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Der "zweite" Blick auf die Lagerbestände lohnt sich

16.12.2010  |  Eugen Weinberg
Energie

Der Ölmarkt durchlebte gestern ein Wechselbad der Gefühle. War der Preis in der ersten Tageshälfte wegen der schwachen Aktienmärkte, einer steigenden Risikoaversion und eines schwachen Euro - die Rating-Agentur Moody’s hat mit einer Herabstufung des Ratings Spaniens gedroht - unter Druck, hat sich nach der Veröffentlichung der DOE-Lagerdaten das Bild deutlich aufgehellt. Das Energieministerium hat für die Vorwoche überraschend mit einem Minus von 10 Mio. Barrel den stärksten Rückgang der Rohöllagerbestände seit Septemeber 2002 gemeldet. Erwartet war ein Rückgang um "lediglich" 2,5 Mio. Barrel.

Obgleich die Lagerbestände für die Ölprodukte angezogen haben und der massive Rückgang bei Rohöl vor allem auf externe Faktoren zurückzuführen war - die implizierte US-Ölnachfrage ist in der Vorwoche sogar gefallen - hat die Meldung den WTI-Ölpreis binnen weniger als zwei Stunden um über 2 USD nach oben katapultiert. Der zweite Blick auf die Meldung relativiert jedoch den Rückgang.

Der Rückgang fand vor allem in der PADD 3-Zone (Golfküste) statt, weil sich die dort ansäßigen Raffinieren im Vorfeld der jährlichen Steuererhebung auf die Lagerbestände (ad valorem) vom Material getrennt haben dürften. Die geringeren Importe aus Kanada wegen der vorübergehenden Schließung der 6A Pipeline von Enbrige erklärt den Rest, wobei die Importe nach PADD 2 (Midwest) um knapp 560 Tsd. Barrel täglich fielen. Da die Pipeline am Dienstag wieder in Betrieb genommen wurde, dürfte das Bild nächste Woche wieder drehen.

Eine weitere wichtige Nachricht für den Ölmarkt ist die erneute Verschiebung der Einführung von Positionslimits für Spekulanten an den Energiemärkten seitens der US-Aufsichtsbehörde für die Terminmärkte CFTC. Die CFTC diskutiert bereits seit Mai 2009 über die Einführung von Positionslimits und wollte diese endgültig im Januar einführen. Die Sorge um ein "zu schnelles" Eingreifen in das Marktgeschehen können wir nicht wirklich nachvollziehen.


Edelmetalle

Der Goldpreis tritt weiter auf der Stelle. Nachdem der jüngste Anlauf, die Marke von 1.400 USD je Feinunze nachhaltig zu überwinden, scheiterte, fällt Gold heute Morgen zeitweise unter 1.380 USD. Das Hauptaugenmerk der Marktteilnehmer dürfte sich nun auf das heute und morgen stattfindende Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel richten. Entscheidend wird vor allem sein, ob die EU klare Prinzipien eines permanenten Krisenmechanismus festlegen wird, die über die Eckpunkte hinausgehen, die von den EU-Finanzministern im Vorfeld beschlossen wurden. Sollte eine klare und nachhaltige Lösung der Schuldenkrise nach dem Treffen nicht wahrscheinlicher werden, dürfte die Unsicherheit unter den Marktteilnehmern eher zunehmen. Obgleich dies den Euro weiter belasten würde, könnte Gold als "sicherer Hafen" im Gegensatz zu den anderen Rohstoffen davon profitieren.

Die US-Münzprägeanstalt will künftig neben den "American Eagle"-Münzen in Gold, Silber und Platin auch Palladiummünzen anbieten. Eine unabhängige Marktstudie soll untersuchen, ob eine ausreichende Nachfrage nach diesen Münzen vorhanden ist. Aus unserer Sicht wäre dies positiv für den Palladiumpreis, weil dies eine neue Nachfragequelle erschließen würde.


