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Öffentliche Verschuldung der Eurozone mit neuem Rekord, Griechenland kommt voran, Portugal stabilisiert, Italien macht Sorgen!

23.07.2013  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.50 Uhr) bei 1.3188, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im europäischen Handel bei 1.3145 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 99.55 . In der Folge notiert EUR-JPY bei 131.25, während EUR-CHF bei 1.2352 oszilliert.

Die Gesamtverschuldung der Eurozone stellt sich laut Eurostat per Ende des 1. Quartals 2013 auf 8.750 Mrd. Euro oder 92,2% der Wirtschaftsleistung. Damit wurde ein neuer Rekord aufgestellt. Die aktuellen Haushaltsdefizite sind primär konjunkturell bedingt. Strukturell hat die Eurozone die Defizitlage weitgehend im Griff. Das gilt vor allen Dingen im Vergleich zu USA und Japan.

Entsprechend ist es unverzichtbar, ein für die Wirtschaft attraktives "Setup" anzubieten. Das ist durch Reduzierung der Lohnstückkosten in vielen Ländern bereits erfolgt. Die Effizienzsteigerung der Administrationen ist in vielen, aber nicht allen Ländern in der Umsetzung. Eine weitere Ingredienz ist politische Stabilität. Da sind wir nach dem "Zypernwackler" grundsätzlich auf einem guten, aber dennoch auch holprigen Weg.

Unverändert sind akute Baustellen in Italien und Frankreich erkennbar. Für diese beiden Länder gilt, dass Solidarität der 16 übrigen Länder der Eurozone (via EZB und Setup) keine Einbahnstrasse ist, sondern dass die Solidarität, die man genießt auch Verantwortung für alle bedingt.

Ermutigend ist der Rückgang der Haushaltsdefizite in Griechenland. Das Haushaltsdefizit sank im ersten Halbjahr 2013 deutlich im Vorjahresvergleich. Von Januar bis Juni 2013 stellte sich das Defizit auf 5 Milliarden Euro. Im Vorjahr lag der Fehlbetrag im identischen Zeitraum noch bei 12,5 Mrd. Euro. Der Primärhaushalt (öffentlicher Haushalt ohne Zinszahlungen) lieferte im ersten Halbjahr ein Defizit in Höhe von 1,5 Mrd. Euro nach 3,3 Mrd. Euro im Vorjahreszeitraum.

Gleichzeitig hat die EU gestern die aktuellen Schuldenstände der einzelnen Länder der Eurozone per Halbjahresultimo bekannt gegeben. Hier sticht Griechenland mit einem Anstieg von 137% auf 160% des BIP hervor. Diese Entwicklung bedarf jedoch einer sachlichen Erörterung. Der griechische Staat hat die Banken rekapitalisiert. Diese Maßnahmen hatten ein Volumen von circa 50 Mrd. Euro oder circa 25% des BIP. Diese Neuverschuldung stellt eine Bilanzverlängerung durch Aufbau von Staatsvermögen Griechenlands dar und ist eine Einmalmaßnahme.

Entscheidend ist die Entwicklung des originären Haushalts. Da ist Athen auf dem richtigen Weg! Die politische Lage in Lissabon entspannt sich und hat nachhaltig positive Auswirkungen auf die Refinanzierungsbedingungen Portugals. Die Rendite für 10-jährige Staatspapiere, die mit der Regierungskrise auf über 8% anzog, sank gestern auf weniger als 6,40%.

Italien macht Sorgen. Die aktuelle Diskussion über eine Rücknahme der Grundsteuer als auch anderer zuvor getroffener Maßnahmen belegt, dass in Italien Politik anders als in anderen Ländern gelebt wird.

Zu viel "Dolce Vita" führt regelmäßig zu unerwünschten Folgen. Montis Warnungen verhallen derzeit. Sofern Italien den Pfad der Nachhaltigkeit verlässt, wird Italien einen hohen Preis zahlen. Das gilt nicht nur für den Zins, der an Kapitalmärkten zu entrichten wäre, sondern auch für realwirtschaftliche Investitionen, die dann ausbleiben würden.

Neben den oben genannten Baustellen, muss Italien eine aggressive Arbeitsmarktreform in die Wege leiten und die administrative Struktur verschlanken, um effektiver und zeitiger zu agieren. Hier sind unverändert massive strukturelle Defizite gegeben.

Der Schuldenstand von 130% des BIP ist prekär. Der solitäre Blick auf die öffentliche Verschuldung ist jedoch nicht Ziel führend. Das Staatsvermögen Italiens ist massiv. Einer Staatsverschuldung von circa 2.100 Mrd. Euro steht eine Staatsvermögen von 1.800 Mrd. Euro gegenüber. Von diesen 1.800 Mrd. Staatsvermögen sind circa 600 Mrd. Euro Produktivvermögen. Italien wäre gut beraten, diese Vermögen zu schützen und nicht über zu viel "Dolce Vita" zubkonsumieren.

Gibt es in Rom Lernkurven aus den Fehlern der letzten 20 Jahre oder regiert weiter ein Regime der Verantwortungslosigkeit vor den kommenden Generationen?

Solidarität ist keine Einbahnstrasse und Brüssel ist nicht Palermo!

Die US-Daten lieferten ein gemischtes Bild, in dem positive Akzente dominierten. Der Chicago Fed National Activity Index (Sammelindex aus 85 US-Einzelindikatoren) legte per Berichtsmonat Juni von zuvor -0,29 auf -0,13 Punkte zu. Damit wurde der höchste Wert seit Dezember 2012 markiert.

Die "Existing Home Sales" enttäuschten dagegen mit einem nicht erwarteten Rückgang von annualisiert 5,14 Mio. Objekten auf 5,08 Mio. Objekte. Die Prognose lag bei 5,25 Mio. Immobilien.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro favorisiert. Ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.3050 -80 neutralisiert das für den Euro positive Bild.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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