Feinunze erreichen. Das viel beachtete Gold-Silber-Verhältnis ist im Zuge dessen unter 52 und damit auf den tiefsten Stand seit fünf Monaten gefallen. Der überproportionale Preisanstieg - Silber stieg seit Ende Juli um gut 15% und wies im vergangenen Monat die beste Wertentwicklung aller Rohstoffe aus - wurde vor allem durch die spekulativen Finanzanleger getrieben. Diese haben ihre Netto-Long-Positionen in den fünf Wochen zum 4.September auf ein 6-Monatshoch von 26,2 Tsd. Kontrakte mehr als verdreifacht (Grafik 4). Dies entspricht einem Anstieg von über 90 Mio. Unzen.
Weitaus weniger haben die physischen Silberkäufe zum Preisanstieg beigetragen. Die Verkäufe von Silbermünzen in den USA beliefen sich im selben Zeitraum gemäß Daten der US-Münzanstalt auf 3,55 Mio. Unzen. Damit liegen die Verkäufe weiter deutlich unter dem Vorjahresniveau. Bei den Silber-ETFs gab es ebenfallsZuflüsse. Diese beliefen sich in den besagten fünf Wochen auf 6,5 Mio. Unzen. Mit 586 Mio. Unzen erreichten die von Bloomberg erfassten Silber-ETF-Bestände Anfang September das höchste Niveau seit dem großen Ausverkauf Anfang Mai 2011 (Grafik 5), sind zuletzt aber wieder leicht gefallen.
Dies stimmt ebenso skeptisch wie das starke spekulative Element des jüngsten Preisanstiegs. Legt man die oben genannten Zahlen zugrunde, machten die spekulativen Finanzanleger im August 90% der Silberkäufe zu Investmentzwecken aus bzw. die Silberkäufe über den Futuresmarkt übertrafen die Käufe von Silbermünzen und Silber-ETFs um das 9-fache. Zwar sehen wir für Silber im Jahresverlauf nach wie vor Aufwärtspotenzial. Vor allem die Investmentnachfrage - sowohl seitens der ETF-Investoren und Münzkäufe als auch der spekulativen Finanzanleger - sollte dem Silberpreis weiteren Auftrieb geben. Die Zeiten der Outperformance gegenüber Gold sollten allerdings vorüber sein. Ende des Jahres dürfte Silber unserer Meinung nach 35 USD je Feinunze kosten und das Gold-Silber-Verhältnis wieder auf 54 steigen.