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Was der IWF zwischen den Zeilen sagt …

17.04.2013  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.47 Uhr) bei 1.3175, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im europäischen Handel bei 1.3029 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 98.35. In der Folge notiert EUR-JPY bei 129.55, während EUR-CHF bei 1.2162 oszilliert.

Was hat der IWF gestern eigentlich zwischen den Zeilen gesagt?

Zunächst wurden die Wachstumsprognosen angepasst. Für die Weltwirtschaft liegt die Prognose per 2013 nun bei 3,3% nach zuvor 3,5%.

Wir nehmen diese Sichtweise zur Kenntnis und teilensie nicht. Auch wir haben mittlerweile (leider) Erfahrungen in Prognoseanpassungen, aber Politik macht Ökonomie bisweilen einen Strich durch die Rechnung. In Prognosen unterstellte Lernkurven der Politik sind bisweilen dann doch nur Hoffnungswerte …

Ohne Frage liegt der IWF richtig, wenn betont wird,dass die Industrieländer als Gruppe weit von gesunden Finanzen entfernt seien.

Die Durchschnittsbetrachtung bringt uns jedoch nicht weiter. Die Unterschiede im Sektor der Industrienationen sind massiv ausgeprägt. Die gilt es, zu thematisieren.

Ohne die Eurozone positiv hervorzuheben (was bedauerlich ist), werden die USA und Japan vom IWF mangels eines Plans zur Defizitreduzierung explizit angesprochen.

Es geht aber nicht nur um einen Plan, sondern es geht um die Realität und die potentielle Zukunft! Um es zu verdeutlichen bedienen wir uns bezüglich der Realität der Fakten:

  • Die Neuverschuldung der Eurozone lag 2012 bei 3% des BIP,
  • während die USA mit circa 8,5% und Japan mit 10% reüssierten.
  • Das strukturelle Defizit (hier Primärhaushalt) lagin der Eurozone bei 0%,
  • während es in den USA bei 6,5% und Japan bei 9% lag.

Man darf die Eurozone auch einmal loben. Während die Haushaltsdefizite der Eurozone primär konjunkturell bedingt sind, sind die Haushaltsdefizite in den USA und Japan struktureller Natur. Das ist sehr viel gefährlicher als konjunkturell bedingte Defizite. Es ist der Unterschied zwischen Krebs und Grippe.

Wenn man wirkliche Reformen umsetzt, geht das temporär zu Lasten des Wachstums. Der IWF sorgt sich um die Konjunkturlage der Eurozone. Das ist auf ersten Blick verständlich. Mit diesem Konjunkturproblem im Rahmen der Anpassung der Strukturen ist die Eurozone konfrontiert. Es gilt aber zu beachten, dass Reformen Zukunftsfähigkeit schaffen, während durch Reformunfähigkeit Zukunft verspielt wird! Ergo liegt auch hier trotzaktueller Konjunkturprobleme Europa vor den Wirtschaftsräumen USA und Japan.

Die umgesetzten Reformen in den Problemländern der Eurozone sind vielschichtig.

  • Es gibt einen fiskalischen Teil, der Defizit reduzierende Wirkungen zeigt, aber binnenwirtschaftliche Nachfrage dämpft (z.B. Steuererhöhung).

  • Die Wirtschaftsreformen erhöhen mittel- und langfristig den Wachstumspfad. Die Anpassungen wirken aber auch hier über Lohnkürzungen und Abbau unproduktiver Strukturen kurzfristig belastend.

  • Die Straffung der Administration mit Beschäftigungsreduzierung ist temporär binnenwirtschaftlich negativ und erhöht mittelfristig die Effizienz und damit die Standortattraktivität.

Die erhöhte Attraktivität der Standorte bezüglich strukturell sanierter Haushalte, Effizienz der Administration und verringerter Kostenbasis in der Wirtschaft führt mittel- und langfristig zu einem stärkeren Wachstum, das durch Nachhaltigkeit besticht. Dieser Zusammenhang fehlt vollständig bei der Erörterung des IWF. Er ist jedoch elementar, wenn es um die nachhaltige Zukunftsfähigkeit geht.

