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Russland entsagt sich Sanktionsspirale - Wirtschaftsdaten durchwachsen

30.04.2014  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.3805 (07.45 Uhr), nachdem im asiatischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3802 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 102.39. In der Folge notiert EUR-JPY bei 141.30. EUR-CHF oszilliert bei 1.2202.

Die Volatilität an den Devisenmärkten ist unausgeprägt. Die Volatilität an den Rohstoffmärkten ist unausgeprägt. Das ist bemerkenswert. Ob unerwartete konjunkturelle Entwicklungen oder politische Krisen, die Märkte regen sich kaum. Der Unterschied zu der Vorkrisenzeit ist erheblich.

Dann meldet sich auch noch die Chefin der SEC (US-Börsenaufsichtsbehörde) zu Wort und behauptet, dass der Hochfrequenzhandel keine Manipulation darstellt und andere Marktteilnehmer nicht benachteiligen würde.

An dieser Stelle gilt es, inne zu halten. Da veranlassen internationale Großkonzerne der Finanzwirtschaft massivste Investitionen, um Hochfrequenzhandel zu betreiben. Das machen sie nicht aus Nächstenliebe gegenüber der IT-Branche. Damit sichern sich diese Großkonzerne lukrative Vorteile am Markt, die positive Cash-Flows zur Folge haben. Genau diese positiven Cash-Flows müssen bezahlt werden. Der Rest des Marktes, der diesen präferierten Zugang nicht hat, zahlt an diese Großkonzerne.

Bei näherer Analyse der Rohstoffmärkte fallen dem geschulten Analysten beispielsweise massierte Verkäufe von Gold-Futures in Minutentakten auf, die so vor 3, 5 oder 10 Jahren nie anzutreffen waren und die asymmetrisch zu Gunsten von Goldverkäufen verteilt sind. Das hat natürlich alles nichts mit Manipulation und natürlich schon gar nichts mit politischen Interessen zu tun? "Food for thought!"

Russlands Antwort auf die Sanktionseskalation des Westens bleibt gelassen. Direkte Strafmaßnahmen werden aktuell nicht erwogen. Putin stellte jedoch die Rolle der westlichen Unternehmen infrage. Bei einer Aufrechterhaltung der Sanktionen müsse über die Rolle dieser Unternehmen in Schlüsselindustrien nachgedacht werden. Das sollte in den kontinentaleuropäischen Ohren nachklingen oder sind wir "Wirtschafts- und Finanzmasochisten"?

Altkanzler Schröder feierte in St. Petersburg seinen Geburtstag und er nahm seinen Freund Putin in den Arm. Der von uns geschätzte Herr Missfelder der Union war übrigens auch auf dem Fest dabei. Umgehend erhob sich ein Sturm der medialen und politischen Entrüstung ob der Umarmung bei der Begrüßung. Wir sind irritiert.

Uns macht die westliche politische "Umarmung" rechtsradikaler Elemente in einer nicht verfassungskonformen Putschregierung oder die politische Umarmung einer korrupten Frau Timoschenko seitens der westlichen Politik deutlich mehr Sorgen.

Gleichzeitig ergeben sich jetzt aber Ansatzpunkte, dass es zu einer Befreiung der OSZE-Mitarbeiter in Slawjansk kommt.

Da kann man einen Zusammenhang zu der Umarmung Putins durch Altkanzler Schröder sehen wollen, man muss es aber nicht.

Eltern wissen unter Umständen, dass Sanktionen gegen Kinder nicht notwendig die gewünschten Folgen haben, sondern Bockigkeit forcieren. Manche Eltern wissen, dass es sinnvoller ist, die Kinder in den Arm zu nehmen und dann auf einer emotional entspannten Ebene, Probleme zu lösen. Wichtig ist es dabei, dass man redet und zuhört und unter Umständen auch einsieht, selbst Fehler gemacht zu haben.

