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Markteffizienztheorie auf dem Prüfstand - EU-Kommission hat gesprochen

30.05.2013  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.46) bei 1.2975, nachdemim Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im europäischen Handel bei 1.2839 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 100.75 In der Folge notiert EUR-JPY bei130.70 während EUR-CHF bei 1.2428 oszilliert.

Wir sehen uns gezwungen, einmal mehr den Begriff Markteffizienztheorie zu diskutieren. Nachdem am Dienstag Risikofreude vor dem Hintergrund positiver Daten dominierte, ergaben sich gestern dank der guten Konjunkturdaten Befürchtungen, dass die USA aus der Interventionspolitik aussteigen könnten. Das förderte die Risikoaversionlaut Marktberichten.

Dabei lieferten die überwiegend negativen Wachstumsanpassungen der OECD und auch des IWF keinen Vorschub für derartige Befürchtungen, ganz im Gegenteil.

Mehr noch stellen wir "erstaunt“ fest, dass der Forex Report nicht im erforderlichen Maße gelesen und verinnerlicht wird.

Wir haben vor einigen Tagen sachlich deutlich gemacht, dass ein abrupter und nachhaltiger Ausstieg aus der US-Interventionspolitik, die derzeit circa ein Volumen von 12,5% des BIP pro Jahr hat, nichts anderes als einen massiven Unfall der US-Konjunktur zur Folge hätte und von daher illusorisch ist. Die Wirtschaft in den USA ist ein Interventionsjunkie mit Top-Marketing (im Gegensatz zu der Eurozone bezüglich Intervention als auch Marketing, siehe FX-Report vom 29.5.).

Fed Präsident Rosengren hat sich zu Wort gemeldet.

Minneapolis, 29. Mai (Reuters) - Die Erholung von Arbeitsmarkt und Wirtschaft in den USA könnte der Notenbank Fed nach Ansicht eines ranghohen Vertreters schon bald eine schrittweise Drosselung der Anleihekäufe erlauben.

Da ist es wieder, das Ausstiegsphantom. Nettes Marketing, es vermittelt Ernsthaftigkeit, Sorge und Seriosität. "So far - so good!.“

Seit Alan Greenspans LTCM Intervention 1998 hat es nie wirkliche Stabilitätspolitik der US-Zentralbank gegeben, sondern latent „Zucker“ für die Sonnyboys und „Kosmetik“ für die Sunnygirls. Sorry liebe Fed, der Trackrecord ist nicht ansatzweise stimmig, um diesen Verlautbarungen den Ernst zukommen zu lassen, der wohl erwünscht ist.

Bereits jetzt aus dem Programm auszusteigen, sei verfrüht, sagte der Präsident der Fed von Boston, Eric Rosengren, am Mittwoch laut Redetext beim Wirtschaftsclub von Minnesota. Hier wird aus "heißer Suppe“ "kalte Brühe“. Das Spiel mit dem Ausstieg ist der Schlüssel, USD und US-Finanzmärkte verbal attraktiv zu gestalten, während eine Politik des "Printing“ sportlich fortgesetzt wird.

Es sei aber durchaus sinnvoll, über einen schrittweisen Ausstieg nachzudenken, sollten sich Arbeitsmarkt und Wirtschaft in den nächsten Monatenweiter erholen.

Aha, wir bemühen den Konjunktiv. Es kommt auf keinen Fall zu einem abrupten Richtungswechsel. Mehr noch, es wird in den USA überhaupt nicht erwogen, die Überschussliquidität zu reduzieren, sondern nicht mehr im jetzigen Umfang irgendwann einmal weniger Zusatzliquidität zu schaffen, während Japan beginnt, 60 Mrd. USD monatlich aus der Luft zu kreieren. Anders ausgedrückt, während die Überschussliquidität durch das Konzert Washington und Tokio massiv ausgeweitet wird, dominiert eine Phantomdebatte über einen Ausstieg der USA und damit potentiellem Liquiditätsmangel.

Es ist nicht in Ansätzen erkennbar, dass die in denUSA und in Japan geschaffene Überschussliquidität abgeschöpft wird.

Vor diesem Hintergrund ist das Marktverhalten nichtnur unsachlich und fundamental nicht untermauert, es ist schlicht weg und ergreifend absurd.

Noch ein Aspekt ist von Tragweite. Liquidität für sich ist aussagelos. Sollte die Risikoaversion sinken und die Weltwirtschaft wirklich anspringen, nähme die Umlaufgeschwindigkeit zu, die es zwingend erforderlich machen würde, den Liquiditätsmantel einzuengen, um Inflation und Blasenbildung zu verhindern.

Anders ausgedrückt: Liquiditätsreduzierung bei steigender Umlaufgeschwindigkeit ist kein Hemmschuh, sondern schafft die Basis für die Nachhaltigkeit des Aufschwungs. Offensichtlich fehlt einigen Danen und Herren am Markt monetäres Verständnis! Das gilt natürlich nicht für die Eurozone. Die EZB kauft nicht nur keine Anleihen, sondern die Überschussliquidität wird sukzessive reduziert.

