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Im Gespräch mit Alan Greenspan: Gold, Wirtschaftstheorie und Wirklichkeit

12.11.2014  |  The Gold Report
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1933 wurde der Goldstandard dann wieder aufgegeben, weil er allem Anschein nach das allgemeine Preisgefüge sinken ließ und als Hemmnis für eine Erholung von der Großen Depression betrachtet wurde. Noch wichtiger war die Tatsache, dass der Goldstandard die haushaltspolitische Flexibilität topedierte, die ein Wohlfahrtsstaat unter dem New Deal brauchte. Einige machten Gold für die Depression verantwortlich. Das Problem war aber nicht die Konvertibilität in Gold, das Problem waren die Leute, die den Preis bestimmten.

Anschließend kam die Buchgeldpreisinflation. Zwischen 1933 und 2008 hatten sich die Kosten für den persönlichen Verbrauch mehr als verdreizehnfacht. Dann wurde den Zentralbanken die Aufgabe übertragen, das Geldangebot zu kontrollieren - und somit auch die Preise. Ziel war es jetzt, die Inflationsraten niedrig zu halten, anstatt für eine unveränderte Preislage zu sorgen.

Problematisch wurde es, als sich weltweit eine Sozialstaatmentalität durchsetzte. Wertvorstellungen, Kultur, Ideen und Philosophie bestimmen die Gestaltung der Wirtschaftspolitik. Erst wenn man diese ändert, wird etwas passieren, ansonsten nicht. In der Ökonomie zählen die Vorstellungen und Ideen.


Gary Alexander: Im Zeitraum zwischen 2001 und Mitte 2004 blieben die Zinssätze sehr niedrig. Von 2004-2006 stand der US-Leitzins bei 1%. Bedauern Sie es rückblickend, dass Sie die Zinsen so niedrig hielten? Könnte dies unter Umständen zur Immobilienmarktblase beigetragen haben?

Alan Greenspan: Nach der Dot-Com-Bubble wurde offensichtlich, dass die Zentralbanken die Kontrolle über das ‘falsche Ende des Geldes‘ verloren hatten. Anders formuliert: Die Federal Reserve und alle anderen Zentralbanken hatten das kurze Ende der Zinskurve - wie z.B. die Federal Funds Rate - nicht aber den Realzins der 10-jährigen Anleihen in ihren Fokus genommen.

Die Anleihemärkte waren der Schauplatz gewaltiger internationaler Arbitrage. Das hatte schließlich den Effekt, dass die Federal Funds Rate für ein Jahr lang auf 1% sank, weil es keine Anzeichen auf Preisinflation gab. Geldmengenwachstum, langfristige Zinssätze und alle Inflationsindikatoren waren unverändert geblieben. Niemand sah darin ein Problem. Der Ökonom Milton Friedman lobte die Politik der Federal Reserve sogar. Erst 2006 oder 2007 gab es rückblickend andere Einschätzungen zu dieser Phase.


Gary Alexander: Damals las man überall die Schlagzeilen über Leute, die mehrere Häuser kauften, aufhübschten und weiterverkauften, die Kredite aufnahmen, Immobilien refinanzierten, welche praktisch als persönliche ‘Geldautomat‘ benutzt wurden. Waren das keine Hinweis darauf, dass hier etwas aus dem Ruder lief?

Alan Greenspan: Das hatte aber nichts mit der Politik der Federal Reserve zu tun. Das waren Fannie Mae und Freddie Mac, mit ihren Schuldverschreibungen und außerordentlich niedrigen Darlehenszinsen - subventioniert durch die US-Bundesregierung mit der Garantie, dass diese Unternehmen nicht Pleite gehen werden.

Dann forderte das US-Ministerium für Wohnen und Städteplanung darüber hinaus noch, dass beide Institutionen einen großen Teil ihrer Bilanzen in bezahlbare Wohndarlehen investieren sollten. Im weiteren Verlauf entstanden daraus enorme Mengen Subprime-Hypothekenbestände und jene flexiblen Hypothekenzinssätze. Und das zerriss letztendlich das System.


Zwischenfrage: Ich würde jetzt gerne auf die Jahre nach Ihrem Ausscheiden aus der Fed zu sprechen kommen, über die Sie in "The Age of Turbulence" geschrieben haben. Wir haben seit fast sechs Jahren eine effektive Nullzinspolitik, und Inflation zeigt sich nicht wirklich. Sie schrieben:

“Wenn es jetzt keine politischen Veränderungen gibt, darf man von steigenden Inflationsquoten in den Vereinigten Staaten ausgehen. Ich weiß, dass nur noch die Federal Reserve über die Kapazitäten und das Dursetzungsvermögen verfügt, den von mir erwarteten Inflationsdruck einzudämmen. Um die Inflationsraten aber auf einem Niveau von unter 1%, wie zu Goldstandardzeiten, zu halten, müsste man das Geldmengenwachstum so drastisch bremsen, dass es die Zinssätze zeitweilig in den zweistelligen Bereich drücken würde.“

Jetzt ist aber genau das Gegenteil passiert. Die Bilanzen sind explodiert, die Zinssätze sind trotzdem niedrig. Zudem zeichnet sich keine nennenswerte Inflation ab, man befürchtet im Gegenteil Deflation. Könnten Sie mir bitte erklären, in welcher Umgebung wir uns derzeit befinden?


Alan Greenspan: Das Geldangebot ist nicht gewachsen, was daran liegt, dass nur ein sehr geringer Teil dieser Überschussreserven weiter in den Markt verliehen wurde - z.B. zu IBM oder General Motors. Das hat wiederum die hohe Unsicherheit zum Grund. Banken laufen aktuell besser, wenn sie dieses Geld für 25 Basispunkte einbehalten. Es bleiben also riesige Mengen potentiellen Inflationszunders zurück. Sobald diese Anlagen in die Märkte fließen, wird die Inflation steigen. Sie muss steigen.


Gary Alexander: Meine Theorie ist, dass die Bundesregierung selbst gar keine Zinserhöhungen will, weil sie schließlich ein Staatsdefizit von 17 Billionen $ hat, für das Zinsen gezahlt werden müssen. Das würde richtig teuer werden.

Alan Greenspan: Zu meiner Zeit in der Fed hatte es nie Diskussionen zwischen der Fed und dem US-Finanzministerium über die Auswirkungen der Zinssätze auf den Defizitschuldendienst gegeben. Angesichts der bislang angefallenen Schulden, könnte das Defizit bei steigenden Zinssätzen ziemlich erdrückend sein.




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