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Sorge um Japan führt zu Ausverkauf

16.03.2011  |  Eugen Weinberg
Energie

Die Ölpreise sind gestern im Zuge eines breitangelegten Ausverkaufs an den Rohstoffmärkten um mehr als 4% eingebrochen. Der Brentölpreis fiel zwischenzeitlich auf 107 USD je Barrel und der WTI-Preis auf 96 USD je Barrel, was jeweils einem 3-Wochentief entspricht. Die Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen der Katastrophe in Japan belastet derzeit den Ölpreis. Die Psychologie spielt dabei offensichtlich eine größere Rolle als die Fakten. So soll es bislang nach Angaben eines Reedereiverbandes noch nicht zu nennenswerten Beeinträchtigungen der Öllieferungen nach Japan gekommen sein. Japan stellt 5% der globalen Ölnachfrage und ist damit das weltweit drittgrößte Ölverbrauchsland.

Die nach wie vor angespannte Situation im Nahen Osten ist angesichts der Sorge um Japan in den Hintergrund getreten, obwohl sich die Situation durch den Einmarsch saudi-arabischer Truppen in den vorgelagerten Inselstaat Bahrain zuletzt weiter zugespitzt hat. Gestern hat der Iran die Intervention Saudi-Arabiens gegen die schiitischen Glaubensbrüder in Bahrain kritisiert. Somit besteht die Gefahr einer Konfrontation der beiden größten Ölproduzenten der OPEC. Die Lage in Libyen scheint sich zwar hinsichtlich der Sicherheit für die Ölproduktion zu entspannen. Nahezu alle wichtigen Öleinrichtungen des nordafrikanischen Landes befinden sich mittlerweile wieder unter Kontrolle der Regierungstruppen. Eine baldige Rückkehr zur normalen Ölproduktion ist angesichts der Beschädigungen an der Infrastruktur allerdings unwahrscheinlich. Die weiterhin unsichere Lage im Nahen Osten und der höhere Ölbedarf Japans zur Stromerzeugung sprechen gegen einen weiteren Preisrückgang.


Edelmetalle

Der Abverkauf an den Rohstoffmärkten gestern hat selbst vor Gold keinen Halt gemacht. Das gelbe Edelmetall fiel in der Spitze um mehr als 3% bzw. 50 USD. Mit gut 1.380 USD je Feinunze wurde zwischenzeitlich ein 4-Wochentief markiert. In Euro gerechnet fiel der Goldpreis kurzzeitig unter die Marke von 1.000 EUR je Feinunze. Offensichtlich haben einige Investoren Gold verkauft, um Verluste bei anderen Rohstoffen bzw. Vermögenswerten allgemein aufzufangen. Heute Morgen kann der Goldpreis zumindest die psychologisch wichtigen Marken von 1.400 USD und 1.000 EUR je Feinunze zurückerobern. Die US-Notenbank Fed behält ihren geldpolitischen Kurs unverändert bei. Die Zinsen bleiben für einen ausgedehnten Zeitraum niedrig und das Anleihenkaufprogramm wird wie geplant umgesetzt. Allerdings ist die Fed in ihrem Statement etwas optimistischer geworden, so dass es in den USA zu keinen weiteren geldpolitischen Expansionen kommen dürfte. Dies könnte den Goldpreis durch einen festeren US-Dollar belasten.

Unter den Edelmetallen verzeichnete Palladium gestern mit zeitweise mehr als 7% die höchsten Verluste. Die vorübergehende Schließung von Autofabriken in Japan und die daraus resultierende geringere Nachfrage dürfte hier der ausschlaggebende Grund gewesen sein. Palladium wird wie Platin in der Herstellung von Katalysatoren verwendet. Laut Daten von Johnson Matthey stand Japan im letzten Jahr für gut 16% der weltweiten Palladiumnachfrage.

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Industriemetalle

Gestern kam es im Tagesverlauf aus Angst vor einer atomaren Katastrophe in Japan zu panikartigen Verkäufen sowohl an den Aktien- als auch an den Rohstoffmärkten. Vollkommen losgelöst von fundamentalen Aspekten wurden dabei alle Rohstoffe in der Breite verkauft, so auch die Metalle. Im späten Handel wurde der Abwärtstrend jedoch gestoppt und ein Teil der bis dahin aufgelaufenen Verluste wieder wettgemacht. Die Erholung der Metallpreise setzt sich heute Morgen fort, u.a. unterstützt durch feste Aktienmärkte im asiatischen Raum. Offensichtlich werden die Preisrückgänge von gestern als übertrieben erachtet. Zudem scheinen sich die Marktteilnehmer für den Moment wieder auf den Wiederaufbau des Landes und die damit verbundene erwartete hohe Nachfrage nach Metallen und Stahl zu fokussieren. Die Volatilität dürfte in jedem Fall hoch bleiben.

Unter den Metallen verzeichnete Zinn gestern mit einem zwischenzeitlichen Abschlag von über 7% die höchsten Verluste. Zwar hat Indonesien im Februar mit 6,2 Tsd. Tonnen so wenig Zinn wie seit April 2009 nicht mehr exportiert. Allerdings wurde dies durch Sorgen über einen Nachfrageausfall von Japan mehr als kompensiert. Mit einem Marktanteil von 9,5% war Japan laut Daten von WBMS im letzten Jahr der weltweit zweitgrößte Zinnkonsument. Fast der gesamte Zinnbedarf muss importiert werden, wobei die Hälfte der Menge aus Indonesien bezogen wird. Laut dem International Tin Research Institute (ITRI) ist es allerdings noch zu früh, um die Ausmaße eines Nachfragerückgangs abzuschätzen.


Agrarrohstoffe

Auch die Agrarmärkte wurden gestern nochmals mit voller Wucht von den dramatischen Ereignissen in Japan getroffen. Sie gaben wieder auf breiter Front nach, angeführt durch Rohzucker, der um 7,7% auf 25,65 US-Cents je Pfund fiel. So niedrig war die Notierung zuletzt Anfang Oktober letzten Jahres gewesen. Auch die Preise für Weizen, Mais und Sojabohnen gaben um über 4% nach.

Die niedrigeren Preise könnten rasch dazu führen, dass Nachfrager am internationalen Markt verstärkt Getreide importieren. So empfielt etwa das größte unabhängige chinesische Analysehaus Shanghai JC Intelligence, bis zu 6 Mio. Tonnen Mais zu importieren und damit die Maispreise im Land zu dämpfen. Diese könnten in der Zeit bis zur neuen Ernte im Herbst nochmals stark steigen, zumal die Nachfrage nach Futtermitteln hoch ist. Das USDA rechnet allerdings auch in seiner neuesten Prognose nur mit Importen Chinas in Höhe von 1 Mio. Tonnen im Wirtschaftsjahr 2010/11. Die staatliche Lagerhaltung Chinas ist nicht öffentlich dokumentiert, so dass unklar ist, ob der Lagerbestand in China zum Saisonende wie vom USDA erwartet bei gut 60 Mio. Tonnen liegen könnte oder nur bei einem Zehntel dessen, wie zuletzt aus Händlerkreisen in China verlautete. China hatte in den letzten Monaten immer wieder Lagerbestände freigegeben, um die steigenden Inlandspreise zu dämpfen.


Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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