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Und nun Herr Gabriel?

19.08.2014  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.3357 (07.24 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3353 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 102.60. In der Folge notiert EUR-JPY bei 137.05. EUR-CHF oszilliert bei 1.2113.

Die Bewegung an den Devisenmärkten ist extrem überschaubar.

Ältere Kollegen erinnern sich noch an volatile Zeiten, als die Finanzmärkte noch Risiken und Chancen angemessen diskontierten.

In den guten alten Zeiten konnten Bewegungen an den Finanzmärkten die Politik sogar zu notwendigen Reformen zwingen. Das führte dazu, dass der frühere Bundeskanzler Schmidt über Devisenhändler als Schmeißfliegen räsonierte.

Diese Zeiten sind lange vorbei. Aus nahezu perfekten Märkten mit einer Organisationsstruktur des Polypols wurden im Zeitverlauf Oligopole, zum Teil mit monopolistischer Ausprägung. Der Missbrauch dieser Machtfülle ist in den vielen Strafzahlungen und Skandalen messbar.

Mehr noch haben einige extrem große "Global Player" eine dramatische Nähe zu Zentralbanken und Politik.

Das gilt vor allen Dingen für die Finanzplätze New York und London. Daraus ergibt sich eine Willfährigkeit. Die Märkte erfüllen nicht mehr die Funktion, die ihnen Adam Smith einmal zuordnete. Das macht Sorgen.

Mehr und mehr drängt sich der Eindruck auf, dass finanzielle Repression eben nicht bei dem Zins aufhört. Währungen, insbesondere Edelmetalle und sensible Rohstoffe bewegen sich in Bandbreiten, die politisch korrekt sind. Politische Korrektheit ist per Definition eine eingeschränkte Korrektheit. Daraus resultiert langfristig ein nicht unerhebliches Risiko einer massiven Fehlallokation des Produktionsfaktors Kapital.

Wissen unsere "Eliten" wirklich, was sie tun? Ist diese Entwicklung Ausdruck einer Hybris und einer zu großen Machtfülle der Finanzplätze New York und London? Muss es hier nicht zu einer Emanzipation kommen, wenn wir in Kontinentaleuropa Nachhaltigkeit als Ziel haben?

Kommen wir zur deutschen Bundesregierung, die noch vor wenigen Wochen vollmundig bereit war, ökonomische Performance auf dem Altar der US-geopolitischen Interessen zu opfern. Man sprach von überschaubaren konjunkturellen Folgen dieser Politik.

Neben dem Manko, dass der Westen Anschuldigungen gegen Russland in der Ukrainekrise, aber keine Beweise liefert (rechtsstaatliche Basis), fehlt es weiter an belastbaren Exit-Strategien.

Es fehlt auch an einer eigenen Position der EU, da die Interessenlagen der USA und der EU definitiv nicht deckungsgleich sein können. Schließlich haben unsere Regierungen die Aufgabe, Schaden von den europäischen Völkern der EU abzuwenden. Ist uns das in Brüssel, Paris und Berlin bewusst?

Die Annahmen überschaubarer Folgen der willfährigen Außenpolitik fliegen Berlin und Brüssel derzeit um die Ohren. Wir haben bereits im März vor genau diesen Folgen gewarnt, um einmal mehr sportlich ignoriert zu werden, merci. Zusätzlich bleibt festzustellen, dass die USA, das UK oder Norwegen weiter in den sensiblen Feldern (Öl, Waffen) zusammenarbeiten. Das wirft schon einige Fragen auf.

Derzeit werden die Wachstumsprognosen für Deutschland und die EU markant angepasst. Gestern senkte die Helaba die Wachstumsprognose per 2014 von 2,0% auf 1,5%. Die Bundesbank reagiert. Laut Bundesbank ist die im Frühjahr prognostizierte weitere Erholung der deutschen Wirtschaft hinsichtlich der aktuellen Krisen fraglich. Eine Trendumkehr sei aber unwahrscheinlich. Auch von den Instituten hören wir. Das den Gewerkschaften nahestehende Institut IMK sieht eine deutlich erhöhte Rezessionsgefahr für Deutschland.

Der Risikoindikator sei im letzten Monat von 7,5% auf 25,2% gestiegen. Ab 30% schaltet die Ampel auf "gelb". Bereits vor den Sanktionen kam es laut Eurostat zu einem Einbruch der Exporte der Eurozone nach Russland. Von Januar bis Mai lagen die Exporte um 14% niedriger als in der Vorjahresperiode.

Das ist aber alles nur das Vorspiel. Der Vertrauensverlust Russlands, aber auch in Ansätzen Chinas (nächste geopolitische Herausforderung der USA) gegenüber der ökonomischen Verlässlichkeit Deutschlands und der EU als politisch eigenständige Teilnehmer der Weltwirtschaft ist ausgeprägt und leider begründet.

Dieser Preis, den wir zahlen werden, ist noch nicht bemessbar. Er wird definitiv erheblich sein.

Und nun Herr Gabriel? Was nun liebe Bundesregierung? Wir haben im März (n-tv mit Frank Meyer) laut gewarnt, wir warnen erneut!


Gestern wurden nachfolgende Wirtschaftsindikatoren veröffentlicht:

Die Handelsbilanz der Eurozone belegt eindrucksvoll die Gesundung der Reformländer. Per Juni kam es zu einem Überschuss in Höhe von 16,8 Mrd. Euro nach zuvor 15,4 Mrd. Euro.

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Der NAHB-Wohnimmobilienmarktindex legte in den USA per August von zuvor 53 auf 55 Punkte zu. Hinsichtlich der zuletzt veröffentlichten Daten kommt es hier zu einer Diskrepanz, die sich auflösen muss. Wir sind nicht zuversichtlich …

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Nachhaltige Trendsignale sind derzeit unausgeprägt.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Bremer Landesbank oder deren assoziierter Unternehmen dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Hier enthaltene Informationen können auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestellte, kundenspezifische und objektorientierte Beratung nicht ersetzen. Bitte setzen Sie sich deshalb mit Ihrem bei der Bremer Landesbank zuständigen Berater in Verbindung.



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