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Platzt die "große Koalition", bevor sie konstituiert wird?

23.11.2013  |  Hans-Wolff Graf
Wie wir aus gut unterrichteter Quelle erfahren haben (und bereits mehrfach in unseren "freitags-newslettern" munkelten), befindet sich die aus 75 (!) Delegierten bestehende "Koalitions-Strategierunde" in diversen Sackgassen; ob Mindestlohn oder Maut, Steuererhöhungen oder Beitragssenkungen für die gesetzliche Rentenversicherung, Volksentscheide oder doppelte Staatsbürgerschaft - zwischen Rot und Schwarz klaffen tiefe ideologische Gräben, wobei die (in jedem Fall zu brechenden) Wahlversprechen nur die geringsten Hürden darstellen; viel gefährlicher erscheint den Parteioberen die Gefahr, daß ihnen die Parteibasen wegbrechen, weil sie sich zunehmend mißbraucht und verraten fühlen.

Hinzu kommt, daß die SPD nichts mehr fürchtet, als in vier Jahren für die Fehler der jetzt anstehenden Regierungszeit abgestraft zu werden, während die Bundeskanzlerin (und damit das schwarze Lager) die (ebenso unvermeidlichen) Meriten einheimst. Da wäre es dem machthungrigen Gabriel schon bedeutend lieber, mithilfe einer rot-grün-dunkelroten Regierung postsozialistische Akzente zu setzen - mit der verhandelbaren Chance, Bundeskanzler zu werden; eine Gelegenheit, die er ohne Rücksicht auf Verluste wahrnehmen würde, ungeachtet aller daraus erwachsender Konsequenzen.

Genau hierzu ließ sich der pfiffige Gabriel nun in Leipzig von der SPD-Delegiertenversammlung das 'placet' geben lassen - als erneuter Parteichef (mit bedenklich schlechtem Wahlergebnis). Ob ihm aber andererseits auch alle GrünInnen hierbei Gefolgschaft leisten würden oder es eben doch zu Neuwahlen kommt, ist ein gefährliches Vabanque-Spiel, das den zum linken Flügel der SPD zählenden Gabriel u.U. sogar politisch den Kopf kosten könnte. Aber rasche Wechsel an der Spitze ist die SPD ja gewohnt.  

Derweil reibt sich der unbedarfte Bürger verwundert die Augen: Deutschland drohen Strafzahlungen und Eingriffe in ihr ökonomisches Gebaren vonseiten der EU, weil es durch  seine  Leistungsfähigkeit  das "Gleichgewicht  in der  Euro-Zone erheblich stört" (O-Ton aus Brüssel). Die Deutschen sollen gefälligst weniger exportieren und mehr konsumieren. Sowohl Frankreichs als auch Italiens Wirtschaften driften weiter gen Süden (Italien bereits im neunten Quartal in Folge), und beide Länder machen keine Anstalten, die Vorgaben aus Brüssel realiter umzusetzen.

Das Ganze mutet reichlich pervers an und gleicht der Aufforderung an einen Sprinter, doch bitte schön nicht schneller zu laufen als seine Konkurrenten, da dies nicht fair sei. Dabei genießen beide Länder seit 2001 die währungspolitische Rückenstärkung ehemals gesunder Volkswirtschaften wie Deutschland, Österreich und den Niederlanden, und leben in einem Zinsschlarafia wie nie zuvor; Italien platzierte am Mittwoch eine einjährige Staatsanleihe mit 0,68%(!), die binnen 90 Minuten überzeichnet war.

Nur für die Annalen: Von 2000 bis 2012 sank die Industrieproduktion Großbritanniens um 10%, die der Italiener, Spanier und Franzosen um 15% und die griechische gar um 25%. Im gleichen Zeitraum stieg die bundesdeutsche um 22%. Na, wenn das nicht unfair und einer öffentlichen Schelte nebst satter Bußgeldstrafe würdig ist! Aber die EU[ro(zonen)]-Krise wird munter weiter verschattet - nach gerade von öffentlich-(un)rechtlichen Meinungsmachern (aus Steuermitteln finanzierten Wirtschaftsinstituten, wie z.B. dem Hamburger HWWI), kenntnisarmen und stromlinienförmigen Politikern sowie - wie könnte es anders sein - den Medien.

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Quelle Chart: www.querschuesse.de


Dabei hätten die EU-Sorgenkinder längst das Schlimmste hinter sich, wenn sie bereits vor fünf Jahren die verdrängte Sinnfrage mit einem Ausstieg beantwortet hätten. Auch das Argument, sie seien für ein eigenständiges Überleben auf eigenen Füßen zu klein, ist blanker Unsinn; vergleichbare "Zwergstaaten" wie Norwegen, Schweden und die Schweiz steigerten von 2000 bis 2012 ihre Industrieproduktion um 18% bis 26%, obgleich sie nicht Mitglieder des EU-Klubs sind.

Im Gegenteil: Gerade durch die EU-Mitgliedschaft und fixe Bindung an die gemeinsame Währung können sich die wirtschaftspolitischen Problemkinder der EU nicht durch eine Abwertung ihrer autonomen Währungen aus der finanz- und sozialpolitische Bedrouille ziehen, sondern stehen auf Gedeih und Verderb in ständigem Wettbewerb mit weitaus stärkeren Volkswirtschaften wie z.B. Deutschland.

Was liegt da näher, als gemeinsam gegen den "Klassenprimus" zu Felde zu ziehen...

Den Finanzmärkten gehen derartige Sorgen am verlängerten Rückgrat vorbei; sie schunkeln sich von Rekord zu Rekord. Zwar gehen dabei immer wieder Tausende von Arbeitsplätzen verloren oder wandern ins Ausland ab, aber dafür steigt die Rentabilität und Finanzkraft der Starken, und notfalls müssen sich die "Späne" - Sie wissen ja: 'Wo gehobelt wird, ..." - eben in Zeitarbeit, Hartz IV, Teilarbeitsverträge oder Zweitjobs flüchten, als Buftis verpflichten oder zu Pflegedienstkräften umschulen lassen. Unser aller Vorsitzende verkündet derweil fröhlich, noch nie seien hierzulande so viele Menschen in Brot und Arbeit gestanden...


H.-W. Graf
www.efv-ag.de



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