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Antieuropäische Reflexe führen zu starker Risikoaversion

05.02.2013  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.48 Uhr) bei 1.3470, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im asiatischen Handel bei 1.3469 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 92.28. In der Folge notiert EUR-JPY bei 124.30, während EUR-CHF bei 1.2272 oszilliert.

Die Marktreaktionen waren gestern massiv, ob Bewertung des Euros oder Bewertung der Aktienmärkte. Aus technischer Sicht waren diese Bewegungen geboten. Die Aktienmärkte als auch der Euro waren zum Teil stark überkauft. Mithin wären Korrekturen für die Nachhaltigkeit des Trends zunächst einmal konstruktiv.

Es stellt sich die entscheidende Frage, ob diese Entwicklung nur Korrektur ist oder potentiell eine Trendwende darstellen kann?

Dafür bedarf es einer Analyse der Katalysatoren dergestrigen Marktbewegung. Von "Hiobsbotschaften“ aus der Eurozone ist in den Medien die Rede. Schauen wir, ob Hiob wirklich in der Nachrichtenlage steckt?

•Der spanische Ministerpräsident steht unter Verdacht, Schmiergeldzahlungen erhalten zu haben. Derartige Vorwürfe sind in der Tat nicht geeignet, Vertrauen und Zuversicht in die betreffende Person und gegebenenfalls die Politik dieser Person/Partei zu begründen. Der spanische Ministerpräsident streitetdie Vorwürfe ab und beabsichtigt, seine Einkommensteuererklärungen öffentlich zu machen.

•In Italien wird das Dilemma der Traditionsbank Monte Paschi zu einem Thema der Innenpolitik. Einige Kollegen wollen darin eine verstärkte Chance für Berlusconi erkennen.

Sind das wirklich Hiobsbotschaften nach den Erfahrungen der letzten vier Jahre? Mein Votum lautet „Nein“.

Der Finanzmarkt leitet aus der Nachrichtenlage nassforschab, dass die Reformpolitiken dieser beider Länder damit zur Disposition stünden. Diese Interpretation erscheint ambitioniert zu sein! Hier stellt sich die Frage, ob gesamte Reformpolitiken oder im Zweifelsfall Personen zur Disposition stehen? Ich sehe im tendenziell unwahrscheinlichen Extremfall bestenfalls eine Drehung des Personenkarussells. Ich halte aber auchan der Unschuldsvermutung fest, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist.

Fragen wir uns sachlich, was passieren würde, wenn von den Reformen abgerückt würde? Sowohl Italien als auch Spanien würden stehenden Fußes vonden Märkten abgestraft. Alle bisherigen Reformfortschritte und auch "Opfer" der Bevölkerungen würden billig riskiert. Die konjunkturelle Situation würde sich in der Folge massiv verschlechtern. Nicht nur die Finanzierung der öffentlichen Hand würde sich drastisch erschweren, sondern insbesondere realwirtschaftliche Kapitalzuflüsse würden vollständig verebben. Derzeit wenden sich erste internationale Konzerne ernsthaft den Reformländern zu. Nissan beabsichtigt, in Spanien zu investieren.

Die normative Kraft des Faktischen spricht nicht dafür, dass der gestern entfachte "Sturm im Wasserglas“ notwendige Traktion für Trendwenden in sich trägt.

Wir sehen im Finanzmarkt eher antieuropäische Reflexe aufflackern, die logischerweise vor der britischen Insel abrupt aufhören, obwohl Großbritannien alle konjunkturellen und fiskalischen Ziele mit höchster Bravour verfehlt hat.

Wenden wir uns den gestern veröffentlichten Wirtschaftsdaten zu:

Der viel beachtete Sentix-Index der Eurozone legte per Februar von zuvor -7,0 auf -3,9 Punkte zu. Damit wurde der höchste Wert seit Juli 2011 markiert. Die Konsensusprognose bei -3,0 Zählern wurde verfehlt. Der Trend der letzten Monate ist jedoch überzeugend. Seit August 2012 kommt es ausgehend von -30 Punkten zu latenten Anstiegen.

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Diese Veröffentlichung steht fundamental im diametralen Widerspruch zu den gestrigen Marktreaktionen.

Die Erzeugerpreise der Eurozone sanken im Monatsvergleich um -0,2%. Damit kam es den zweiten Monat in Folge zu Rückgängen. Im Jahresvergleich ergab sich ein Anstieg um 2,1%. Die Werte entsprachen der Konsensusprognose. Derzeit dominiert rückläufiger Inflationsdruck. (Chart Index der Erzeugerpreise).

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Die Auftragseingänge der US-Industrie verzeichneteneine Zunahme um 1,8% im Monatsvergleich. Die bei 2,2% angesiedelte Konsensusprognose wurde damit verfehlt. Der Vormonatswert wurde von 0,0% auf -0,3% revidiert. Damit ergab sich hinsichtlich der hohen Erwartungshaltung leichte Ernüchterung. Gleichwohl war die Tendenz überzeugend positiv.

Das wird auch daran deutlich, dass der in dem nachfolgenden Chart abgebildete Index derAuftragseingänge den höchsten Wert seit Juli 2008 und den dritthöchsten Wert in der Historie dieses Index markiert hat! Ergo gibt es keinen Grund einen "Konjunkturblues“
anzustimmen.

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Der Datenpotpourri, der gestern veröffentlicht wurde, hat nicht ansatzweise die Qualität, die gestrigen Marktreaktionen in sachlich unbestechlicher Manier zu unterfüttern.
Mehr gibt es hier nicht zu sagen.

Korrektur - ja // Trendwende - nein!

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten der Unterstützung bei 1.3200 - 30 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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