Und täglich grüßt das Murmeltier: US-Double-Dip 2011?
10.06.2011 | Carsten Klude
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Der Schlüssel, um die Frage beantworten zu können, ob den USA ein Double-Dip droht, liegt unseres Erachtens vor allem bei den Schwellenländern. Wie stark schwächt sich das Wachstum dort ab, und wie lange wird diese Schwäche anhalten? Um diese Frage zu beantworten, kann man auf die OECD-Frühindikatoren zurückgreifen. Dabei zeigt sich, dass die Entwicklung in den vier größten Schwellenländern, den BRICs (Brasilien, Russland, Indien und China), derzeit sehr unterschiedlich ist. Deutliche Schwächeanzeichen kommen aus Brasilien und Indien; in beiden Ländern sinkt der OECD-Frühindikator seit dem Frühjahr 2010 fast ununterbrochen, und eine Trendwende ist bislang nicht in Sicht. In Russland ist der Frühindikator dagegen in den vergangenen Monaten kontinuierlich angestiegen. Dies dürfte auf die Rohstoffpreise im Allgemeinen und auf den Ölpreis im Speziellen zurückzuführen sein. Allerdings hat sich die Aufwärtsdynamik zuletzt abgeschwächt, so dass auch für Russland von einer leichten Wachstumsverlangsamung auszugehen ist.
Am Spannendsten ist der Verlauf des OECD-Frühindikators für China. Dieser war von Ende 2009 bis Mitte 2010 rückläufig, er hat sich aber seitdem wieder leicht erholt. Die Jahresrate des Indikators liegt mittlerweile wieder auf der Nulllinie, womit ein sich verbesserndes konjunkturelles Umfeld signalisiert wird. Sollte sich diese Tendenz fortsetzen, wovon wir ausgehen, ist ein "hard landing" der chinesischen Wirtschaft, also ein starker Wachstumseinbruch in den nächsten Monaten, unwahrscheinlich. Die Erholung des chinesischen Frühindikators ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass die chinesische Notenbank seit vielen Monaten eine restriktivere Geldpolitik betreibt.
Sollte der Inflationshöhepunkt in China erreicht sein, worauf zumindest im Moment die Rohstoffpreise und die Preiskomponenten der Einkaufsmanagerindizes hindeuten, könnte die chinesische Notenbank schon in der zweiten Jahreshälfte die geldpolitischen Zügel wieder lockern, so dass sich die Wachstumsperspektiven wieder verbessern würden. Angesichts der Bedeutung Chinas für die gesamte Weltwirtschaft könnten sich somit die globalen Wachstumsperspektiven im Jahresverlauf wieder verbessern, wovon auch die USA profitieren sollten.
Alles in allem ist es noch zu früh, ein endgültiges Urteil über den weiteren Verlauf der US-Wirtschaft zu fällen. Die Risiken für ein stärkeres Nachlassen der Konjunkturdynamik sind angesichts der jüngsten Entwicklung bei vielen Konjunkturdaten sicherlich angestiegen. Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass eine kurzfristige Verschlechterung von Konjunkturindikatoren in der Vergangenheit immer wieder zu beobachten war, ohne dass dies den zugrundeliegenden positiven Trend tatsächlich gebrochen hätte. Unseres Erachtens ähnelt die derzeitige Entwicklung einer Situation, wie sie zuletzt im Jahr 2005 zu beobachten war: Auch damals verlor die US-Wirtschaft im Frühjahr nach einem fulminanten wirtschaftlichen Aufholprozess in den Quartalen zuvor plötzlich deutlich an Dynamik.
Und ebenso wie heute fiel es damals schwer, den entscheidenden Auslöser dafür zu entdecken. Auffällig ist aber, dass damals im Vorfeld der schwächeren US-Daten auch in den Schwellenländern ein deutlicher Rückgang der konjunkturellen Dynamik festzustellen war. Doch im Verlauf des Jahres 2005 erholte sich die Wirtschaft in den BRIC-Ländern wieder. Dies hat unseres Erachtens auch der amerikanischen Volkswirtschaft neuen Rückenwind gegeben und dazu geführt, dass ein Double-Dip vermieden wurde. Auch in diesem Jahr halten wir eine derartige Entwicklung für wahrscheinlich, weshalb man in den kommenden Monaten insbesondere China und die Schwellenländer im Auge behalten sollte.
© Carsten Klude, Dr. Christian Jasperneite, Matthias Thiel
M.M.Warburg Investment Research
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