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Ein paar Worte zu den Begriffen Annexion und "Appeasement"

17.03.2014  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.3900 (07.36 Uhr), nachdem im europäischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3849 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 101.61. In der Folge notiert EUR-JPY bei 141.25. EUR-CHF oszilliert bei 1.2145.

Erst einmal ein großes Dankeschön an die Leserschaft. Wir haben eine deutlich positive Resonanz (circa 95%) auf den letzten Forex Report und meine Einlassungen in den TV-Medien vom letzten Freitag. Wir freuen uns auch, dass wir nicht alleine stehen.Gabor Steingart (Handelsblatt) und Dirk Müller argumentieren in eine identische Richtung.

Hinsichtlich der Bedeutung der Krise der Ukraine für Finanzmärkte und Realwirtschaft sehen wir uns weiter gezwungen, dieses Thema in den Vordergrund zu stellen.

Der Westen bezieht sich auf Völkerrecht in der Auseinandersetzung um die Ukraine. Wir sind unverändert ob dieser Haltung des Westens irritiert:

  • Die Putsch-Regierung hat keine völkerrechtliche Basis.

  • Es bleibt erstaunlicherweise ungeklärt, wer für die Toten auf dem Maidan verantwortlich ist, denn das war der Katalysator des Putsches.

  • Die Regierung ist nicht demokratisch gewählt.

  • Sie ist nicht Ausdruck einer angemessenen Beteiligung der russischen Bevölkerung und hat eindeutig antirussische Haltungen (u.a. Sprache) und ist damit Ausdruck einer potentiellen Diskriminierung der russischen Bevölkerung in der Ukraine.

  • Sie inkludiert rechtsradikale und antisemitische Kräfte neben Oligarchen.

  • Sie ist von außen durch den Westen (USA) maßgeblich finanziert.

  • Die Haltung der US-Amerikaner gegenüber der EU wurde durch die Einlassungen von Frau Nuland deutlich: "F… the EU"

  • Ist die EU im Schachspiel der USA eine Dame, ein Turm, ein Springer oder ein Bauer, der darüber hinaus von der NSA abgeschöpft wird?

Dagegen ist das Krim-Referendum in der Aussage nicht anfechtbar. Westliche Wahlbeobachter haben nach unserem Kenntnisstand keine Beanstandungen bezüglich der Wahlaussage. Es ist zu einer Abstimmung gekommen, die fraglos hinsichtlich der Verfassung der Ukraine nicht verfassungskonform ist.

Dieses Referendum ist jedoch als Reaktion auf den Putsch und der nicht verfassungskonformen Regierung zu klassifizieren.

Recht ist auf beiden Seiten gebrochen worden. Die Debatte um Völkerrecht kann nur unter den obigen Aspekten geführt werden. Wir überlassen es unseren Lesern, sich eine Meinung zu bilden.

Eine Sache ist es, auf die aktuellen Geschehnisse einzugehen. Eine andere Sache ist es, die aktuelle Situation im historischen Kontext zu betrachten.

Ein Argument, mit dem ich bezüglich der Haltung Russlands konfrontiert wurde, bezog sich auf eine unangebrachte "Appeasement" Politik (Beschwichtigung) mit dem Verweis auf den Politikansatz des britischen Premiers Chamberlain und des Westens gegenüber dem Deutschen Reich im Jahr 1938 (u.a. Münchener Konferenz).

Man kann den Prozess von 1990 bis 2013 auch als eine Form der Appeasement Politik Russlands definieren. Russland ist von dem Westen latent brüskiert worden. Die Nato-Osterweiterung gegen alle Zusagen des Westens ist Ausdruck dessen. Russland hat durch Appeasement bisher faktisch den Rückzug angetreten.Offensichtlich ist die Bereitschaft weiterer Appeasement-Politik Russlands erschöpft. Ergo kommen wir zur Frage: Wer ist der Aggressor, wer ist der "Appeaser"? Wer ist verantwortlich für Aktion, wer für Reaktion?

Wir sind auf Ihre Antworten gespannt!

Kommen wir zum nächsten Begriff. Der Westen sprichtvon Annexion der Krim. Im Gegensatz zum Dritten Reich, wo es zu Annexionen kam, liegt hier keine Annexion vor, sondern eine demokratische Abstimmung für oder gegen (autonome Region) einen Beitritt zu Russland. Das ist sachlich nicht in Ansätzen vergleichbar.

Ist der Begriff Annexion dann nicht Propaganda?

Wir sind erfreut, dass die deutsche Bundesregierungsich nicht in die erste Reihe der Scharfmacher dieser Krise einreiht. Es geht darum, zu deeskalieren. Danke Herr Steinmeier!Geht es dem "Westen" wirklich um Demokratie? Die Erfahrungswerte aus dem Irak, aus Nordafrika und Syrien weisen mehr Fragen als Antworten auf.

Sind die Demonstranten auf dem Maidan aus Sicht des„Westens“ Subjekte oder Objekte? Wir hoffen auf eine baldige Deeskalierung vor dem Hintergrund einer sachlichen Bestandsaufnahme.

Zu häufig hat der "Westen" in den letzten Jahren Völkerecht gebrochen und den westlichen Wertekanon dabei massiv verletzt, um in der aktuellen Auseinandersetzung unbestechliche Glaubwürdigkeit in Anspruch nehmen zu können.

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Veröffentlichungen vom letzten Freitag:

  • Die deutschen Verbraucherpreise nahmen per Februarlaut finaler Berechnung um 1,2% im Jahresvergleich und 0,5% im Monatsvergleich zu.

  • Die Beschäftigung in der Eurozone nahm per 4. Quartal im Quartalsvergleich um 0,1% zu. Damit kam es zum ersten Anstieg seit 2011.

  • Die US-Erzeugerpreise sanken per Februar im Monatsvergleich um -0,1%. Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg + 0,9% nachzuvor 1,2%.

  • Das US-Verbrauchervertrauen nach Lesart der Universität Michigan sank laut vorläufiger Berechnung per März von zuvor 81,6 auf 79,9 Punkte. Die Prognose lag bei 82 Zählern.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Nachhaltige Trendsignale sind derzeit unausgeprägt.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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