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Preiserholung auf wackeligen Beinen

16.08.2011  |  Eugen Weinberg
Energie

Weiterhin sind es weniger die Fundamentalfaktoren als vielmehr die externen Faktoren, die das Geschehen am Ölmarkt bestimmen. Gestern Nachmittag war es ein deutlich schwächerer US-Dollar, der dem Ölpreis Auftrieb gab: Brentöl verteuerte sich zwischenzeitlich um 2 USD je Barrel auf knapp 110 USD je Barrel, gibt heute Morgen aber wieder leicht nach. WTI notiert bei 87 USD je Barrel.

Anders als an der amerikanischen NYMEX zeigten die von der europäischen ICE veröffentlichten Daten gestern, dass die spekulativen Finanzanleger in der Woche zum 9. August ihr Engagement deutlich reduziert haben: Die Netto-Long-Positionen bei Brent sind um 45% auf gut 50 Tsd. Kontrakte zurückgegangen und dürften damit die Preiskorrektur am Ölmarkt verstärkt haben. Die Rückkehr der Skeptiker an den Markt dürfte entsprechend die jüngste Preiserholung unterstützt haben.

Doch auch wenn die Fundamentalfaktoren derzeit etwas hinten anstehen, können die Marktteilnehmer nicht auf Dauer die Verschlechterung des fundamentalen Umfelds ignorieren: Selbst im erfolgsverwöhnten Deutschland enttäuschten die Wachstumszahlen zuletzt mit einer Quasi-Stagnation der gesamtwirtschaftlichen Leistung im zweiten Quartal. Vor allem aber die schwache Ölnachfrage im wichtigsten Verbrauchsland USA und die sich in den jüngsten Daten zu den Rohöleinfuhren andeutende schwächere Verbrauchsdynamik in China bleiben Belastungsfaktoren. Wir sehen den Brentölpreis deshalb in der zweiten Jahreshälfte wieder Richtung 100 USD je Barrel fallen.


Edelmetalle

Der Goldpreis profitierte im Vergleich zu den anderen Rohstoffen gestern nur unterproportional vom schwachen US-Dollar und legte erst gegen Ende des Handelstages moderat zu. In Euro gerechnet fiel der Preis zwischenzeitlich fast auf 1.200 EUR je Feinunze. Dies dürfte der Aufhellung der Stimmung an den Finanzmärkten geschuldet sein, da zugleich die Aktienmärkte ihren Aufwärtstrend fortsetzten.

Einige Marktteilnehmer dürften die jüngste Preiskorrektur - Gold handelte zwischenzeitlich mehr als 80 USD unter seinem Allzeithoch - jedoch bereits als attraktive Kaufgelegenheit betrachtet haben. Da Preisrückschläge auch zukünftig zu neuen Käufen ausgenutzt werden könnten, gehen wir davon aus, dass der Goldpreis auf dem aktuellen Niveau gut unterstützt ist. Zudem dürfte Gold als sicherer Hafen auch aus anderen Gründen weiter nachgefragt bleiben. So kam es beispielsweise im zweiten Quartal nach Frankreich nun auch zu einer Quasi-Stagnation der Wirtschaft in Deutschland.

Darüber hinaus geben Meldungen im Zusammenhang mit der Schuldenkrise in den Euro-Peripherieländern Anlass zur Beunruhigung. So hat die Europäische Zentralbank in der Woche zum 9. August Staatsanleihen von Peripherieländern im Wert von 22 Mrd. Euro aufgekauft - deutlich mehr, als von Marktbeobachtern erwartet. Offensichtlich ist der Verkaufsdruck seitens der Anleger so groß, dass ein derart hohes Kaufvolumen nötig war.


Industriemetalle

Der Zinnpreis hat sich von seinem 11-Monatstief letzte Woche mittlerweile deutlich erholt und ist seitdem um 13% auf gut 24.600 USD je Tonne gestiegen. Neben der allgemeinen Aufhellung der Stimmung an den Finanzmärkten trugen auch Sorgen über neue Angebotsengpässe zum starken Preisanstieg bei. So hat die indonesische Regierung laut Aussagen eines Vertreters des Handelsministeriums beschlossen, Lizenzgebühren auf alle Zinnexporte einzuführen und nur noch die Ausfuhr von raffiniertem Zinn zuzulassen.

Indonesien ist der weltweit größte Zinnexporteur und hat im letzten Jahr mehr als 92 Tsd. Tonnen ausgeführt. Dass nur noch die Ausfuhr von raffiniertem Zinn erlaubt ist, bedeutet auch, dass einige lokale Zinnproduzenten, die bislang Zinnerze mit geringerer Qualität abgebaut haben, diese nun kostenintensiv aufbereiten müssen. Dies könnte zur Schließung von Produktionsanlagen führen, die damit unrentabel würden. Darüber hinaus geht die indonesische Regierung erneut erfolgreich gegen den illegalen Minenabbau im Land vor. Wir sehen beim Zinnpreis weiteres Aufwärtspotenzial.

Laut Angaben des Verbands der chinesischen Eisen- und Stahlindustrie wird die inländische Stahlnachfrage aufgrund des Hausbauprogramms und des Ausbaus der Infrastruktur weiter hoch bleiben. Dies spiegelt sich auch in sinkenden Lagerbeständen wider, die im Juli den fünften Monat in Folge auf 13,9 Mio. Tonnen fielen. Die Stahlpreise dürften daher gut unterstützt sein.


Agrarrohstoffe

Laut USDA bleibt es dabei, dass weniger Mais- und Sojapflanzen in gutem oder sehr gutem Zustand sind als im Vorjahr (Mais: 60% vs. 69%, Sojabohnen: 61% vs. 66%). Allerdings war die Pflanzenqualität in 2010 auch überdurchschnittlich gut. Bei Baumwolle drückt die dürrebedingt katastrophale Lage in Texas und Oklahoma die landesweiten Bewertungen stark nach unten (31% vs. 62%).

Weizen konnte zuletzt davon profitieren, dass sich auch für US-Weizen am internationalen Markt Nachfrage findet: Saudi-Arabien hat größeren Mengen geordert und damit die Sorge vor der russischen Konkurrenz etwas abgeschwächt. Preisstützend wirkt auch die Trockenheit in den südlichen Teilen der Great Plains, darunter auch dem größten Weizenstaat Kansas. Hält sie an, könnte bei der Neuaussaat von Winterweizen nur eine geringere Fläche als unter günstigerer Witterung bebaut werden, was die zu erwartende Ernte des nächsten Jahres belasten würde.

Bei der aktuellen deutschen Ernte bestätigen sich die Befürchtungen, dass die Trockenheit im Frühsommer die Erträge nachhaltig gedrückt hat und das erntereife Getreide nun durch die starken Regenfälle v.a. im Norden des Landes in der Qualität beeinträchtigt wird. Nach 23,8 Mio. Tonnen Weizen 2010 dürften nach Einschätzung des Raiffeisen-Verbandes in diesem Jahr nur 22 Mio. (-7,5%) Tonnen geerntet werden. Bei Raps wird der Einbruch gar auf 29,6% geschätzt.

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Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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