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Ein Blick auf 2015

19.01.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 4 -
Der Ruf nach mehr "Deficit Spending"

Führende Ökonomen, insbesondere die aus den Vereinigten Staaten von Ameri-ka, empfehlen den Regierungen im Euroraum, das Wirtschaftswachstum durch schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme anzuheben. Ein solches "Deficit Spending" sei die einzige Möglichkeit, Produktion und Beschäftigung in der Währungsunion zu beleben; denn die Kraft der Geldpolitik der EZB, die ihre Zinsen auf de facto null Prozent abgesenkt hat, sei mehr oder weniger ausgereizt. Diese Empfehlung wird häufig mit dem Hinweis auf die Erfahrung verbunden, die Japan Anfang der 1990er Jahre gemacht habe. Dort sei zu lang und zu zurückhaltend auf die geplatzte Blasenwirtschaft reagiert worden, so dass die Krise letztlich zu einer Stagnation-Deflation geführt habe.

Eine solche Politikempfehlung entspringt ganz und gar dem Keynesianischen Denken: Sie besagt, der Staat könne die Nachfrage beleben, indem er seine kreditfinanzierten Ausgaben erhöht. An dieser Stelle soll jedoch nicht die Qualität dieser Politikempfehlung diskutiert werden. Vielmehr sei nur darauf hingewiesen, dass ein Ausweiten der Staatsschuldenpolitik vermutlich in vielen Euro-Regierungen auf offene Ohren stößt.

Insbesondere dann, wenn die EZB als Käufer von neu ausgegebenen Wertpapieren eingesetzt werden kann, um einen politisch nicht gewollten Zinsauftrieb zu verhindern. Zudem würde durch das Monetisieren der Staatsschulden ein "neuer Kanal" entstehen, durch den die Euro-Geldmenge ausgeweitet werden kann, sollten Euro-Banken nicht mehr in der Lage oder willens sein, neue Kredite zu vergeben.

Im Zuge eines solchen "Deficit Spending" würden die Euro-Staaten dann Aufträge (für zum Beispiel Infrastrukturprojekte) vergeben und sie mit neu geschaffenen Euro bezahlen. Es entstünde genau das, was der Maastricht-Vertrag verhindern wollte: Dass die EZB zur Finanzierung der Staatshaushalte eingesetzt wird. Zudem würden sich die Euro-Wirtschaften mit einer solchen Politik zusehends in staatlich gelenkte Gebilde verwandeln. "Gelenkte Volkswirtschaften" stellen jedoch keine wirtschaftliche Prosperität in Aussicht. Sie lässt sich bekanntlich nur in einer freien Marktwirtschaft erzielen und mehren.


Preiswirkungen

Blickt man auf die bisherigen Geldpolitiken, so stellt man fest, dass die bisherige Geldmengenausweitung im Wesentlichen "nur" innerhalb des Banken- und Finanzsystems stattgefunden hat. Indem die Zentralbanken die Basisgeldmengen ausweiten, wird das Kredit- und Zahlungsausfallrisiko der Banken und Staaten entschärft. Das Ausweiten der Geldmengen hat dennoch Preiswirkungen: Die Preise fallen höher aus - und zwar im Vergleich zu einer Situation, in der die Geldmenge nicht erhöht worden wäre.

Bisher scheint die erhöhte Liquidität vor allem für steigende Wertpapierkurse zu sorgen - etwa für Aktien, vor allem aber für festverzinsliche Papiere -, aber auch hier und da für steigende Immobilienpreise. Mit anderen Worten: Die Nullzins- und Geldmengenvermehrungspolitik treibt die 'Vermögenspreise‘ in die Höhe. Im laufenden Jahr ist es nicht wahrscheinlich, dass in den großen Volkswirtschaften die Teuerungsraten für die Konsumentenpreise stark ansteigen werden. Der gesunkene Ölpreis trägt dazu bei, die Lebenshaltungskosten merklich zu senken.

Dabei sinken nicht nur die Energiepreise. Es ist auch zu erwarten, dass der Preisauftrieb anderer Güter, die von Energiekosten abhängen, gebremst wird. Weil der Ölpreis überaus stark gefallen ist, ist es sogar denkbar, dass in einigen Währungsräumen die Preissteigerungsraten, zumindest vorübergehend, negativ werden - zumal sie vielerorts bereits jetzt relativ niedrig liegen. Eine Deflation kündigt sich dadurch jedoch nicht an.

