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Inflation in Europa, Deflation in den USA?

21.01.2011  |  Carsten Klude
Wie bei fast keinem anderen Thema gehen die Meinungen über die Preisentwicklung auseinander: Während die eine Fraktion überzeugt ist, dass in den kommenden Jahren eine massive Geldentwertung droht, gehen andere davon aus, dass eine Zeit mit sinkenden Preisen ansteht und sich die Welt auf eine Deflation zubewegt. Die Befürworter der Inflationsthese sehen sich durch die steigende Staatsverschuldung und die sehr expansive Geldpolitik in den Industrieländern in ihrer Ansicht bestärkt: Mittelfristig, so das Argument, können die Notenbanken die überschüssige Liquidität nicht abschöpfen, und den Staaten bleibe gar nichts anderes übrig, als ihre Schulden über eine höhere Inflation zu reduzieren.

Auf der anderen Seite stehen Jene, die befürchten dass eine Kombination aus unterausgelasteten Kapazitäten, angespannten Arbeitsmärkten und staatlichen Sparprogrammen im schlimmsten Fall direkt in die Deflation führt. Vor allem in den USA ist die Furcht vor einem dauerhaften Preisrückgang scheinbar stärker ausgeprägt als vor steigenden Verbraucherpreisen. So hatte die Fed im November beschlossen, vor dem Hintergrund der niedrigen Inflation und des angespannten Arbeitsmarktes in den USA weitere Staatsanleihen im Umfang von 600 Milliarden US-Dollar aufzukaufen. Wir erwarten jedoch weder, dass die USA in eine Deflation rutschen werden, noch rechnen wir mit einer überbordenden Inflation in Europa oder den USA.

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Diese Einschätzung scheint am Kapitalmarkt geteilt zu werden. So blieben die impliziten Inflationserwartungen für Europa im Jahr 2010 in einem Korridor zwischen 1,7% und 2,2% und lagen damit dicht am Inflationsziel der Europäischen Zentralbank, die eine Teuerungsrate von weniger als 2% anstrebt. Implizite Inflationserwartungen werden aus dem Renditeabstand zwischen inflationsgeschützten und "gewöhnlichen" Staatsanleihen mit gleichen Restlaufzeiten berechnet, in diesem Fall ungefähr sieben Jahre. Sie spiegeln die durchschnittliche Inflationserwartung des Marktes während der jeweiligen Restlaufzeit wider. In den USA sind die Inflationserwartungen dagegen in den letzten Monaten etwas angestiegen und lagen zuletzt bei rund 2,7%. Die Märkte preisen daher gegenwärtig in den USA kein Deflationsszenario ein, sondern erwarten eine Rückkehr zu höheren Inflationsraten.

Tatsächlich gibt es bereits seit einigen Monaten Anzeichen dafür, dass der Inflationsdruck zunimmt. So sind die Rohstoff- und Lebensmittelpreise deutlich angestiegen. Der Preis für einen Barrel Rohöl der Sorte Brent ist seit dem Jahresanfang 2009 von rund 36 US-Dollar auf zuletzt fast 99 US-Dollar geklettert. Auch andere Rohstoffe sind deutlich teurer geworden: Gemessen am CRB-Index muss für den gleichen Warenkorb an Industrierohstoffen heute rund 85% mehr gezahlt werden als noch am Jahresanfang 2009.

Während die höheren Lebensmittel- und Rohstoffpreise teilweise durch Sonderfaktoren wie schlechte Ernten und Unwetter erklärt werden können, ist zumindest der Preisanstieg bei den Rohstoffen auch maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die globale Nachfrage wieder kräftig gestiegen ist. Da wir davon ausgehen, dass die positive wirtschaftlich Dynamik 2011 anhalten wird, dürften die Rohstoffpreise tendenziell weiter ansteigen.

Es überrascht vor diesem Hintergrund auch nicht, dass die Unternehmen sowohl in Europa als auch in den USA seit Monaten höhere Einkaufspreise melden und auch die Import- und Produzentenpreise gestiegen sind. Neben teureren Rohstoffen dürften dabei allerdings auch Knappheiten bei bestimmten bearbeiteten Vorprodukten eine Rolle gespielt haben. Zumindest in einigen Industrien sind die Unternehmen von der stark anziehenden Nachfrage überrascht worden, und der Engpass hat mitunter zu Preisanpassungen zu Gunsten des Lieferanten geführt.




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