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Spuren einer Zeitenwende

12.01.2011  |  Frank Meyer
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Frank Meyer: Worüber diskutieren denn die Politiker und Finanzexperten auf den G7 bis G20-Treffen? Sie sind doch sicherlich nicht so dumm und sehen den Schlamassel nicht ...

Dr. Bruno Bandulet: Es wird bereits über Alternativen gesprochen. Schauen Sie den Weltbankpräsidenten, der neulich Gold ins Gespräch gebracht hat; nicht die Rückkehr zum klassischen Goldstandard, sondern, wenn ich ihn richtig verstanden habe, der Vorschlag, Gold irgendwie in das Weltwährungssystem einzubauen, um Vertrauen zu schaffen. Und ich weiß auch, dass in Moskau ernsthaft darüber nachgedacht wird, den Rubel ans Gold zu binden.


Frank Meyer: Wer sagt das?

Dr. Bruno Bandulet: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es ist aus einer guten Quelle. Aber es stimmt.


Frank Meyer: Was würde das bedeuten, außer einen Affront gegen die USA und den US-Dollar?

Dr. Bruno Bandulet: Eindeutig. Aber die Abwärtsbewegung des Dollars läuft doch jetzt schon eindeutig ab. Es gibt ja jetzt schon und künftig immer mehr Handelsvereinbarungen, die den Dollar umgehen, beispielsweise zwischen Russland und China, dass man mit Rubel oder Yuan zahlt. Die Absetzbewegung vom Dollar ist bereits da. Wir haben keineswegs nur ein Europroblem, sondern auch ein Dollarproblem und damit auch ein Problem des Weltwährungssystems, denn die Welt lebt ja immer noch unter dem Dollar-Standard.


Frank Meyer: Würden die Amerikaner dem einfach so zuschauen?

Dr. Bruno Bandulet: Nein. Die eigentliche Stärke Amerikas ist militärisch. Der Dollar wird gestützt von der wirklich überwältigenden militärischen Macht Amerikas. Und ich erinnere mich, vor zwei Jahren wurde aus Washington den Chinesen gesagt, dass sie ihre riesigen Dollarreserven besser nicht auf den Markt werfen, weil man es als Kriegserklärung verstehen würde. Konkret würde das so ablaufen, dass man die internationalen Großbanken aus Washington anweist oder ermutigt, solche Verkaufsaufträge einfach nicht auszuführen.


Frank Meyer: Wie stark schätzen Sie inzwischen die Rolle der Chinesen ein?

Dr. Bruno Bandulet: Eher eine zurückhaltende ... Es entspricht chinesischer Diplomatie, die ja nicht offen aggressiv ist, sondern gerne mit verdeckten Karten spielt. China ist wahrscheinlich partiell neben Russland die einzige Großmacht, die wirklich strategisch denkt und auch disponiert. Das tun die Amerikaner eigentlich gar nicht mehr. Sie sind mancher Hinsicht mehr die Getriebenen. Ich denke, intellektuell ist die chinesische Führung der amerikanischen überlegen. Die wissen in Peking natürlich auch, dass sie mit ihren vielen Dollar letzten Endes reingelegt werden sollen. Dabei wäre es noch die bessere Lösung, wenn der Dollar nach und nach abgewertet wird. Aber so oder so sitzen sie auch in der Falle, denn wie sollen sie aus dem Dollar raus? Ideal wäre, wenn sie im Westen viele Konzerne aufkaufen könnten, aber das wird ihnen ja auch immer wieder verwehrt.


Frank Meyer: Wie lange werden die Chinesen brauchen, um das Zepter des Empire von den USA zu übernehmen?

Dr. Bruno Bandulet: Relativ lang. Das kann durchaus noch eine Generation dauern, weil, um die führende Weltmacht zu werden, man auch militärisch stark sein muss. Das werden die Chinesen auf längere und absehbare Zeit aber nicht sein.


Frank Meyer: Haben wir also noch etwas Ruhe?

Dr. Bruno Bandulet: Ja und nein. Was wir nicht wissen ist, wie schnell sich diese Auflösungserscheinungen im Weltwährungssystem beschleunigen. Wir wissen ja seit der Lektüre des schwarzen Schwans von Nassim Taleb, dass so etwas plötzlich aus einer Quantität in eine Qualität umschlägt. Und dann haben wir plötzlich eine ganz neue Situation.

Das gilt übrigens auch für den Euro. Wenn alles halbwegs unter Kontrolle bleibt, kann man diese Euromalaise verschleppen. Wir kennen aus der Finanzgeschichte genug Beispiele, dass etwas, was in der Luft liegt, plötzlich eintritt und zwar aus heiterem Himmel. Wenn Sie über Nacht einen Vertrauenszusammenbruch haben, dann ist der Euro möglicherweise nicht zu halten. Ich weiß nicht, wie schnell das passieren könnte, aber das ist eine Sache, die man auch mit einkalkulieren muss.

Zu der Erkenntnis kam übrigens auch die UBS in einer Studie von vor ein paar Monaten. Sie sagte, er könnte drei bis fünf Jahre halten. Zweiter Punkt: Es könnte auch etwas Unvorhergesehenes und Dramatisches passieren und drittens sagte die UBS, die eleganteste Lösung, um den Euro zu retten bestünde darin, dass Deutschland austritt.


Frank Meyer: Damit hätte Alan Greenspan ja recht, der 1977 sagte, der Euro werde kommen, aber nicht überleben. Aus welchen Faktoren stellen die des Euros tägliches Bulletin zusammen?

Dr. Bruno Bandulet: Sie können die ganze Euromisere am Zins festmachen. Wir haben drei Phasen erlebt: Zum einen die 90er Jahre. Da lagen die Zinsen der Südeuropäer weit über den deutschen Zinsen. So konnten sie keine Währungsunion machen. Um die Zinsen zusammen zu führen, hat die Politik die Banken und die Hedgefonds gebraucht. Die haben damals dafür gesorgt, dass die Zinsen auf ein gemeinsames Niveau herunter kamen. Man sieht gut, dass Politik und Banken unter derselben Decke stecken. Sie brauchen sich einander. Die Hauptaufgabe des Bankensystems ist es ja seit dem 19. Jahrhundert, Staatsschulden unter zu bringen. Wie auch immer: Die haben denen damals einen Gefallen getan und die Finanzindustrie hat davon mächtig profitiert. Sie hatten praktisch eine Regierungsgarantie, dass der Euro kommt. Es war ein traumhaftes Geschäft, Lira-Bonds oder Peseten-Bonds zu kaufen.

In der zweiten Phase nach 1999 hatten sie diese Scheinstabilität des Euro. In dieser Phase waren tatsächlich die Zinsen fast auf demselben Niveau. Davon haben sich aber die Leute täuschen lassen, weil sie nur auf Haushaltsdefizite geschaut haben. Die waren in Spanien beispielsweise in Ordnung. Man hat nicht auf die Leistungsbilanz geschaut, was entscheidender gewesen wäre. Dort sind nicht nur Staatsschulden, sondern auch Privatschulden enthalten. Und das wäre das größere und bessere Bild gewesen. Die zweite Phase endete mit der Weltfinanzkrise 2007/08. Dann zeigte sich auch, was in der Eurozone unter der Decke schlummerte. Seitdem haben wir wieder Zinsdifferenzen, die sich ständig ausweiten und wieder so ähnlich sind wie vor Einführung des Euro. Auch daran sehen Sie, dass der Euro gescheitert ist.




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