Industriemetalle

Die International Lead and Zinc Study Group (ILZSG) hat gestern ihren Monatsbericht zum Blei- und Zinkmarkt veröffentlicht. Demnach hat der globale Bleimarkt in den ersten zehn Monaten einen Überschuss von 51 Tsd. Tonnen bzw. 0,7% aufgewiesen. Am Zinkmarkt überstieg das Angebot die Nachfrage im selben Zeitraum um 211 Tsd. Tonnen bzw. 2%. Obwohl sich damit die Angebotsüberschüsse im Vergleich zum Vorjahr reduziert haben, bleiben die Blei- und Zinkmärkte gut versorgt. Das reichhaltige Angebot steht somit einem Abbau der hohen Lagerbestände im Wege. Insofern überrascht nicht, dass allein in dieser Woche die LME-Zinkvorräte um 69 Tsd. Tonnen bzw. 11% auf 700 Tsd. Tonnen gestiegen sind. Sie befinden sich damit auf einem 6-Jahreshoch.

Die LME-Bleibestände, die sich in den letzten zwei Jahren mehr als vervierfacht haben, zogen sogar mittlerweile auf den höchsten Stand seit Mai 2000 an und sind somit nur 875 Tonnen bzw. 0,4% von den Werten entfernt, die zuletzt im Jahr 1995 gesehen wurden. Wir haben bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die hohen Blei- und Zinkpreise fundamental kaum gerechtfertigt werden können. Die Preisanstiege sind vornehmlich auf den allgemein hohen Marktoptimismus zurückzuführen. Sollte die Stimmung drehen, könnten Blei und Zink daher die höchsten Preisverluste unter den Metallen verzeichnen.

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Laut Daten des World Bureau of Metal Statistics (WBMS) befand sich der globale Kupfermarkt im Oktober überraschend deutlich mit 90 Tsd. Tonnen im Überschuss. Dies war insbesondere auf markant niedrigere Importe in China bei einem nahezu gleichbleibenden weltweiten Angebot zurückzuführen. Da aber im November die chinesischen Importe im Vergleich zum Vormonat massiv um 80 Tsd. Tonnen angezogen haben, könnte sich dies schon wieder geändert haben.


Agrarrohstoffe

Zum Monatswechsel hatten die Preise für Lebendrinder die höchsten Werte seit 2008 bzw. für Mastrinder seit Handelsbeginn 1971 erklommen. Sie reagierten damit auf hohe Großhandelspreise bei Rindfleisch und hohe Schlachtraten in den USA. Zuletzt hat das USDA die Produktionsaussichten für Rindfleisch für 2011 angehoben, nachdem es nun eine höhere Wiederaufstockung der Bestände in diesem Quartal erwartet. Die Preisentwicklung bei Magerschweinen verlief dagegen enttäuschend. Hier drücken steigende Produktionszahlen - sowohl was die Anzahl als auch das Schlachtgewicht betrifft - bei einer schwachen Entwicklung der Nachfrage nach US-Schweinefleisch - im Oktober lagen die Exportmengen um 9,5% unter dem Vorjahresniveau - die Stimmung. Zwar entspricht die höhere Produktion im vierten Quartal dem üblichen Saisonmuster, doch gaben die Preise in diesem Jahr noch stärker nach als sonst üblich.

Kurz vor Weihnachten erholen sich die Preise häufig angesichts der saisonbedingten Mehrnachfrage leicht. Auch Kälteeinbrüche mit der Folge einer erschwerten Anlieferung der Tiere können das Bild wenden. Derartige Befürchtungen haben dafür gesorgt, dass sich die Preise für Vieh in der letzten Woche sehr unterschiedlich entwickelt haben. Während die Notierungen für Magerschwein um gut 10% stiegen, stagnierten die für Rinder weitgehend.


DOE Daten: US-Lagerbestände Rohöl, Ölprodukte und Erdgas

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Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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