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Märkte geraten vom Regen in die Traufe

25.07.2011  |  Eugen Weinberg
Energie

Am Freitag konnte der WTI-Ölpreis die magsiche Marke von 100 USD je Barrel nicht nachhaltig überwinden. Vielleicht auch deshalb fällt der Preis heute Morgen, obgleich es dafür auch genügend fundamentale Gründe gibt. Denn trotz der libyschen Lieferausfälle scheint die Versorgung der Ölmärkte weitgehend normal zu sein. Ein großes Problem für den Markt könnte allerdings ein möglicher Wegfall der iranischen Ölexporte darstellen, nachdem bekannt wird, dass auch China Zahlungsprobleme an das Land wegen der Sanktionen hat.

Bereits letzte Woche wurde bekannt, dass wegen der Zahlungsverzögerungen Iran die Lieferungen an Indien einstellen wird. Im Falle Chinas dürfte das Problem jedoch noch viel größer sein. Die iranischen Ölexporte nach China sind in diesem Jahr kontinuierlich gestiegen und haben im Juni mit rund 650 Tsd. Barrel pro Tag das höchste Niveau seit Mai 2009 erreicht. Insgesamt sind die Ölimporte Chinas aus dem Iran in der ersten Jahreshälfte um knapp 50% auf 13,5 Mio. Tonnen gestiegen. Damit ist Iran der drittwichtigste Öllieferant Chinas nach Saudi-Arabien und Angola.

Sollten sich die Zahlungsschwierigkeiten nicht bald lösen und der Iran womöglich auch die Lieferungen nach China anhalten, würden China und Indien insgesamt rund 1 Mio. Barrel Rohöl täglich fehlen, ein Ausfall, auf den der Markt derzeit nicht vorbereitet ist. Solche Nachrichten würden den Anlegern weiteren Anlass geben, ihre Ölkäufe zu verstärken. Diese haben ihre Netto-Long-Positionen in der Woche zum 19. Juli auf 171,4 Tsd. Kontrakte erhöht.


Edelmetalle

Wenn man die Entwicklungen an den Finanzmärkten in den letzten Tagen und Wochen zu beschreiben versucht, kommen vor allem Begriffe wie "Unsicherheit", "Krise" oder "Straucheln" in den Sinn. Nicht überraschend also profitiert von der aktuell steigenden Risikoaversion der sichere Hafen schlechthin, nämlich Gold. So lange die Märkte von den globalen Unsicherheiten geprägt werden - jetzt sind das vor allem die drohende Quasi-Pleite der USA und eine mögliche Rating-Herabstufung des Landes - ist ein Anziehen der Gold-Notierungen vorprogrammiert. Heute Morgen im asiatischen Handel ist der Goldpreis bereits auf knapp 1625 USD je Unze gestiegen, wobei der starke Rückgang der Aktienmärkte in Asien dazu beigetragen haben dürfte.

Dass die Finanzanleger verstärkt in Gold flüchten, bestätigen auch die Daten zur Positionierung der Händler an der COMEX. Die Netto-Long-Positionen der Investoren wurden in der Woche zum 19. Juli zum dritten Mal in Folge um 5,6% bzw. 11,2 Tsd. auf mittlerweile 210,3 Tsd. Kontrakte ausgeweitet. Damit liegen sie auf dem höchsten Stand seit Mitte April. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei Silber: Mit 22 Tsd. Kontrakten befinden sich die Netto-Long-Positionen auf dem höchsten Niveau seit Anfang Mai.

Im Gegensatz zu Gold halten wir den jüngsten Preisanstieg bei Silber noch für verfrüht. Denn die Industrie verantwortet weiterhin den Großteil der Silbernachfrage. Damit ist Silber in erster Linie ein Industriemetall und dürfte von einer möglichen Kojunkturabschwächung viel stärker als Gold betroffen sein. In den letzten Wochen wurden allerdings sowohl Silber als auch Platin und Palladium durch den Goldpreis stärker bestimmt als vom Trend der übrigen Industriemetalle.


Industriemetalle

Die Metallpreise stehen heute klar im Schatten der Makro-Indikatoren und kommen gleich von mehreren Seiten unter Druck. Zum einen konnten sich in den USA die Parteien auch am Wochenende nicht auf die Anhebung der Schuldengrenze einigen. Die Stimmung bezüglich des Wirtschaftswachstums in den USA könnte sich auch durch die diese Woche zur Veröffentlichung anstehenden Daten eintrüben, die u.E. Enttäuschungspotenzial bieten. Zum anderen halten offensichtlich die Märkte das letzte Woche in Brüssel beschlossene Hilfspaket für Griechenland nur für reinen Zeitgewinn und sehen die Schuldenprobleme der Eurozone nicht gelöst. Dies sorgt für eine anhaltend hohe Risikoaversion. Außerdem sorgen sich immer mehr Marktteilnehmer augenscheinlich um die Wachstumsperspektiven Chinas.

Ein möglicher Rückgang des Einkaufsmanagerindex fürs Verarbeitende Gewerbe unter 50 - ein Wert unter 50 deutet Konjunkturabschwung an - gepaart mit hohen Inflationsgefahren verheißen nichts Gutes für die chinesische Konjunktur für die kommenden Monate. Heute belasten die Märkte in China außerdem Befürchtungen, dass die Regierung wegen Sicherheitsbedenken nach dem Crash der Hochgeschwindigkeitszüge am Samstag den Ausbau der Infrastruktur verlangsamen wird. Im aktuellen Fünfjahresplan hat die chinesische Regierung zuvor über 430 Mrd. USD für den Ausbau der Schienennetze vorgesehen. Der heutige Rückgang der chinesischen Aktien um 3% trifft daher nicht überraschend konjunkturabhängige Metalle, auch weil China bei Metallen in der Regel über 40% der Weltnachfrage verantwortet.

Der Verlauf der Industriemetallpreise wird vor allem davon abhängen, ob man jetzt den Makro-Faktoren oder den unmittelbaren Angebotsrisiken eine größere Bedeutung beimessen wird. Denn der Streik in der größten Kupfermine der Welt, Escondida in Chile, wird verlängert, was diese Risiken wegen möglicher Ausweitung auf andere chilenische Minen erhöht. Die Anleger hatten ihre Netto-Long-Positionen in der Woche zum 19. Juli auf dem 3-Monatshoch nahezu unverändert belassen. Deren Schließung könnte eine kurzfristige Preiskorrektur beschleunigen.


Agrarrohstoffe

Auch wenn heute bedingt durch die Makro-Risiken die Preise für Getreide und Sojabohnen unter Druck sind, hellt sich die durch die USDA-Prognosen eingetrübte Stimmung der Investoren wieder auf. In den letzten Wochen haben sie bei Mais, Sojabohnen und Weizen die Käufe ausgeweitet und die Leerverkäufe gleichzeitig stark zurückgeführt.

Insbesondere bei Sojabohnen sind die Netto-Long-Positionen der Finanzanleger zuletzt stark gestiegen und liegen in der Nähe der Hochs vom März. Bei Mais ist die Unterstützung der Anleger zwar weniger spektakulär ausgefallen. Dafür billigen wir Mais für die kommende Zeit gute Chancen zu und glauben, dass der Markt vor allem den Importsog Chinas unterschätzt. Einen indirekten Hinweis auf die starke Maisnachfrage in China liefert der Preisvergleich. Während der US-Maispreis seit Mitte Juli rund 15% verloren hat, liegt er in China nahe dem Allzeithoch (Grafik des Tages).

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CFTC Daten: Netto-Long Positionen spekulativer Finanzanleger vs. Preis

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Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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