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Respekt vor der Geschichte

19.04.2011  |  Johannes Müller
Was wir von unseren Urvätern lernen könnten

Hermann Meyer ( 1873 - 1940), Auszüge aus "Das Schweizerische Geldwesen" aus dem Jahre 1929 (Wirtschaftlich Publikationen der Züricher Handelskammer)


Vorwort

Es ist noch nicht lange her, dass Entwertung und Zusammenbruch der Valuten ringsum auch in unserem Lande tiefen Eindruck gemacht, ja über weite Bevölkerungskreise schweres Ungemach gebracht haben. Wir leben schnell und haben für wirtschaftliche Ereignisse zumeist ein kurzes Gedächtnis; ist eine noch so heftige Störung annähernd vorbei, so nimmt wieder Neues unser Sinnen in Anspruch. Man könnte sich daher füglich fragen, ob heute das in ruhigere Bahnen gelangte Geldwesen als Gegenstand einlässlicher Erörterungen auch ausserhalb der Fachkreise noch interessiere.

Nun kommt uns aber ein äusserer Umstand zustatten. Unser Geldwesen ist neu zu ordnen, und als Staatsbürger haben wir uns darum zu kümmern. Die nachstehenden Darlegungen sollen denn auch vornehmlich der praktischen Orientierung dienen; theoretische Erörterungen treten möglichst zurück. Nirgends mehr als bei der Besprechung von Geldfragen empfiehlt sich zur Vermeidung von Unklarheiten und Missverständnis der stete Hinweis auf die Tatsachen, auf die wirklichen Einrichtungen und Verhältnisse. Von dieser Auffassung geleitet, bestrebt sich unsere Studie unter Heraushebung der bedeutsamsten Erfahrungen der Praxis zu zeigen, wie unser Geldwesen in der Zeit vor dem Weltkrieg und hernach beschaffen gewesen, wie es sich bewährt hat und wohin die Erfahrungen weisen.

Zürich, im November 1929


Goldumlaufswährung als Endziel

Die Goldumlaufswährung als Endziel neuzeitlicher Währungsreform erfreut sich durchaus nicht des Beifalls aller Welt. Ausländische Theoretiker und Bankfachleute von Ruf legen heute dem Golde zur Last, dass es der Wirtschaft je länger desto weniger genüge. Das Gold sei zu knapp für den Bedarf der Zentralnotenbanken, es sei vollends zu knapp zur Abgabe an den gewöhnlichen Verkehr, weshalb denn auch die meisten neuen Gesetzgebungen den Goldumlauf grundsätzlich ausschlössen.

Diese Lehre von dem zu knappen Gold scheint auf den ersten Blick wohl begründet. Tatsächlich ist der Verkehr während des Krieges vollständig entgoldet worden, und infolge der Kriegsverschuldung ist Gold in Menge von Europa nach den Vereinigten Staaten abgeflossen. Daher die sehr einseitige Verteilung der Goldvorräte, die erst in letzter Zeit einige Korrektur erfahren hat.

Augenfällig wurde die sogenannte Goldknappheit besonders durch den Wettlauf nach dem Gold, den die zentralen Notenbanken nach ihren verfügbaren Mitteln betreiben, um ihre Goldbestände zu mehren, die Emissionsbasis und ihr Prestige zu stärken. Sieht man den Erscheinungen aber auf den Grund, so zeigt sich, dass das Gold keine Schuld trifft, wenn heute das Angebot der Nachfrage nicht mehr genügt. Die Ursache der Schwierigkeiten liegt tatsächlich nicht in einem Versagen der Goldproduktion, sondern in der masslosen Überspannung der Nachfrage nach Gold.

Man verlangt vom Golde Unmögliches, wenn man ihm zumutet, die nachwirkenden Sünden der Inflation, die übertriebene Notenausgabe und Krediterweiterung unschädlich zu machen und gleichsam zu legitimieren. Denn es kann den nationalen Zentralnotenbanken selbst durch unablässige Goldrafferei nicht gelingen, den in die vielen Milliarden aufgeblähten Zettelumlauf vollwertig in Gold einlösbar zu machen oder auch nur nach alter Übung zu einem Drittel zu decken.

Daran ist aber nicht das Gold schuld. Einiger kritischer Sinn stellt sich also den Goldmangel wesentlich anders vor als gemeinhin gelehrt und zumeist auch geglaubt wird. Wo, wie in der Schweiz, Kreditexpansion und Inflation sich in bescheidenem Rahmen gehalten haben, sozusagen innerhalb der von der Banktheorie reichlich weitherzig gezogenen Normalgrenzen, da vermag der Hinweis auf angeblichen Goldmangel nicht wankend zu machen.

Ebenso wenig Eindruck macht uns die aus ähnlichen Befürchtungen ausgegebene Parole vom zu teuren Gold. Diese Parole mag für finanziell abhängige Staaten gelten, die ihre Abhängigkeit vielleicht auch in ihrer Währung nicht verleugnen können. Die Behauptung jedoch, dass eine gesunde Volkswirtschaft aus Sparsamkeit sich gleichfalls auf alle Zeiten mit Papiergeld bescheiden müsse, ist unhaltbar.

Eine grundsätzliche Gegnerschaft endlich spricht dem Gold die Tauglichkeit ab für die Vorzugsstellung von ehedem. Ganz einseitig schiebt sie ihm die Schuld zu an den Preissprüngen der Kriegs- und Inflationszeiten und bestreitet, dass es weiter als Währungsmetall dienen könne. Gewiss fehlt dem Gold völlige Wertbeständigkeit; nicht erst heute, sondern nach alter Erfahrung. Wo aber findet sich das für die Geldfunktion besser geeignete, wertbeständigere Tauschgut? Und ist nicht die Unbeständigkeit des Goldes eine Kleinigkeit im Vergleich mit der Unsicherheit, die allem goldlosen Verkehr eignet?




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