Eine Deflation - ein fortgesetztes Absinken der Preise auf breiter Front - ist nur denkbar, wenn die Geldmenge dauerhaft abnimmt. Das aber ist etwas, was sich in einem Papiergeldsystem abwenden lässt, wenn es politisch gewünscht ist. Die Zentralbank kann schließlich die Geldmenge jederzeit und in jeder beliebigen Menge ausweiten - durch beispielsweise Wertpapier- oder Devisenkäufe. Die Geldpolitiken, die in den großen Volkswirtschaften bereits verfolgt wurden, deuten eines schon jetzt unmissverständlich an: Einer Deflation soll keine Chance gegeben werden. Schon die Aussicht, es könnte künftig zur Deflation kommen, veranlasst zum Beispiel die EZB, zu Mitteln zu greifen, um die Geldmengen zu erhöhen.

Darin kommt eine tief sitzende "Inflationsneigung" zum Ausdruck. Sie führt dazu, dass die Zentralbanken bereit sind, eher einer inflationären Geldpolitik zuzustimmen als einer, die möglicherweise deflationär wirkt. In Volkswirtschaften, in der die allgemeine Verschuldung hoch ist, ist es noch leichter, die Geldpolitik auf einen inflationären Kurs zu schicken. Denn für Verschuldete ist Deflation ein Graus, während Inflation sie tendenziell begünstigt.

Zudem tritt bei einer Inflationspolitik der vermeintliche "Nutzen" zuerst in Erscheinung (etwa in Form einer vorübergehenden Konjunkturbelebung), während die "Kosten" einer solchen Politik erst später in Erscheinung treten (in Form von zum Beispiel Kaufkraftverlust des Geldes oder Konjunktureinbruch und Rezession). Das mag zusätzlich erklären, warum die Gefahr der Inflation weitaus höher ist als die der Deflation: Die Geldpolitik ist eher bereit, einen "Inflationsfehler" zu begehen als eine "Deflationsfehler".


Zusammenfassung
  • Mit Blick auf die Weltwirtschaft lassen sich Licht und Schatten erkennen. Es gibt nur wenige Anzeichen, dass sie sich in 2015 beschleunigen sollte, jedoch Warnsignale, dass sie sich verlangsamen könnte.

  • Die "Krise" ist noch nicht überwunden. Das Rückfallpotenzial ist nach wie vor hoch - wenn es auch durch politische Markteingriffe verschleiert wird.

  • In einer besonders schwierigen Situation befinden sich Japan und der Euroraum. Deren Probleme, sollten sie ungelöst bleiben, könnten sich zu einem ernsten Störfaktor für die Weltwirtschaft auswachsen.

  • Die Zinsen sollten niedrig bleiben, in den großen Währungsräumen könnten sie so-gar noch weiter fallen; "normale" Zinssätze sind nicht in Sicht.

  • Die Tiefzins- und Geldmengenausweitungspolitiken der Zentralbanken dürften die Preise für Vermögensgüter - wie insbesondere Aktien und Immobilien - (weiter) inflationieren.

  • Die Aufwertung des US-Dollar-Wechselkurses könnte sich noch weiter fortsetzen - auch wenn die US-Wirtschaft weniger stark wachsen und die US-Zentralbank ihren Leitzins nicht oder nicht stark anheben sollte.

  • Angesichts nach wie vor zunehmender Probleme in der internationalen Kredit- und Geldarchitektur empfehlen wir Anlegern zu Absicherungszwecken weiterhin, einen Teil ihres Portfolios in Gold zu halten.

  • Im laufenden Jahr könnten die Edelmetallpreise nicht nur in Euro gerechnet, sondern auch in US-Dollar wieder zulegen.

"Die Schwankungen im Weltpreise der Edelmetalle scheinen mir gegenwärtig immer noch geringere Gefahren in sich zu schließen als die Regelung des inneren Tauschwertes des Geldes durch Regierungen oder soziale und politische Parteien." Carl Menger, 1936, Schriften über Geldtheorie und Währungspolitik, S. 86 - 87.



© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


(1) Unseren Ausblick vom Vorjahr (Januar 2014) finden Sie hier.


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