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Politik und Kapital

16.08.2011  |  Robert Rethfeld
Würden die reichsten Bundesbürger zwei Drittel ihres Vermögens an den Staat "spenden", ohne die Spenden beim Finanzamt abzusetzen, so wäre Deutschland schuldenfrei. Die Rechnung geht so: Einer öffentlichen Verschuldung von 2 Billionen Euro steht ein Gesamtsparvermögen der Bundesbürger von knapp 5 Billionen Euro gegenüber. Während die öffentliche Verschuldung gleichmäßig auf die Bundesbürger verteilt ist (etwa 24.000 Euro pro Kopf), ist die Vermögensverteilung asymmetrisch. Das oberste 10%-Dezil der Bundesbürger hält ein Vermögen von 61,1% (2007) des Gesamtvermögens. Das entspricht etwa 3 Billionen Euro. Zwei Drittel von 3 Billionen Euro entsprechen der aktuellen Verschuldung von 2 Billionen Euro.

So verlockend diese Rechnung für manche klingen mag: Sie berücksichtigt weder die Auswirkungen auf Investitionen und Konsum sowie die Möglichkeit, sein Geld außerhalb Deutschlands anlegen zu können. Aber es ist klar, dass solche Zahlenspiele - wie sie von einigen Wirtschaftswissenschaftlern gern genannt werden - in bestimmten politischen Kreisen einen Resonanzboden entwickeln.

Die Politik kennt im Bezug auf Finanzpolitik zwei Strömungen: Links und rechts, oder auch: Sozial und konservativ. Bei vielen jüngeren Menschen schlägt das Herz eher links (Grund: viel Empathie, wenig Vermögen), während mit zunehmenden Alter und Vermögensaufbau konservative Ansichten in den Vordergrund rücken. Der Wunsch nach Flachbildschirmen scheint in Teilen der britischen Jugend fest verankert zu sein. Man nimmt sich das Recht, zu besitzen, was man sich nicht leisten kann. Hier findet eine Umverteilung statt - ein integraler Bestandteil einer Revolte oder Revolution.

Von der Gleichheit - einem Ideal der französischen Revolution - ist Deutschland weit entfernt. Großbritannien und die USA sind es noch viel mehr. Nicht zufällig hat dort die Finanzindustrie eine größere Bedeutung als in Deutschland. Der Beitrag der Finanzindustrie zum BIP ist überproportional hoch, gemessen an den Arbeitsplätzen. In der Schweiz existiert eine Diskussion, wonach davor gewarnt wird, die hohen BIP-Beiträge der Schweizer Finanzindustrie für voll zu nehmen, da - gemessen am BIP - in der Finanzindustrie im Verhältnis zur Realindustrie nur wenig Arbeitsplätze existieren. Die Spitze der Verdiener findet man hauptsächlich in der Finanzindustrie, das ist in Deutschland - dank der Stärke der Realindustrie - anders.

Die Politik ist stets stärker als das Kapital, sie kann Gesetze erlassen. Der Vorteil des Kapitals ist bisher, dass die Politik im Bezug auf die Finanzkrise über wenig fundiertes Fachwissen verfügt. Man befrage mal einen durchschnittlichen Bundestagsabgeordneten zur Finanzkrise.

In der Politik sitzen Volksvertreter. Wie der Name schon sagt, vertreten sie die Stimme des Volkes. Man fragt in der Politik stets, ob man das, was man tut, dem Volk auch verkaufen kann. Wenn die Schmerzen der Abgeordneten in ihren Wahlkreisen ob einer Entscheidung zu groß werden, lässt man es.

Deutschland wird derzeit von vielen Staaten als wirtschaftliches Vorbild beneidet. Auch die USA setzen alles daran, Ihre Wirtschaft so zu strukturieren, dass deutsche Exporterfolge kopiert werden können. Aber sie verfügen weder über das geeignete Ausbildungssystem noch über entsprechende gewachsene Strukturen.

Die überproportionalen Verluste des DAX an den Aktienmärkten sollten als das wahr genommen werden, was sie sind: Als Warnsignal. Der DAX ist ein Optionsschein auf die Weltwirtschaft. Schwächt sich das Wachstum der Weltwirtschaft ab, verliert der DAX überproportional. Arbeitslosigkeit ist - gemäß der offiziellen Statistik - in Deutschland derzeit kein Thema. Dies dürfte sich jedoch ändern. Der Zusammenhang zwischen Jugendarbeitslosigkeit und revolutionärem Potential ist bekannt. Man kann die Unruhen der 1930er Jahre im Gefolge des Crashes von 1929 klar mit dem damaligen Anstieg der Arbeitslosenquoten in Zusammenhang bringen, ob in den USA, in Großbritannien oder in Deutschland.




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