Dieser Unterschied der zentralbankpolitischen Ansätze ist massiv und findet kaum sachliche Diskontierung. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich …und diskutiert den Begriff "professionelles Marketing“. Mehr noch wird die EZB aus Deutschland für ihre Politik latent attackiert. Wir diskutieren intern den Begriff "Fassungslosigkeit“.

Ergo, wären Märkte effizient, hätte die gestrigen Kursbewegungen (u.a. Aktien und Rohstoffe) gar nicht stattfinden können. Wir nehmen die Kursrealität zur Kenntnis …

Warum sind Märkte ineffizient? Wir in Bremen unterstellen, dass die Markteffizienztheorie nur dann in Ansätzen funktioniert, wenn die Marktgegebenheiten zumindest in wesentlichen Ansätzen (u.a. Polypol, freier Markt, keine Intervention, wirkliche und nicht vermeintliche Transparenz) den Anforderungen des perfekten Marktes entsprechen. Ansonsten ergäbe sich ein unheilvolles Manipulationspotential in den Händen weniger Akteure.

Wir diskutieren intern über Finanzkonglomerate, dievorgeben Banken zu sein und in wesentlichen Bestandteilen doch nur Broker sind und die eine extreme Nähe zum politischen Establishment des Westens (grundsätzlich nicht Berlin, Frankfurt, Brüssel, Paris und Bremen) haben.

Die Komturen der inhaltlichen Neuausrichtung der EU-Krisenpolitik werden deutlich. Die Reformpolitik wird ohne wenn und aber fortgesetzt. Das ist fraglos richtig. Zeitliche Streckungen machen den Prozess verträglicher für die Konjunkturin den jeweiligen Ländern, um den Konsens pro Euro und pro Eurozone nicht weiter zu gefährden.

(Reuters) - Mehrere hochverschuldete EU-Staaten sollen nach Empfehlung der Kommission in Brüssel mehr Zeit zum Defizitabbau bekommen. Zugleich müssen die Regierungen die Atempause beim Sparen aber zu tiefgreifenden Reformen nutzen.Die EU-Behörde schlug am Mittwoch vor, unter anderem Frankreich und Spanien zwei Jahre mehr Zeit zu geben, um die Neuverschuldung unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu senken. Frankreich muss die Obergrenze damit erst 2015 und Spanien 2016 einhalten. Die Vorschläge sind Teil der Empfehlungen der EU-Kommission an alle 27 EU-Staaten zur Haushaltspolitik und zu Reformen.

Die EU-Staaten hatten zur Abwehr der Schuldenkrise im Euro-Raum eine engere Abstimmung der Finanz- und Wirtschaftspolitik mit stärkerem Einfluss der Kommission beschlossen. Wegen der Rezession und der hohen Arbeitslosigkeit in vielen Ländern will die EU das Tempo beim Abbau der Staatsverschuldung etwas drosseln. Die Länder sollen jedoch Struktur-Reformen am Arbeitsmarkt, bei Rentensystemen und in einzelnen, bisher stark vom Wettbewerb abgeschotteten Branchen durchsetzen, um das Wachstum anzukurbeln.

Wir halten die Neuausrichtung für geboten. Die bisherigen Strukturanpassungen können nur bei einem stabilen ökonomischen Körper die gewünschten fiskalischen Erfolge aufweisen.

Der deutsche Arbeitsmarktbericht konnte per Mai in der saisonal bereinigten Fassung nicht überzeugen. Im Konsensus erwartete der Markt eine Zunahme der Arbeitslosigkeit um 5.000. Tatsächlich ergab sich ein Anstieg um 21.000. Die Quote verharrte bei 6,9%.

In der nicht saisonal bereinigten Fassung sank die Arbeitslosenquote von 7,1% auf 6,8% und die Arbeitslosenzahl von 3.020.000 auf 2.937.000.

Der Blick auf den Chart (Anzahl der Arbeitslosen inder saisonal bereinigten Fassung) verdeutlicht, dass das Krisenmanagement der Eurozone tendenziell seit Anfang 2012 leichte Bremsspuren am deutschen Arbeitsmarkt hinterlassen hat.

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Das Wachstum der Geldmenge M-3 der Eurozone stelltesich per März auf 3,2% (Prognose 2,9%) nach zuvor 2,6%. So erfreulich diese Tendenz bezüglich abnehmender Deflationssignale als auch potentieller Konjunktursignale ist, so ernüchternd bleibt die Tendenz der Kreditvergabe an den Privatsektor mit einem Rückgang im Jahresvergleich um -0,9% (Prognose -0,7%) nach zuvor -0,7% (revidiert von -0,8%). Hier wird deutlich, wie notwendig verbesserte Funktionalitäten im Bankensektor der Reformländer sind (via EIB oder ABS).

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[center]Chart: Kreditvergabe an Privatsektor
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Chart: Geldmenge M-3


Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Ein nachhaltiger Ausbruch aus der Bandbreite 1.2750 - 1.3250 eröffnet neue Opportunitäten.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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