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Für alle Eventualitäten vorbereitet

14.11.2011  |  Robert Rethfeld
Im Frankfurter Ostend wird gegenwärtig das neue Domizil der Europäischen Zentralbank - der "Skytower" - hochgezogen. Das Twin-Tower-Gebäude bietet Platz für 2.300 Arbeitsplätze. Es wird inklusive Antennenmast 220 Meter hoch sein. Fertigstellung und Bezug sind für das Jahr 2014 vorgesehen.

Kaum ein Architekt oder ein Auftrageber bekommt es hin, so weitsichtig zu planen, dass die meisten Eventualitäten berücksichtigt werden. Nicht so die EZB: Chapeau! Der Nordturm wird bei 45 Geschossen etwa 185 Meter hoch sein, während der Südturm bei 43 Geschossen lediglich 165 Meter messen soll. Sollte es zu einer Aufteilung des Euro in Nord- und Südeuro kommen, könnte die Verwaltung für den Nordeuro entsprechend der größeren Bedeutung im Nordturm untergebracht werden. Der Südeuro würde entweder im Südturm oder in der ehemaligen Großmarkthalle verwaltet. Die Antennenanlage befindet sich auf dem Nordturm. Alle Macht geht vom Nordturm aus.

Die Baukosten des Skytower betragen etwa 500 Millionen Euro. Das ist um einiges mehr als die Allianz-Arena, die schlappe 340 Millionen gekostet hat. Die Frage ist: Wo wird mehr Spektakel geboten? Auch wenn die Bayern derzeit gut spielen, so scheint der moderne "Circus Maximus" eher in Frankfurt zu liegen, zumal ein Italiener die "Brot-und-Spiele-Show" leitet.

Der Name "Skytower" ("Himmels-Turm"), legt nahe, dass dort Menschen arbeiten werden, die dem Himmel - und damit den Göttern - recht nahe kommen. Der CEO von Goldman Sachs, Lloyd Blankfein, hat seine Arbeit als das Verrichten von Gottes Werk beschrieben. Aber damit hat er den Europäern rein gar nichts voraus: Der Draht der EZB-Banker nach oben steht.

Eine erste himmlische Eingebung gab es offenbar bereits: Man könnte - so EZB-Banker Jürgen Stark - vom alten EZB-Tower aus 500-Euro-Scheine auf die "Occupy"-Bewegung rieseln lassen und so die Protestbewegung künstlich aufblasen. Nach Berechnungen der Frankfurter Polizei würde sich die Menschenmenge pro sechsstündiger Schein-Berieselung jeweils verdoppeln. Der bisherige bundesrepublikanische Protestrekord - er stammt vom 22. Oktober 1983, als insgesamt 1,2 Millionen Menschen gegen den NATO-Doppelbeschluss protestierten - würde innerhalb weniger Tage übertroffen werden. Da der Frankfurter Flughafen aufgrund der gerade neu eröffneten Landebahn seine Kapazität längst nicht ausschöpft, könnten Sondermaschinen im Minutentakt die "Protestierenden" nach Frankfurt bringen. Die Frankfurter Äppelwoi-Kneipen wären voll, die Hotels ebenso und die Tourismusmanager würden jubeln.

Das Perfide: Ein Tag später käme die Währungsreform. Der Euro würde sofort ungültig. Die Scheine dürften jedoch - gemäß EZB-Statut - als Toilettenpapier benutzt werden. Jürgen Stark könnte sich öffentlich seiner Idee rühmen, die alten Scheine auf kreative Art und Weise beim Volk entsorgt zu haben. Ein ehrenvoller Abgang wäre ihm sicher. Erste Begrüßungsgelder in "Nordeuro" würden im Nordturm ausgezahlt werden, im Südturm würde der "Südeuro" zu erhalten sein.

Fantasie, Ironie und Satire sind Mittel zur Überzeichnung unangenehmer Zustände. Sie verschaffen kurzfristig Erleichterung, bieten aber leider keine Problemlösung.

Die Realität: In den USA existiert mit der Federal Reserve eine Zentralbank, die in der Vergangenheit zeitweise die gesamte amerikanische Neuverschuldung "geschluckt" hat. Zu Zeiten des "QE 2" waren dies monatlich 100 Milliarden US-Dollar. Die Fed lässt keinen Zweifel daran, dass sie mit der Monetisierung der Staatsverschuldung ("Gelddrucken") fortfahren würde, sollte sich die Notwendigkeit dazu ergeben. Auch die japanische Zentralbank ist als "Lender of last resort" aktiv.

Sie stellt den Märkten dann, wenn sie es benötigen, Liquidität zur Verfügung. Interessanterweise neigt der japanische Yen trotz dieser Eingriffe seit Jahren zur Stärke, und die Renditen bleiben niedrig. Auch der US-Dollar zeigt sich trotz QE I und QE II stabil. Das gültige Verlaufstief stammt aus dem April 2008.

In Europa ist die Situation grundsätzlich anders. Denn die EZB wird - u.a. gemäß Aussage von Jürgen Stark in der NZZ vom vergangenen Samstag - niemals der "Lender of last resort" sein. Das Problem ist aber:

In Krisenzeiten sollte ein letzter Kreditgeber existieren, sonst ist ein Zusammenbruch des Systems kaum zu verhindern. In seinem Buch "Manien, Paniken, Crashes" beschreibt Charles Kindleberger die Rolle des letzten Kreditgebers in einem eigenen Kapitel. Fahren die Märkte mit einem letzten Kreditgeber besser? Kindleberger betrachtete alle Krisen seit dem Jahr 1618 in Europa und den USA. Er neigt zu dem Schluss, dass die Rolle des letzten Kreditgebers allein aus psychologischer Sicht wünschenswert und verlustmindernd ist.

Ein Blick auf die - in unserem Jahresausblick für 2011 vorgestellten - kritischen Zinssätze zeigt, dass Griechenland, Irland und Portugal weiterhin oberhalb ihrer kritischen Zins-schwelle notieren. Für Italien beträgt die kritische Grenze 7,1%, der aktuelle Zinssatz notiert leicht darunter.




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