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Erschütterungen der SNB-Kehrtwende noch nicht ermessbar …

19.01.2015  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1542 (07.55 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1460 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 117.15. In der Folge notiert EUR-JPY bei 135.45. EUR-CHF oszilliert bei 0.9990.

Die Verteidigung der Kehrtwende in der Mindestkurspolitik der Schweizer Nationalbank darf zur Kenntnis genommen werden.

Die SNB hat ihren Kurswechsel bei der Aufgabe des Mindestkurses verteidigt. Herr Jordan sagte, dass es ihm klar war, dass die überraschende Abkehr vom Mindestkurs zum Euro die Schweizer Wirtschaft vor Probleme stelle und die Finanzmärkte einige Zeit bräuchten, um sich von dem Schock zu erholen, der Schritt sei aber angesichts des anhaltend fallenden Euro nötig gewesen, um langfristig die Kontrolle über die Geldpolitik zu behalten.

Diese Einlassungen hätten uns auch schon vor sechs, vor drei, vor einem Monat oder noch am 12. Januar (Danthine SNB bestätigt Mindestkurs!) erreichen können. Das QE-Programm der EZB als auch die Determiniertheit Mario Draghis ist lange bekannt, auch der SNB! Nein, Herr Jordan, das überzeugt nicht.

Die daraus verursachten Schäden für die Schweiz und die Finanzmarktteilnehmer aus der Kursanpassung sind eine Sache. Der entscheidende Schaden ist jedoch in einem Mangel an Glaubwürdigkeit einer entscheidenden Zentralbank festzumachen. Die Folge auch in der Erwartungshaltung gegenüber weiteren Zentralbanken und damit dem Vertrauen in das Finanzsystem ist das Primärproblem. Das gilt auch bezüglich der BoE und der Federal Reserve, die das Ende ihrer Niedrigzinspolitik an einige quantitative Indices banden, um dann nicht zu liefern.

Vor diesem Hintergrund nimmt der Druck auf die EZB zu, diese Woche nachhaltig zu überzeugen. Ansonsten könnten die Erschütterungen nachhaltiger und ultimativ systemischer Natur sein.

Wir freuen uns, dass Präsident Obama erstmals fiskalische Strukturreformen plant. US-Präsident Obama will Steuerschlupflöcher bei Unternehmen und für reiche Amerikaner schließen, um mit dem Geld die Mittelschicht zu unterstützen. Dazu gehöre eine Anhebung der Kapitalertragsteuer, die Besteuerung von Treuhandvermögen und eine Abgabe für Finanzkonzerne mit Vermögenswerten über 50 Mrd. USD. Für Kinder soll es unter anderem einen größeren Steuerfreibetrag geben.

Interessant ist es, dass diese Vorschläge zu einem Zeitpunkt kommen, in denen die Demokraten in den parlamentarischen Kammern keine Mehrheiten haben. Das wirft die eine oder die andere Frage auf. Beide Antworten bewegen sich in Richtung Marketing und nicht Reform.

Während man in den USA in den letzten Jahren die Finanzmarktregulierung "Frank-Dodd" massiv geschliffen und faktisch entkernt hat, zeigt China, dass es auch anders geht. Der kurzfristige Schmerz ist hoch, der strukturelle Nutzen ist langfristig viel höher.

Die Aktienmärkte sind in Folge nachhaltiger Regulierung am Montag abgestürzt. Hintergrund ist das Verbot einiger Finanzprodukte, die in den vergangenen Monaten für massive Marktspekulationen verantwortlich gemacht wurden. Vor allen Dingen sanken die Kurse der Aktien von Finanzinstitutionen und Brokern.

Diese Woche wird eine Woche der Entscheidungen. Die EZB steht unter Druck, überzeugend zu liefern. Die Lieferung mag auch eine Art "Contingency Planning" bezüglich der anstehenden Griechenlandwahl sein, die fraglos von hoher Bedeutung ist.

Dazu hat sich Frau Lagarde am Wochenende in der Irish Times geäußert: Sie hat Griechenland vor einer Umschuldung nach den bevorstehenden Parlamentswahlen gewarnt. Ein solcher Schritt würde Konsequenzen für die Glaubwürdigkeit des Euro-Krisenlandes haben. "Schulden sind Schulden, und das ist ein Vertrag", wurde die IWF-Chefin zitiert.

