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Schweizer SNB schockt Märkte - Kurs sackt dramatisch ab

16.01.2015  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1635 (07.42 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1568 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 116.62. In der Folge notiert EUR-JPY bei 135.70. EUR-CHF liegt nach dem Ausbruch aktuell um 1,0185.

Was für ein Tag war das? Die Schweizer SNB hat für Furore gesorgt. Völlig überraschend kippte sie den seit nunmehr 3,5 Jahren gesetzten Mindestkurs von 1,20 zwischen Euro und Franken. Wir versuchen etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Mit dieser Entscheidung war absolut nicht zu rechnen, da der SNB-Chef Jordan noch letzte Woche (!) betont hatte, wie wichtig der Mindestkurs sei.

Durch Beendigung der Intervention gab es extreme Marktbewegungen. Der EUR/CHF-Kurs fiel als direkte Reaktion rapide unter die Parität bis nahe der 0,85 Marke, bevor eine sehr volatile Erholung einsetzte, die den Kurs knapp über das Gleichgewicht zurück brachte. Hier befinden wir uns auch heute Vormittag.

Aktienmärkte fuhren Achterbahn. Der DAX reagierte mit etwas Verzögerung und gab über 150 Punkte ab, bevor eine deutliche Erholung einsetzte und wir die 10.000 Punkte-Marke zurück eroberten. Der DAX schloss dann auch oberhalb dieser Schwelle.

Auch der Eurostoxx 50 zeigte ähnliche Bewegungen, schloss ebenfalls mit über 67 Punkten Zuwachs deutlich positiv. Der Schweizer Index SMI befindet sich dagegen nach Aufhebung des Mindestkurses in freiem Fall und verlor zeitweise an einem Handelstag mehr wahnwitzige 14 Prozent.

Auch viele Häuslebauer in Ungarn, Polen und Kroatien hat der gestrige Tag die Schweißperlen auf die Stirn getrieben. Sie haben ihre Immobilien auf Frankenbasis finanziert und müssen nun plötzlich deutlich mehr für Zinsen und Tilgung aufbringen als zuvor, denn der Franken wertete auch gegenüber Zloty und Co. dramatisch auf. Die Neubewertung solcher "Carry-Kredite" wird sich in der Finanzbranche auch an anderen Stellen bemerkbar machen.

Das große Rätsel ist der Punkt was eine Notenbank zu diesem Gesichtsverlust treibt?

Laut SNB-Chef Jordan macht es keinen Sinn diese nicht-nachhaltige Geldpolitik weiterzuführen, die sich die SNB mit der Koppelung an den Euro selbst aufoktroyiert hatte, um die heimische Wirtschaft zu schützen. In den vergangenen Wochen (getrieben u.a. vom Goldreferendum) hatte sich der Wechselkurs bedrohlich der 1,2000-Schwelle angenähert, was die SNB dazu veranlasse überdurchschnittlich viele Euros anzukaufen und dafür Franken auf den Markt zu geben.

Nach Meinung des Notenbankchefs hat sich die Gesamtsituation aber geändert. Die SNB stellt sich mit diesem Schritt dem Markt. Die SNB scheint fest davon auszugehen, dass die EZB in der nächsten Woche deutlich expansive Schritte verkünden wird, was ihr eine eigenständige Geldpolitik unmöglich machen würde. Bei Bedarf wolle man direkt am Devisenmarkt aktiv werden, so die SNB.

Eine entscheidende Rolle für diese Entscheidung sollte die für kommende Woche angekündigte EZB-Ratssitzung spielen. Angesichts immer niedrigerer Inflations- und schwacher Wachstumszahlen sind die Erwartungen hinsichtlich eines groß angelegten Wertpapierkaufprogramms gigantisch. Diese erwartete Ankündigung (die EZB hat im Dezember relativ deutlich gemacht, dass sie ihre Bilanzsumme von 2 auf 3 Bill. Euro ausweiten möchte) brachte den Euro in den vergangenen Tagen erheblich unter Druck von 1,2150 auf weniger als 1,1750 vor der SNB-Ankündigung. Ein solches Kaufprogramm würde die Verteidigung des CHF-Mindestkurses massiv erschweren.

Die Entscheidung der SNB stellt eine Kehrtwende in der Notenbankpolitik dar. Noch heute wird über den Fall der Bank of England gesprochen, die von dem Spekulanten George Soros 1992 „geknackt“ wurde. Das Vorgehen der SNB hat eine ähnliche historische Dimension. Trotz aller Ankündigungen und Beteuerungen (05. Januar sowie erst am Dienstag) der SNB hat sie mit der Entscheidung den Mindestkurs zu kippen eine absolute Kehrtwende vollzogen. Ein wahres Kommunikationsdesaster, das die Glaubwürdigkeit aller Notenbanken beschädigt.

Ob es in Zukunft noch Carry-Trades geben wird, muss sich erst noch herausstellen.

Durch die ausgeweiteten Negativzinsen erhofft sich die SNB, dass die Aufwertung des Franken nicht zu stark ausfällt. Um sich alle Optionen offen zu halten steht die Ankündigung weiterer Interventionen im Raum. Bereits die offenen Interventionen nach Bekanntgabe der Aufhebung zeigten, dass auf dem aktuellen Niveau noch Platz für Bewegungen steckt. Bei Kursen unterhalb der Parität sollte sich die SNB zum kurzfristigen Handeln aufgefordert fühlen, damit die heimische Wirtschaft nicht zu stark unter dem starken Franken leidet.

Neben der Franken-Story beschäftigten uns gestern verschiedene Fundamentaldaten aus den USA, die uneinheitlich ausfielen.

Die US-Produzentenpreise sind im Dezember 2014 so stark gefallen wie seit über drei Jahren nicht mehr. Gegenüber dem Vormonat fielen die Preise um 0,3 Prozent, wie das BLS (Arbeitsministerium) in Washington verkündete. Experten hatten mit einem Rückgang um 0,4 Prozent gerechnet. Bereinigt um die schwankungsanfälligen Preise für Nahrungsmittel und Energie gab es dagegen einen Preisanstieg um 0,3 Prozent. Die derzeitige Preisentwicklung in den USA bleibt damit aufgrund der Energiepreise als zurückhaltend zu beschreiben.

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Der Phily Fed Konjunkturindex fiel mit 6,3 Punkten deutlich hinter den Vormonat zurück. Dieser lag bei 24,3. Seit dem Mehrjahreshoch im November bei 40,20 Zählern hat der FED-Bezirk deutlich in den Rückwärtsgang geschaltet.

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Der wichtige FED-Bezirk New York konnte den Ausreißer des Vormonats, der im negativen Bereich lag, wieder ausmerzen. Im Januar lag der Wert mit 9,95 Punkten wieder auf solidem Niveau. Sämtliche Subindizes (Beschäftigung, Aufträge, Verkaufspreise) senden zunehmend positive Signale.

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Derzeit ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Ein Überwinden des Widerstandsniveaus bei 1.2100 - 30 neutralisiert den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Moritz Westerheide
Bremer Landesbank



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