Anders ausgedrückt: So wie es in den Wald schallt, schallt es auch wieder heraus. Diesbezüglich ist die gelassene Reaktion Russlands auf das westliche Sanktionscrescendo ohnehin Ausdruck diplomatischer Weitsicht. Das gilt gerade auch hinsichtlich der verdeckten Aktionen der USA (Nuland), die nichts anderes als geostrategische Aggression sind. "Food for thought!"

Damit kommen wir zu dem Thema Ökonomie:

Wir freuen uns über die Zunahme der Beschäftigung in Deutschland. Die saisonbereinigte Zahl der Beschäftigten nahm laut Statistischem Bundesamt im März im Monatsvergleich um 37.000 auf 42.064.000 zu. Vor Ausbruch der Krise im Sommer 2007 lag die Beschäftigtenzahl bei 39.771.000 (Juni 2007). Da fragt man sich, wie manche prominente deutsche Ökonomen Deutschland als Verlierer der Eurozone definieren …

Die deutschen Einzelhandelsumsätze enttäuschten im März. Im Monatsvergleich kam es erwartungsgemäß zu einem Rückgang um -0,7% nach zuvor +0,4%. Im Jahresvergleich ergab sich ein Rückgang um -1,9% nach zuvor +1,9%. Hier sehen wir einen Zusammenhang zu dem späten Osterfest per 2014. Wir sind nicht bereit, diese Daten zu extrapolieren.

Wir freuen uns ausgesprochen über die Entwicklung des Geschäftsklimas in Italien. Der Geschäftsklimaindex legte per Berichtsmonat April unerwartet von zuvor 99,3 auf 99,9 Punkte zu und markierte damit den höchsten Stand seit nahezu drei Jahren. Die Marktprognose lag bei 99,5 Zählern.

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Der „Economic Sentiment Index“ der Eurozone sank per April von zuvor 102,5 auf 102,0 Punkte. Die Prognose lag bei 103,0 Zählern. Diesen leichten Rückgang auf dem erhöhten Niveau messen wir dem Konflikt um die Ukraine bei.

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Die Geldmenge der Eurozone M-3 sank im Monatsvergleich um -0,3% und stieg im Jahresvergleich um +1,1% nach zuvor +1,3%.

Die Kreditvergabe an den Privatsektor sank im Jahresvergleich um -2,2% nach zuvor -2,4%. Diese Daten sind wenig erbaulich. Die europäischen Banken stehen vor einem Stresstest und dem „Asset Quality Review“.

Erst gestern wurden die Stressszenarien des Tests bekannt gegeben. Wer von Banken erwartet, vor dem Stresstest eine sportliche Gangart in der Kreditvergabe umzusetzen, glaubt sicherlich auch, dass Hochfrequenzhandel überhaupt nichts mit Vorteilnahme und/oder Manipulation zu tun haben könnte.

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Der US S&P Case/Shiller Hauspreisindex lieferte per Februar im 20 Städtevergleich einen Anstieg im Jahresvergleich um 12,9% nach zuvor 13,1%. Gegenüber der im Juli 2006 erreichten Höchstbewertung liegen die aktuellen Preise um -19,9% unterhalb des Spitzenniveaus.

Der Blick auf den Chart offenbart Ermüdungserscheinungen in der positiven Preisentwicklung (Monatsvergleich unverändert).

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Das US-Verbrauchervertrauen nach Lesart des Conference Board konnte die Erwartungen per April nicht erfüllen. Das Verbrauchervertrauen sank unerwartet von zuvor 83,9 auf 82,3 Punkte. Diese Zahlenreihe ist bekannt für hohe Volatilität. Losgelöst von dem Rückgang bewegt sich das Verbrauchervertrauen am oberen Ende der Bandbreite der letzten 12 Monate, aber weit unterhalb des Indexwerts von 100 Punkten per 1985. Die Verarmung des US-Mittelstands und die Oligarchisierung der USA lässt sich hier messen.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Nachhaltige Trendsignale sind derzeit unausgeprägt.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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