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Von Griechenland nach Italien: Jetzt geht es an das Tafelsilber

07.11.2011  |  Klaus Singer
- Seite 2 -
Wie realistisch ist die Rettung Italiens?

Reinhart und Rogoff nennen in ihrem Buch "This time is different" aus langfristigen historischen Untersuchungen eine kritische Schwelle: Liegt die (Brutto-)Staatsverschuldung bei über 90% des BIP, helfen weitere Schulden, auch wenn mit ihnen streng nach Keynes investive konjunkturbelebende Projekte finanziert werden, nicht mehr aus der Misere heraus. Umschuldung/Restrukturierung ist eine nahezu zwingende Folge. Danach wäre Italien bereits "reif".

Eine andere Daumenregel besagt, ein Land hat dann nur noch geringe Chancen, aus der Schuldenfalle zu entkommen, wenn es 30% oder mehr der jährlichen Steuereinnahmen für Zinsen aufwenden muss. Bei einem Anteil von 40% ist eine Schuldenrestrukturierung mit damit verbundenen Abschreibungen kaum zu vermeiden.

Die 30%-Schwelle wäre bei der aktuellen Steuerquote von 29% dann erreicht, wenn der Durchschnittszins bei sieben Prozent liegt, hat der Vermögensverwalter Flossbach von Storch ausgerechnet. Erfahrungsgemäß steigen die Renditen nach Erreichen dieses Pegels schnell weiter an. Die 40%-Schwelle ist unter Zugrundelegung der aktuellen Zahlen von Schulden- und Steuerquote bei neun Prozent erreicht.

Wenn Italien, wie vom IWF vorhergesagt, mit im Mittel 2,6% nominal wächst, müsste es ein Budget-Überschuss (ohne Schuldendienst) von 1,9% des BIP erzielen, damit die Verschuldung nicht weiter wächst. Fiele die Wachstumsrate auf 1%, müsste der Überschuss auf 3,6% steigen, um die Verschuldung nicht anwachsen zu lassen. Die Realität sieht so aus: Italien wird im laufenden Jahr um 0,7% real wachsen, die Neuverschuldung wird bei 4% liegen, nächstes Jahr rechnet die EU-Kommission immer noch mit 3,2%.

Mit diesen Zahlen ist Italien tatsächlich akut gefährdet. Wenn es hart auf hart kommt, wäre der Brocken jedoch zu groß für die EFSF. Dann müsste die EZB einspringen. Die hatte Anfang August bereits begonnen, italienische Bonds zu stützen. Zwar hatte das zunächst Wirkung - die Rendite fiel bis fünf Prozent. Doch das war nur von kurzer Dauer.

Seit 1. November ist der Italiener Draghi Präsident der EZB. Auf der ersten Zinssitzung seiner Amtszeit am zurückliegenden Donnerstag wurde überraschend eine Senkung um 0,25 auf 1,25% beschlossen. Draghi begründete den Zinsschritt mit einer drohenden milden Rezession. Beobachter werten den Schritt so kurz nach dem Amtswechsel aber eher als Signal für einen Strategiewechsel, einer tendenziellen Abkehr von der reinen Orientierung an der Preisstabilität.

Draghi ließ offen, ob er der Fed folgen werde und das Bond-Ankaufprogramm massiv ausweiten wird (aktuell etwa 180 Mrd. Euro in den Büchern). Die Fed hat etwa 1,6 Bill. Dollar an TBonds bilanziert.

Mancher Beobachter sieht mit Draghi das Tor zur Inflation weit aufgestoßen. Ein großvolumiger Ankauf italienischer Staatsanleihen durch die EZB hätte schwerwiegende Folgen für die Preisstabilität und die Stabilität des Euro, wird gewarnt. Ein Blick in die USA zeigt aber, dass der Zusammenhang zwischen dem Ankauf eigener Staatsanleihen und Inflation so schlagend nicht ist.

Das Fazit nach der "endgültigen Rettung" der Eurozone in der Mitte der vorigen Woche, ihrem "Untergang" mit der Ankündigung einer Volksabstimmung in Griechenland, sowie ihrer "erneuten Rettung" nach Rücknahme derselben, sowie den "weitreichenden Beschlüssen" der G20: Die Krise der Eurozone geht weiter, sie dürfte sich mit dem beschlossenen EFSF-Hebel und dem Machtwechsel in der EZB nun immer schneller entwickeln. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann das Tafelsilber der Eurozone in Gestalt der Gold- und Devisenreserven unter den Hammer kommt.

Die Schuldenkrise offenbart immer deutlicher auch ihr politisches Gesicht: Weitreichende Entscheidungen werden nur noch in Hinterzimmern getroffen. Parlamente geben bestenfalls die Kulisse ab. Geltendes Recht wird mit Füssen getreten. Es wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Volksbefragungen werden als kontraproduktiv abgelehnt. Mit Demokratie hat das schon lange nichts mehr zu tun.

Erwähnte Charts und Beiträge können hier eingesehen werden: http://www.timepatternanalysis.de/Blog/


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de





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