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QE-Programm der EZB - Eurozone auf japanischem Kurs

18.01.2015  |  Klaus Singer
Der DAX ist in den zurückliegenden fünf Handelstagen um 600 Punkte gestiegen. In teilweise sehr volatilem Handel hat er die Psycho-Marke 10.000 geknackt und notiert nun auf Allzeithoch. Er hat zudem große relative Stärke im Vergleich zu US-Aktien gezeigt. Der Euro hat gleichzeitig an Wert verloren und den wichtigen Supportbereich von 1,17 gebrochen.

Ob europäische Aktien von Zufluss ausländischen Kapitals getrieben wurden? Ein "Nein" liegt angesichts der Euro-Schwäche zwar nahe, aber wenn gleichzeitig Carry-Trades, die Kreditaufnahme in Euro und Transfer des Darlehensbetrags in Dollar, stattfinden, kann die Entwicklung der Währungsrelation alleine darauf keine Antwort geben. Der Effekt der Carry-Trades könnte den des Kapitalzuflusses überkompensieren.

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Der Wochenchart Euro/Dollar (siehe Chart!) zeigt das Währungspaar so tief wie im Herbst 2003 in der Mitte eines Abwärtskanals aus Mitte 2008. Im Mai 2014 notierte das Währungspaar noch bei 1,38. Sollte die Dynamik der Abwärtsbewegung Bestand haben, wäre Anfang des zweiten Quartals die Parität und der untere Rand des Abwärtskanals erreicht.

Klar ist, dass die massiven Bewegungen der zurückliegenden Woche mit der EZB-Sitzung am Donnerstag, dem 22. Januar, in Verbindung stehen. Nachdem systemmatisch Erwartungen geweckt worden sind, dass die EZB ein QE-Programm nach Vorbild der Fed auflegen wird, nachdem auf europäischer Ebene schon mal vorsorglich rechtlich grünes Licht gegeben wurde, gehen die "Märkte“ todsicher davon aus, dass es kommt. Käme es nicht oder fiele es deutlich kleiner aus als das kommunizierte Volumen von einer Billion Euro, gäbe es vermutlich einen Crash.

EZB-Chef Draghi hat seit Mitte 2012 versprochen, die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten (“whatever it takes”). Es ist nicht Aufgabe der EZB, den Euro zu retten - das nur nebenbei. Bisher hat seine Rhetorik ausgereicht, aber nun wollen die “Märkte” Taten sehen.

Die EZB hat ein kompliziertes Abstimmungssystem. Die fünf größten Mitgliedsländer der Eurozone, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande, haben auf monatlich rotierender Basis vier Stimmen, die anderen 13 haben auf ebenfalls rotierender Basis elf Stimmen. Die Länder werden vertreten durch die nationalen Zentralbankpräsidenten. Die sechs Mitglieder des EZB-Direktoriums haben ein dauerhaftes Stimmrecht. Bei Kapital, Währungsreserven oder Gewinnverteilung betreffenden Beschlüssen des EZB-Rats erfolgt eine Stimmgewichtung entsprechend den Anteilen der Zentralbanken am Kapital der EZB.

Die deutsche Vertreterin im EZB-Direktorium, Sabine Lautenschläger, hatte sich jüngst vorerst gegen den Ankauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank ausgesprochen, weil Nutzen und Risiken gegenwärtig in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander stünden. Ob sie dem Druck widerstehen wird???

Wahrscheinlich wird sich Draghi bei einer Abstimmung über ein QE-Programm durchsetzen, aber es wird wohl keinen Konsens geben - vielleicht keine Nein-Stimmen, sondern “nur” Enthaltungen. Mehrheitsentscheidungen aber sind problematisch. Luxemburg, Malta und Zypern haben weniger als eine Million Einwohner, sechs andere Länder bringen es auf jeweils unter zehn Millionen, einige davon haben weniger als zwei Millionen Einwohner.

Große Länder könnten sich da letztlich überfahren fühlen. Und wenn die Zentralbank des größten Landes, Deutschland, nicht voll hinter der Entscheidung steht, wäre die Glaubwürdigkeit von Draghi erheblich angeschlagen. Insbesondere würde es ihm dann immer schwerer fallen, weiterführende Beschlüsse durchzusetzen. Und die werden kommen müssen - mit einer Billion Euro werden sich die “Märkte” nicht zufrieden geben.

Ob Draghi dann bald das Weite sucht und es z.B. nochmals als italienischer Staatspräsident versucht, wird sich zeigen. Auch kein leichter Job, aber immerhin bräuchte er sich dann nicht mehr mit der Kritik deutscher Ökonomen und Politiker an seiner Geldpolitik herumschlagen, die ihn verletze - wo er doch “Milliardengewinne” verteile, die auch bei den Bundesbürgern ankämen.

Das QE-Programm der EZB wird also wohl kommen, das würde den Euro weiter schwächen. Käme es nicht, könnte er trotz der schwachen Wirtschaft hier erstarken - zusammen mit den Zinsen auf Staatsanleihen der Länder mit besonders hoher Verschuldung.

Die vorgezogene griechische Parlamentswahl wird vermutlich den Kräften die Mehrheit verschaffen, die richtigerweise sagen, ihr Land könnte die Staatsschulden in Höhe von mehr als 170% des BIP nicht zurückzahlen. Wenn das QE-Programm der EZB kommt, wird das zum Nicht-Ereignis für die “Märkte”.

“Griechenland” und das wahrscheinliche QE-Programm der EZB rufen wieder ins Gedächtnis, dass die Eurokrise alles andere als gelöst ist. Die strukturellen Schwächen der Gemeinschaftswährung sind geblieben trotz oder wegen aller Flickschusterei des Politbüros in Brüssel. Um aus dem Experiment Euro eine Währung zu machen, wären Maßnahmen erforderlich, die gleichermaßen teuer und einschneidend sind. Ein QE-Programm jedenfalls stellt nicht die Lösung dar, es verschafft möglicherweise weitere Zeit, die wahrscheinlich wieder ungenutzt verstreicht.



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