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Welches Ziel verfolgt die IEA mit der Reservefreigabe?

24.06.2011  |  Eugen Weinberg
Energie

Die gestrige Entscheidung der Internationalen Energieagentur (IEA), im kommenden Monat bis zu 60 Mio. Barrel bzw. 2 Mio. Barrel pro Tag aus den strategischen Vorräten freizugeben, hat den Ölmarkt durcheinander gewirbelt. Im Tagesverlauf fiel der Brentölpreis um über 7 USD bzw. 6% auf ein 7-Wochentief von 105,7 USD. Der Effekt war umso stärker, weil die Rohstoffmärkte bereits im Vorfeld der Bekanntgabe seitens der IEA wegen des starken US-Dollar, schwacher Aktienmärkte und des Konjunkturpessimismus unter Druck standen.

Erst zum dritten Mal überhaupt seit ihrer Gründung im Jahr 1973 wurden die strategischen Ölreserven auf Geheiß der IEA angezapft. Zuvor war dies nach dem Golfkrieg 1991 und Hurrikan Katrina 2005 der Fall. Als Grund für ihre Entscheidung nannte die IEA Angebotsknappheit wegen der Lieferausfälle in Libyen. Da diese allerdings nicht neu sind, lässt der Zeitpunkt der Maßnahme vermuten, dass dies zum einen die Reaktion auf die fehlende Bereitschaft der OPEC war, ihre Förderquoten zu erhöhen.

Zum anderen aber dürfte die Freigabe das Ziel haben, den Ölmarkt und die Ölpreise kurzfristig zu beruhigen. Da die strategischen Reserven lediglich zur Überbrückung der physischen Engpässe angedacht waren, stünde dies im Widerspruch zu ihrem eigentlichen Zweck. Mittelfristig könnte sich die IEA-Entscheidung als Bumerang erweisen. Denn jetzt ist es fraglich, ob sich Saudi-Arabien an seine Zusage gebunden fühlt, die Ölproduktion kurzfristig auf 10 Mio. Barrel pro Tag auszuweiten. Zunächst entlastet die Freigabe jedoch den Markt. Man sollte außerdem bedenken, dass die OECD-Länder nicht unbedingt ihre strategischen Vorräte wieder auffüllen müssen. Denn diese waren angesichts der fallenden bzw. stagnierenden Nachfrage in den Industrieländern im Vorfeld der Entscheidung höher als die erforderlichen 90 Tage bezogen auf die Netto-Importe.

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Edelmetalle

Gold wird in den von Öl ausgelösten Abwärtssog an den Rohstoffmärkten gezogen und verlor gestern zeitweise 37 USD. Bedingt durch einen festeren US-Dollar setzt sich der Preisrückgang heute Morgen bis auf 1.515 USD je Feinunze fort. Das Geschehen überlagert damit auch die Entscheidung der US-Notenbank Fed vom Mittwoch, die Leitzinsen für einen ausgedehnten Zeitraum auf dem sehr niedrigen Niveau beizubehalten und auch an der ultralockeren Geldpolitik zunächst nichts zu ändern. Zugleich hat die Fed die Prognose für das US-Wirtschaftswachstum für dieses und nächstes Jahr leicht nach unten revidiert.

Darüber hinaus hat der Fed-Vorsitzende Bernanke davor gewarnt, dass ein Scheitern der Rettung Griechenlands die globalen Finanzmärkte bedrohen könnte. Mittel- bis langfristig sollte Gold daher aufgrund seiner Funktion als wertstabile Anlage gut unterstützt bleiben. Die China Gold Association geht unterdessen davon aus, dass die chinesische Goldnachfrage in diesem Jahr aufgrund einer stark steigenden Investmentnachfrage um mindestens 20% wachsen wird. Die inländische Investmentnachfrage soll sich in den nächsten zwei Jahren sogar verdoppeln. Die chinesische Regierung hat auf diesen Trend mittlerweile reagiert und die Liberalisierung des lokalen Goldmarktes eingeleitet.


Industriemetalle

Die Metallpreise konnten sich gestern dem durch Öl ausgelösten Abwärtsdruck an den Rohstoffmärkten weitgehend entziehen und verzeichneten nur moderate Verluste. Diese werden zugleich heute Morgen im Zuge sehr freundlicher asiatischer Aktienmärkte wieder aufgeholt. Kupfer beispielsweise handelt 1,5% fester bei rund 9.100 USD je Tonne. Unterstützt wird das rote Metall auch durch latente Streikgefahren in chilenischen Kupferminen. Zwar hat die Produktion in der El Teniente-Mine nach einem wochenlangen Streik gemäß Angaben des Minenbetreibers Codelco wieder 90% ihrer normalen Produktionsraten erreicht. Allerdings wurde kurzzeitig der Zugang zur größeren Chuquicamata-Mine, die im letzten Jahr 528 Tsd. Tonnen Kupfer produziert hat, blockiert.

Solche Nachrichten dürften dem Kupferpreis grundsätzlich Auftrieb verleihen. Unterdessen hat sich die Angebotssituation am globalen Kupfermarkt etwas entspannt. Gemäß Daten des World Bureau of Metal Statistics (WBMS) hat sich der Angebotsüberschuss in den ersten vier Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahr deutlich auf 117 Tsd. Tonnen ausgeweitet. Das unabhängige Research-Institut Brook Hunt erwartet dennoch für das Gesamtjahr ein Angebotsdefizit von 448 Tsd. Tonnen. Und auch die International Copper Study Group (ICSG) behält ihre Einschätzung eines Angebotsdefizits von 377 Tsd. Tonnen für 2011 aufgrund einer anziehenden Nachfrage und von Produktionsproblemen bei.

Lediglich am globalen Aluminiummarkt hat sich der Angebotsüberschuss laut WBMS von Januar bis April reduziert, bleibt jedoch nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau.


Agrarrohstoffe

Neben dem allgemein negativen Marktumfeld belasteten gestern Nachrichten, wonach sich die G20 auf eine gemeinsame Linie zur strikteren Regulierung der Agrarmärkte geeinigt haben sollen. Der Preis für den nächstfälligen Weizenterminkontrakt fiel an der CBOT zwischenzeitlich auf ein 11-Monatstief von 6,06 USD je Scheffel. Der Preis für LIFFE-Weizen fiel erstmals seit drei Monaten unter die Marke von 200 EUR je Tonne. Die Finanzminister und Notenbankgouverneure der G20-Staaten wurden dazu aufgefordert, angemessene Maßnahmen zur Regulierung und Aufsicht der Agrarmärkte zu beschließen. Zudem sollen u.a. Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz durch neue Datenerhebungen ergriffen werden. Allerdings konnte sich Frankreich mit seiner Forderung nach einer für alle Staaten verpflichtenden Positionsobergrenze nicht durchsetzen.

Wir erachten den Preisrückgang der vergangenen Tage insbesondere bei Weizen als übertrieben. Das niedrigere Preisniveau dürfte physische Käufe begünstigen. Gestern hat der weltgrößte Weizenimporteur Ägypten bekannt gegeben, 240 Tsd. Tonnen Weizen aus den USA, Frankreich und Australien mit Lieferung für den 21.-31. Juli zu kaufen. Ägypten will zudem auch nach dem Ende des Exportstopps zunächst keinen Weizen aus Russland importieren, sondern erst die Qualität der russischen Ernte abwarten.


DOE Daten: US-Lagerbestände Rohöl, Ölprodukte und Erdgas

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Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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