Wie lange heißt es Solvenzkrise?
09.04.2013 | Presse
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Im Mai 1987 war die Citibank nach jahrelanger Kapitalaufstockung in der Lage, ganz plötzlich und zur großen Überraschung des gesamten Marktes, anzukündigen, dass das Unternehmen enorme Rückstellungen für die zweifelhaften Staatskredite vornehmen werde. Bis 1989/90 war dann auch der Rest der amerikanischen Großbanken in der Lage, Abschreibungen hinzunehmen, ohne in die technische Insolvenz zu rutschen. Zu dieser Zeit stellten schließlich alle Beteiligten offiziell fest, dass die lateinamerikanische Schuldenkrise doch viel mehr als nur eine Liquiditätskrise war. Das ist der entscheidende Punkt. Die US-amerikanischen Banker waren nicht etwa dumm, sie konnten die wahren Gegebenheiten aber erst dann offiziell zugeben, nachdem sie mithilfe hoher Gewinne über Jahre hinweg tragfähige Kapitaldecken aufgebaut hatten, woran die Federal Reserve - in Form einer verzerrten Zinskurve - keinen kleinen Anteil hatte. Erst dann konnten die Verluste ohne Folgeinsolvenzen festgestellt werden.
Und das ist auch ein wichtiger Punkt für Europa. Die europäischen Banken, und besonders die deutschen, können unter keinen Umständen die Möglichkeit einer staatlichen Insolvenz einräumen, bevor sie nicht genügend Kapital aufgebaut haben, um die Verluste aufzufangen. Leider haben sie dabei bisher nur langsame Fortschritte gemacht, trotz der "Zinskurven-Hilfe“ durch die EZB. Ich vermute daher, dass es sich noch viele Jahre lang um ein "Liquiditätsproblem“ handeln wird. Bis dahin werden die verschuldeten Länder in den Randzonen Europas unter einem Jahrzehnt des schwachen Wirtschaftswachstum, der hohen Arbeitslosenzahlen und kontroverser Politik zu leiden haben, während ihre Schulden schneller wachsen werden als die Wirtschaft.
Der neue Gold-Block
Die Staaten der Euro-Peripherie könnten ihre Wettbewerbsfähigkeit allerdings schnell wiedererlangen, indem sie den Euro verlassen. Nach einer Zeit der Konfusion könnte das Wachstum nach ungefähr einem Jahr schon wieder einsetzen - gerade in Ländern wie Spanien, die schon eine ganze Reihe sehr wichtiger Arbeitsmarktreformen durchsetzen konnten. Aktuell kristallisiert sich ein historischer Präzedenzfall heraus: Krisengeplagte Staaten, die mit robusten Reformen zur Behebung ihrer relativen Wettbewerbsnachteile gezwungen wurden, werden auch weiterhin unter der Last hoher Schulden und einer überbewerteten Währung leiden. Werden aber beide Problemfelder direkt angegangen, kehrt das Wachstum in der Regel recht schnell zurück.
Dem Genörgel zum Trotz hat es in Spanien in der Tat schon echte Reformen gegeben. Verschiedene Euro-Optimisten machen darauf aufmerksam, dass die Lohnstückkosten Spaniens im Vergleich zu Deutschland deutlich gesunken wären - um ganze 6 oder 7 Prozentpunkte. Der Reformprozess als solcher würde also, so behaupten sie, funktionieren; wenn man nur noch ein oder zwei Jahr abwarten könnte, werde Spanien auch wieder komplett wettbewerbsfähig sein.
Ich bin mir da nicht so sicher. Obgleich es in der Tat echte Wirtschaftsreformen gegeben hat, so bin ich doch deutlich weniger hoffnungsfreudig, dass die Krise mithilfe dieser Reformen gebändigt werden kann. Erstens fordern diese Reformen sehr hohe soziale Kosten, und man kann nicht unbedingt davon ausgehen, dass sich die Bürger noch leidensfähiger zeigen werden, als sie es ohnehin schon sind. Zumindest wissen wir jetzt, wie sich die Lohnstückkosten in die Tiefe drücken lassen. Das ist auch relativ einfach. Normalerweise reicht dafür schon eine hohe Arbeitslosenquote.
Spanien hat aber folgendes Problem: Nach harten vier Jahren hoher Arbeitslosigkeit konnte das Land in punkto Wettbewerbsfähigkeit des Arbeitsmarktes nur circa ein Drittel dessen zurückerobern, was es insgesamt zurückerobern müsste; und die tief hängenden Früchte hat Madrid damit schon abgeerntet. So brutal schwierig das alles schon war, es war noch der leichte Teil. Um weitere 10 bis 15 Prozentpunkte bei den Lohnstückkosten zurückzuerobern (und möglicherweise braucht Spanien mehr), müsste das Land weit über die Leidensfähigkeit der Bevölkerung hinausgehen.
Und zweitens sind die Arbeitskosten nur ein Faktor für die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Kapital ist der andere. Und dieser wird am liebsten ganz schnell wieder vergessen. Auch wenn sich eine genaue Gewichtung nur schwer ermitteln lässt, so ist Folgendes feststellen: Die relativen Arbeitskosten in Spanien sind in der Tat gesunken, gleichzeitig sind aber auch die relativen Kapitalkosten im selben Maße gestiegen, möglicherweise sogar deutlich stärker (insofern die Unternehmen überhaupt Kapital bekommen). Am Montag erschien in der Financial Times dazu folgender Artikel:
“Neuen Zahlen zufolge, profitieren die Unternehmen der Euro-Kernzone von der laxen Geldpolitik in Form beispiellos günstiger Kreditzinsen, Unternehmen in der europäischen Randzone haben hingegen weiterhin deutliche Probleme mit der Finanzierung an den Kapitalmärkten. Barclays kommt nach Auswertung der Zahlen der Europäischen Zentralbank zu dem Schluss, dass bislang in erster Linie die Unternehmen im Zentrum der Eurozone vom Versprechen der EZB profitierten, ‘alles erdenklich Mögliche‘ zur Rettung der Eurozone unternehmen zu wollen.