Bedrohen die langfristigen Zinssätze Gold?
12.07.2013 | Adam Hamilton
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Dieser Chart frustriert mich. Ein erfahrener Analyst an der Wall Street würde etwa eine Minute brauchen, um Gold auf Zinssätze langfristiger US-Staatsanleihen zu überlagern und etwa 5 Minuten, um das daraus entstehende Diagramm aufzulösen. Dieses Zeug ist ein Kinderspiel für ehrliche Beobachter des Marktes. Und doch weigern sich Analysten an der Wall Street, dies zu untersuchen. Sie wiederholen ständig ihren abgedroschenen Spruch, wonach steigende Anleiheerträge Gold schaden, ob es sich durch die Geschichte so aufgezeigt hat oder nicht.Ende letzten Monats sind die Renditen der zehnjährigen US-Staatsanleihen tatsächlich so schnell wie noch nie auf 2,6% hochgeschossen. Und das war in der Tat viel höher als ihr Allzeitrekordtief von knapp über 1,4% im Juli 2012. Und ja, nach durchschnittlich nur 1,8% im Jahr 2012 sind 2,5% und mehr auf zehnjährige US-Staatsanleihen hoch im Vergleich zur jüngsten Vergangenheit. Daraus folgen schon jetzt verheerende Auswirkungen auf andere Märkte, unter anderem auch auf den Hypothekenmarkt, der für das Beschäftigungswachstum in den USA entscheidend ist.
Aber die jüngsten super-niedrigen Renditen der US-Staatsanleihen sind ein neues Phänomen, das durch die völlig beispiellosen QE-Kampagnen der Fed verursacht wurde. Was mittlerweile als QE1 bekannt ist, hat Ende 2008 angefangen. Anfang 2009 begann die Fed, US-Staatsanleihen zu kaufen. Dies ging so in QE2 und jetzt in QE3 weiter. Diese ganze künstliche Nachfrage hat die Preise der US-Staatsanleihen angetrieben, während deren Renditen sanken. Davor wurden fast die gesamten Gewinne des säkularen Gold-Bullenmarktes bei wesentlich höheren Renditen erzielt.
Nach seiner heimlichen Geburt in den Tiefen des verzweifelten säkularen Bärenmarktes im April 2001 erreichte Gold über 5 Jahre später im Mai 2006 seinen ersten großen Höhepunkt. In dieser 5-jährigen Zeitspanne verdreifachte sich das Metall fast mit einem 180,6%igen Gewinn. Und in dieser Zeit lag die durchschnittliche Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen bei über 4,4%! Wenn langfristige Zinserträge, die wesentlich höher als in der jüngsten Geschichte sind, Anleger davon abhalten Gold zu kaufen, hätte es in den frühen 2000ern nie steigen können.
In den ersten sieben Jahren des säkularen Goldbullenmarkts, der im März 2008 seinen (vorläufigen) Höhepunkt erreichte, vervierfachte sich der Wert des Metalls mit einem 291%igen Gewinn. Allerdings kamen während dieser gesamten Zeitspanne zehnjährige US-Staatsanleihen auf eine durchschnittliche Rendite von 4,5%. Die Goldinvestitionsnachfrage war offensichtlich ziemlich unabhängig von Renditen der Anleihen. Goldanleger kauften Gold auf der Suche nach Kapitalgewinnen in einem säkularen Bullenmarkt, während Anleiheinvestoren auf der Suche nach stetig wiederkehrenden Zinserträgen Anleihen kauften.
Im Dezember 2009 war der säkulare Gold-“Bulle“ nun schon 9 Jahre lang nach oben gerast und hatte es irgendwie geschafft, durch eine Jahrhundert-Aktienpanik hindurch 373,5% in einer säkularen Zeitspanne zu gewinnen, in welcher die durchschnittliche Rendite zehnjähriger US-Anleihen bei 4,3% lag. Wie alles andere in den globalen Finanzmärkten auch, führte diese unvorstellbare Welle der Angst zu einem wilden Schlingerkurs bei den Preisen und Renditen der US-Staatsanleihen, welche die von 2013 in den Schatten stellt.
Und wenn die Analysten an der Wall Street Recht haben, dass steigende langfristige Zinssätze für Gold eine Baisse bedeuten, müssten doch fallende langfristige Zinssätze für Gold eine Hausse bedeuten, oder? Wenn die Renditen tief genug fallen, sollten Anleiheinvestoren so dermaßen entmutigt sein, dass sie die Anleihen zum Teufel jagen und ihr Kapital auf Gold umschichten. Die extreme Volatilität der Aktienpanik bei zehnjährigen US-Staatsanleihen stellt ein großes Experiment dar, anhand dessen man diese beliebte Vorstellung einer Baisse testen kann. Die Geschichte zeigt, dass diese einfach falsch ist.
Zwischen Oktober und Dezember 2008, als die Angst Höhen jenseits von Gut und Böse erreichte, stürzten sich Investoren auf Anleihen, dass es nur so krachte. Das drückte die Renditen der zehnjährigen US-Staatsanleihen innerhalb von nur ein paar Monaten um 49% von 4,1% auf 2,1% herunter! Jetzt hätten sich die Anleiheinvestoren nach der Wall Street-Theorie bei einem Sturz des Zinssatzes in solch düstere Allzeitrekordtiefen in Gold flüchten müssen. Und doch hat der Goldpreis in diesem beispiellosen Zeitraum nur um 2,2% angezogen.
Und als sich zwischen Dezember 2008 und Juni 2009 die globalen Finanzmärkte dann stabilisierten, verkauften die Investoren aggressiv ihre Anleihen, was die zehnjährigen Rendite innerhalb von knapp sechs Monaten um 91% auf 4,0% hochtrieb. Mann, wer würde bei phänomenalen 4% Zinsen auf „risikolose“ Schuldpapiere der US-Regierung noch Gold besitzen wollen? Es wirft doch nichts, null, niente ab und muss also wertlos sein. Und doch zog das Metall während des Zeitraums dieses großen Renditeanstiegs um 11,6% an!
Der Goldpreis stieg danach noch viel weiter, während die hochinflationären Käufe von US-Staatsanleihen durch die Fed die Anleiherenditen künstlich nach unten zwangen. Aber über die gesamte 10,4-jährige Zeitspanne des säkularen Gold-“Bullen“ bis zu seinem letzten Zwischenhoch im August 2011 stieg der Preis des Metalls um 638,2% und das zu einer Zeit, als die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen bei durchschnittlich 4,1% lag. Folglich trat der ganze säkulare Gold-“Bulle“ in einer Zeit auf, als zehnjährige US-Anleiherenditen um zwei Drittel höher lagen als heute!
Die Vorstellung an der Wall Street, wonach höhere Anleiherenditen die Goldinvestitionsnachfrage abschwächen und die ich wahrscheinlich schon hundert Mal auf CNBC in den letzten paar Monaten gesehen habe, ist ein fadenscheiniges, vom Wesentlichen ablenkendes Argument. Es klingt oberflächlich betrachtet logisch, ist aber einfach unwahr. Steigende langfristige Zinsen waren für Gold während seines letzten säkularen Bullenmarktes keine Bedrohung und waren es auch nicht in diesem. Ein weiteres treffendes Beispiel geht aus dem Chart weiter oben ganz klar hervor.