Kein anderes Land hat so viel Hilfe inklusive eines Schuldenschnitts erfahren wie Griechenland. Das hohe Reformvolumen war erforderlich, weil die politische Elite und die dahinter stehenden Wähler und Nutznießer sich der Realität über Jahrzehnte verweigerten. Lieber Herr Tsipras, man sollte Ursachen und Aspekte einer Krise unterscheiden können, oder? Mehr noch sollte man gewährte Solidarität auch würdigen!

Vor diesem Hintergrund sollte die Nervosität und in der Folge die Volatilität an den Märkten hoch bleiben.


Werfen wir einen Blick auf aktuelle Konjunkturdaten:

Wir beginnen mit Russland, dass gerade erneut herabgestuft wurde. Bei 13% des BIP Staatsverschuldung, einem aktiven öffentlichen Haushaltssaldo, einer aktiven Handelsbilanz und nachfolgenden Wirtschaftsdaten als auch der massiven Solidarität Chinas ist das natürlich auch nachhaltig verständlich - Vorsicht Ironie.

• Die russische Arbeitslosenrate legte per November (wie jedes Jahr im Winter) von zuvor 5,1% auf 5,2% zu.

• Die russischen Einzelhandelsumsätze verzeichneten per November einen Anstieg um 1,8% nach zuvor 1,6% im Jahresvergleich.

• Der Reserve Fund legte per Dezember massiv von zuvor 3,89 auf 4,39 Billionen Rubel zu.

• Der öffentliche Haushalt wies per Oktober einen Überschuss in Höhe von 1,59 Billionen Rubel nach zuvor 1,54 Billionen Rubel aus.

• Die russische Handelsbilanz lieferte per November einen Aktivsaldo in Höhe von 13,4 Mrd. USD (Prognose 11,0 Mrd. USD Moody’s) nach zuvor 14,2 Mrd. USD.

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Charts: © Moody’s Economy.com


Wir erlauben uns die Veränderung der finnischen Arbeitslosenrate (wegen Verflechtung mit russischer Wirtschaft) im Vergleich der letzten 12 Monate anzubieten:

• Veränderung Russland von 12/2013 auf 11/2014 von 5,6% auf 5,2%
• Veränderung Finnland von 12/2013 auf 11/2014 von 8,6% auf 9,0%

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© Reuters


"Food for thought!" - Kein Kommentar!


Daten aus China:

• "Fixed Asset Investment" legte im Jahresvergleich per November um 15,8% nach zuvor 15,9% zu.

• Die Industrieproduktion verzeichnete im Jahresvergleich per November einen Anstieg um 7,2% nach 7,7%.

• Einzelhandelsumsätze nahmen im Jahresvergleich per November um 11,7% nach 11,5% zu.

• Das chinesische BIP stieg per 3. Quartal um 7,3% (Prognose 7,2%) im Jahresvergleich.

"Steady water" aus China - Nach 30 Jahren mit durchschnittlichem Wachstum von 9% ist die Normalisierung der Wachstumsrate nur konsequent (Gesetz der großen Zahl). Die reale Nachfrageausweitung bleibt eindrucksvoll.


Daten aus den USA:

• Die US Verbraucherpreise sanken maßgeblich weger schwacher Energiepreise im Monatsvergleich um 0,4%. Im jahresvergleich stellte sich der Anstieg auf 0,7% nach zuvor 1,3%.

• Die US-Industrieproduktion sank unerwartet um 0,1% per Dezember (Prognose +0,1%). In der Folge ging die Kapazitätsauslastung von 80,0% auf 79,7% zurück.

• Das Verbrauchervertrauen nach Lesart der Uni Michigan legte per Januar markant von zuvor 93,6 auf 98,2 Punkte zu und markierte den höchsten Wert seit Januar 2004.

Wir freuen uns über die gute Laune, die offensichtlich nicht die strukturellen Probleme der US-Wirtschaft spiegelt. Insgesamt darf man ob der Glaubwürdigkeit der Zentralbankpolitik und der Geopolitik besorgt nach vorne schauen - die Konjunkturdaten spiegeln das Risikocluster derzeit noch nicht.

Derzeit ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Ein Überwinden des Widerstandsniveaus bei 1.2100 - 30 neutralisiert den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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