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"Märkte" an Brüssel: Hebel her oder wir fallen um!

21.10.2011  |  Klaus Singer
Die "Märkte" sind geprägt vom auf und ab der Gerüchte: EFSF-Hebel hoch - Aktien steigen; Hebel runter - Aktien fallen. Vor dem angeblich alles entscheidenden EU-Gipfel am Sonntag wird auf jedes noch so kleine Gerücht reagiert.

Roubini fällt in den Chor "Hebel, Hebel über alles" ein: "Der Rettungsschirm ist schon jetzt viel zu klein. Die 440 Milliarden reichen höchstens bis Ende des Jahres", sagte er. Die EFSF müsse auf mindestens zwei Billionen Euro erweitert werden, um eine "Brandmauer" um Spanien und Italien ziehen. Beide Länder hätten bereits große Zahlungsprobleme. "Spätestens zum G-20 Gipfel Anfang November muss die Ausweitung des Rettungsschirmes stehen," fordert er. Anderenfalls droht ein globaler Crash der Finanzmärkte und eine globale Depression (siehe im Blog).

Die Einlassung von Roubini blendet die politische Dimension aus. Bei Fortbestehen der finanzpolitischen Unabhängigkeit innerhalb der Eurozone führt seine Forderung dazu, dass der deutsche Steuerzahler zum Bürgen Europas wird ohne die Möglichkeit, das Geschehen wirklich steuern zu können. Wie es bei einem Bürgen so ist, er steht für alle Abenteuer dessen gerade, für den er bürgt. Einem außereuropäischen Beobachter mag das egal sein, Hauptsache, die globalen Märkte werden noch einmal dahingeschaukelt.

Das, worauf die G20 drängen, läuft auf das Gleiche hinaus.

Mit einem EFSF-Hebel wird Zeit erkauft, ja. Dass die Zeit aber sinnvoll genutzt wird, ist angesichts der bisher vertanenen Zeit unwahrscheinlich. Ich sehe nicht, aus welchem Grund die Politbürokratie in Brüssel und anderswo jetzt plötzlich vom Getriebenen zum Treiber des Geschehens werden soll.

Vor Kurzem erst wurde (vor der nationalen Absegnung der erweiterten EFSF) heftig dementiert, dass es eine Hebelung geben könnte. Ich hatte aber bereits damals gemutmaßt, dass es genauso kommt. Und "wenn es ernst wird, muss man lügen"-Juncker spricht mittlerweile von einem Schuldenschnitt Griechenlands von 60 bis 70 Prozent. Es ist noch nicht lange her, da hat er jeglichen Schuldenschnitt ausgeschlossen.

Es ist noch nicht lange her, da hatte ein Stresstest des europäischen Bankensystems keine besonderen Risiken aufgedeckt. Jetzt wird davon gesprochen, dass die europäischen Banken je nach Lesart zwischen knapp 100 und weit über 200 Mrd. Euro unterkapitalisiert sind. Wie geht so etwas?

Die europäische Politik läuft dem Geschehen stets hinterher. Auch Altbundeskanzler Helmut Schmidt kritisierte jetzt deren Inkompetenz und Unentschlossenheit in der Schuldenkrise heftig. Das soll sich mit einem EFSF-Hebel plötzlich alles ändern? Für mich läuft die Hebelei bei dieser politischen Führung auf extrem steigendes Risiko hinaus.

Etwas aktuell Lustiges, was aber die ganze "Denke" in Brüssel schön beleuchtet: Da wird doch jetzt darüber nachgedacht, Ratingagenturen künftig notfalls "vorübergehend zu untersagen", Urteile über kriselnde EU-Länder zu veröffentlichen. Manchmal liegen Tragik und Komik dicht beieinander, manchmal fällt beides auch mit Schwachsinn zusammen.

Die Parole "Wir sind 99 Prozent" der "Occupy Wall Street"-Bewegung in den USA gegen die Allmacht des Finanzsektors hat jetzt auch Deutschland erreicht. Am vergangenen Samstag kam es weltweit, so auch in Deutschland, zu größeren Protestbekundungen. Deren soziale Basis ist viel breiter als die üblichen Studenten und "Randgruppen". Die Bundesregierung beeilte sich sogleich mit Sympathiebekundungen, was zeigt, wie ernst sie die (noch kleine) Bewegung nimmt.

Zudem wächst auch der Widerstand in etablierten und konservativen Kreisen (siehe Blog: "99 Prozent"). Es formiert sich ein Anti-Banken-Sentiment. Das dürfte die Politik unter besonderen Handlungsdruck setzen, jetzt schnell Pfähle einzurammen, bevor die Bewegung weiter erstarkt.




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