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Was zählt - Protokoll von vorgestern oder aktuelle Einlassungen der Fed?

09.04.2015  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.0765 (07.45 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.0752 im asiatischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 120.30. In der Folge notiert EUR-JPY bei 129.50. EUR-CHF oszilliert bei 1.0423.

Es gibt Raum für Irritationen:

Gestern wurde das Protokoll der letzten Offenmarktausschusssitzung der Federal Reserve veröffentlicht. Dieses Protokoll hat bezüglich der Konjunkturdynamik in den USA keine sachliche Aktualität. Die Diskussion der Fed-Gouverneure bezog sich beispielsweise auf ein Arbeitsmarktbild, das erstens so nicht mehr existiert und mehr noch in entscheidenden Teilen wegrevidiert wurde.

Vor diesem Hintergrund ist die Reaktion des Devisenmarktes, auf eine frühe Zinswende in den USA zu setzen und entsprechend den USD am Devisenmarkt hochzujubeln, durchaus sportlich. Wird hier nicht die Vergangenheit als Zukunft diskontiert? Nach dem Handbuch 101 des Finanzmarktes heißt es, Zukunft und nicht Vergangenheit zu diskontieren.

Das gilt umso mehr, als dass in dieser Woche zwei bedeutende Fed-Gouverneure hinsichtlich des aktuellen US-Konjunkturbilds und der eingebrochenen Situation am US-Arbeitsmarkt in eine völlig andere Richtung argumentieren, als es das Protokoll des Offenmarktausschusses andeutet.

Während der Chef der NY Fed Dudley noch moderate Töne äußerte ("Angesichts der schwachen US-Konjunkturdaten könnte die erste Zinserhöhung möglicherweise noch etwas länger dauern. Es ist besser die Zinswende etwas später einzuleiten als zu früh wegen der Risiken, den Kurs wieder ändern zu müssen."), sprach der Minneapolis Fed-Chef Kocherlakota sogar von der theoretischen Möglichkeit eines QE4 Programms bei fortgesetzter Konjunkturschwäche.

Wir nehmen diese Marktreaktion und Interpretationsvariante des Devisenmarktes zur Kenntnis. Die normative Kraft des Faktischen wird gerade von einigen Kollegen intensiv diskutiert, denn diese Kraft hat schlussendlich etwas mit den Thesen des Aristoteles zu tun. Sie wissen, wovon wir reden …

Der Besuch des Herrn Tsipras in Moskau erfüllte die Befürchtungen seitens der EU nicht. Russlands Präsident agierte zurückhaltend bei gleichzeitig ausgestreckter Hand sowohl gegenüber der EU als auch Griechenland. Herrn Putin ist sehr wohl bewusst, dass die Halbwertzeit der aktuellen griechischen Regierung recht kurz ausfallen könnte, wenn der Weg der weiteren wirtschaftlichen Zerrüttung fortgesetzt würde. Dafür politisches Porzellan zu zerschlagen, ist offensichtlich nicht Sache Moskaus.

Mehr zukünftige ökonomische Zusammenarbeit und eine Fokussierung auf historisch ausgebildete kulturelle Gemeinsamkeiten lieferten den Inhalt. Das macht Sinn. Hier werden Angebote mit strukturellem Hintergrund gemacht, die losgelöst von der aktuellen Regierung in Athen weiterverfolgt werden können. Weder Staatsfinanzierung durch Moskau noch Aufhebung der Agrarsanktionen wurden gestern vereinbart.

Ergo hat Herr Tsipras nichts in seinen Händen, was die aktuelle finanzielle und ökonomische Stresssituation Griechenlands entspannen könnte. Sie entscheiden, ob dieser Besuch dami bisher ein Meister- oder ein Gesellenstück war und ist. Vor diesem Hintergrund eines erhöhten Risikos einer Staatspleite in Griechenland und eines "Grexit" (Chance bei 50%) ist der schwächere Euro ein Stück weit erklärbar.

Gestern stand lediglich die Veröffentlichung der Einzelhandelsumsätze der Eurozone auf der Agenda. Per Berichtsmonat Februar sanken die Umsätze den Erwartungen des Marktes entsprechend um 0,2%. Der Vormonatswert wurde von +1.1% auf +0,9% revidiert. Ergo kam es zu einer Enttäuschung bezüglich des Zweimonatszeitraumes Januar/Februar 2015. Im Jahresvergleich ergab sich ein Anstieg um 3,0% (Prognose 3,0%) nach zuvor 3,2% (revidiert von 3,7%).

Hier wird ebenso wie in nachfolgendem Chart deutlich, dass die Situation bezüglich dieses Sektors grundsätzlich den Begriff unproblematisch verdient.

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Heute stehen zwei Datensätze aus den USA im Fokus. Nach dem Rückgang der Arbeitslosenerstanträge in der letzten Berichtswoche sollte es hier zu einer Normalisierung auf leicht erhöhtem Niveau kommen.

Die Entwicklung der Lagerbestände und beinahe noch wesentlicher des Absatzes im Großhandel sind von hoher Bedeutung. Zuletzt waren die Einbrüche in diesem Sektor markant (zuletzt -3,3%, -0,9%, -0,4%, 0,0%, 0,0% bei zunehmenden Lagerbeständen …). Das Verhältnis Lagerbestand zu Absatz bewegte sich auf den Niveaus wie direkt vor der Lehman-Krise. Ja, in einer derartigen Situation muss man am Devisenmarkt bezüglich einer diskutierten Zinswende voller Zuversicht sein …

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Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.0480 - 1.0500 neutralisiert den positiiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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