Hier ist der qualitative Unterschied zu USA und Japan massiv ausgeprägt. Damit haben wir unseren Auftrag, zwischen den Zeilen zu lesen, erfüllt. Zwischen den Zeilen stand viel Lob für die Eurozone, leider nur zwischen den Zeilen …

Die Nachrichtenlage aus der Eurozone ist freundlicherfrischend. Spanien und Italien erfreuen sich hoher Beliebtheit an den Rentenmärkten. Deutschlandprojiziert den öffentlichen Schuldenstand per 2017 auf 69% des BIP bei moderaten Wachstumsannahmen.

Wir freuen uns auch sehr über die Einlassungen der KfW zu einem Zerfall/Scheitern der Eurozone.

Der O-Ton lautet: "Aufgrund der Zweit- und Drittrundeneffekte würden wir an die Grenzen unserer Risikotragfähigkeit geführt", warnte Loewen. "Die europäische Finanzindustrie könnte ein solches Szenario in der Summe nicht tragen."

Es ist erstaunlich, was bei deutschen Parteigründungen alles geredet wird. Der Weg zurück zur DM ist anscheinend populär und sichert gute Plätze in deutschen TV-Talkshows. Es ist erstaunlich, was deutsche Professoren so alles der Öffentlichkeit feil bieten. Es gibt aber auch das Gesetz der ungewollten Konsequenzen - wer heute politischen Seelenfängern nachläuft, mag sich morgen fragen, obdie wirtschaftlichen Strukturen, die ihn täglich tragen, dann noch Bestand haben würden. "Food for thought!“

Damit wenden wir uns den gestern veröffentlichten Wirtschaftsdaten zu:

Der deutsche ZEW-Sentiment Index enttäuschte per April mit einem Rückgang von zuvor 48,5 auf 36,3 Punkte. Die Prognose lag bei 42,0 Zählern. Auch der Index, der die Einschätzung der aktuellen Lage wiedergibt, verlor von 13,6 auf 9,2 Punkte (Prognose 12,0).

Das Indexniveau ist jedoch kein Beinbruch. Der Sentimentindex markiert den dritthöchsten Wert der letzten beiden Jahre.

Zypern hat halt einen Preis liebe politische Elite der Eurozone.

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Die Verbraucherpreise der Eurozone nahmen laut finaler Berechnung per März im Jahresvergleich um 1,7% nach zuvor 1,8% zu. Der Einbruch der Rohstoffpreise per April wird hier voraussichtlich weiter Entspannung liefern.

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Die Verbraucherpreise der USA sanken per März im Monatsvergleich um -0,2% (Prognose 0,0%). Im Jahresvergleich stellte sich ein Anstieg um 1,5%nach 2,0% ein. Die Prognose lag bei 1,6%.

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Die US-Neubaubeginne legten nennenswert und stärkerals erwartet um 7% auf annualisiert 1.036.000 nach 968.000 (revidiert von 917.00) Objekte zu. Das Volumen überstieg damit erstmalig seit Mitte 2008 das Niveau von 1 Mio. Objekte. Baugenehmigungen sanken dagegen von 939.000 auf 902.000.

Der Blick auf den langfristigen Chart verdeutlicht einerseits die positive Tendenz (durch Subvention getragen) als auch andererseits die Tatsache, dass man sich jetzt dem unteren Ende des historisch gültigen Trendkanals nähert.

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Die US-Industrieproduktion setzte positive Akzente.Per März ergab sich eine Zunahme um 0,4% (Prognose 0,2%). Mehr noch wurde der Vormonatswert von +0,8% auf +1,1% revidiert. Die Kapazitätsauslastung legte von 78,3% auf 78,5% zu.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den EUR gegenüber dem USD favorisiert. Ein nachhaltiges Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.2950 - 80 neutralisiert den aktuellen Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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